Der US-Pianist Jonathan Biss verzauberte die Philharmonie mit Spätwerken des klassisch-romantischen Höhenkamms, auch ohne Zugabe.
US-Pianist in KölnZwischen Zweifeln und Triumph – Jonathan Biss verzaubert die Philharmonie
Der starke Beifall des Philharmonie-Publikums wollte erkennbar eine Zugabe erzwingen – die Jonathan Biss indes schuldig blieb. Das war nachzuvollziehen – was soll man nach Beethovens Klaviersonate opus 110 noch spielen?
Das Werk misst zwischen Verzweiflung und Triumph den Umkreis alles Menschlichen aus und liefert darüber hinaus eine Auseinandersetzung mit der Musikgeschichte: Gassenhauermäßiges kommt genauso „dran“, wie es Mozart, Gluck und Bach tun. Freilich – und das macht die Interpretation komplex und herausfordernd – geht es nicht um die Zitate von Stilen, sondern um deren Transformation in ein neues Idiom.
Jonathan Biss in der Kölner Philharmonie: Kontinuum des Klangs und der Expression
Man kann das alles in harten und verstörenden Brüchen artikulieren. Der gerade für seine Beethoven-Interpretationen gefeierte US-Amerikaner macht es anders, wie gleich der Anfang verdeutlichte: Er schmilzt – auf höchstem klavieristischen Niveau, wenn auch wiederholt von etwas störendem Seufzen begleitet – die unterschiedlichen Charaktere in ein Kontinuum des Klangs und der Expression ein.
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Mit neutralisierender Abfertigung hat das nichts zu tun, das zeigte dann vor allem der überlegen disponierte Schlusssatz: Wie hier die Klage des leidenden Subjekts („Arioso dolente“) in der Geltendmachung einer sinnerfüllten objektiven Ordnung (Fuge) nicht negiert, sondern aufgehoben und zugleich überwunden wird, das führte Biss mit großer Intensität vor. Der Hörer konnte es in der Ausdrucksdimension unmittelbar nachvollziehen.
US-Pianist spielte in Köln Spätwerke des klassisch-romantischen Höhenkamms
Spät- und Spätestwerke des klassisch-romantischen Höhenkamms (mit dem „Ausreißer“ einiger hochinteressanter Kurtág-Miniaturen) standen im Zentrum dieses Kölner Klavierabends. Dazu gehörte auch die Ehrenrettung der Schumann’schen „Geistervariationen“, denen Biss freilich (anders als z.B. sein Kollege András Schiff) durch noch so gut artikulierte kontrapunktische Widerborstigkeiten ihre etwas ermüdende Monotonie nicht nehmen konnte.
Das fiel zumal auf im Vergleich mit Schuberts B-Dur-Impromptu dessen Variationen hier in einer glänzenden Parade kontrastiver Beleuchtungen zwischen nächtlicher Düsternis und Salon erklangen. Überhaupt gelang in den vier Impromptus des opus 142 überzeugend die Umsetzung der Schubert’schen Formdramaturgien: die differenzierte Lautstärken-Staffelung, die Wiederkehr von Themen als Erinnerung, auch das Stocken, das inszenierte Nicht-mehr-weiter-Wissen oder -Können.
Nicht ganz so konnte das Mozart’sche a-Moll-Rondo KV 511 gefallen, in dem Biss zwar die bohrende Chromatik angemessen artikulierte, aber auch Verzierungen beiläufig durchrutschen und das Ganze in Richtung Chopin-Walzer driften ließ. Damit war das mirakulöse Stück leicht unter Wert verkauft.