US-Rapper LiL Nas XDie schwulste Nummer Eins der Chartgeschichte
Los Angeles – Satanische Umtriebe an der Spitze der US-Charts? Amerikas Konservative reden ob der neuen Single von Lil Nas X („Old Town Road“) den Untergang des Abendlandes herbei. Dem schwulen Rapper beschert die Kontroverse seinen zweiten Nummer-Eins-Hit.
Ältere Freunde der populären Musik erinnern sich vielleicht noch an die Hysterie, mit der Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre vor so genannten Rückwärtsbotschaften auf Schallplatten gewarnt wurde. Angeblich hatten populäre Bands wie Led Zeppelin, Queen, Judas Priest oder AC/DC auf ihren Tonträgern rückwärtig aufgenommene Sätze versteckt, mit denen sie ihre jungen Fans unterbewusst manipulieren und diese zu hemmungslosem Drogenkonsum oder Selbstmord überreden wollten, um sie so dem Teufel höchstselbst zuzuführen.
Unzählige besorgte Eltern drehten daraufhin den Plattenteller gegen den Uhrzeigersinn und mühten sich, satanische Verse zu erlauschen. Ihre Kinder taten es ihnen nach, allerdings weniger ängstlich, sondern voller Stolz, ihr Taschengeld derart sinnvoll angelegt zu haben. Gefolgt von endlosen Diskussionen im Freundeskreis, was denn nun genau zu hören sei, falls überhaupt. Die inkriminierten Bands wiederum freuten sich über die kostenlose Publicity, oder scherzten wie AC/DC, dass man sich Lieder wie „Highway to Hell“ auch einfach vorwärts anhören könne, die seien doch schon satanisch genug.
Ein Teufelspakt
Der gute alte Teufelspakt hat nun auch dem jungen Rapper Lil Nas X zu seiner zweiten Nummer Eins in den amerikanischen Billboard-Charts verholfen. Falls Sie sich nicht erinnern: Lil Nas X hatte vor zwei Jahren bereits als 19-Jähriger einen Welthit mit „Old Town Road“.
Die Single hatte der sozialmedial äußerst versierte Afroamerikaner zuvor selbst erfolgreich als TikTok-Challenge beworben.
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Was die Country-Rap-Nummer jedoch bis an die Spitze der Hitparade katapultierte, war die zuvor getroffene Entscheidung der Billboard-Redaktion, sie aus den Country-Charts zu entfernen: Die anschließende Diskussion über den unausgesprochenen Rassismus des Country-Genres erhob den viralen Ohrwurm zum gesellschaftlichen Phänomen. Kein Song hat sich je länger an der Spitze der Billboard-Charts gehalten.
Mit „Montero (Call Me By Your Name)“ setzte Lil Nas X nun von Anfang an auf die Kontroverse: Parallel zur Veröffentlichung brachte er die 666 Exemplare umfassende Sneaker-Edition seiner „Satan Shoes“ heraus, angeblich enthält jeder der teuflischen Turnschuhe einen Tropfen Blut.
Stripper-Stange zur Hölle
Noch gelungener ist das wirklich unglaubliche Video zum Song, in dem Lil Nas X auf einer Poledance-Stange vom Himmel in die Hölle gleitet, um dort dem Fürsten der Finsternis einen Lapdance zu verabreichen.
Es kam, wie es kommen musste: Amerikas Konservative, vom Talkshow-Host bis zum Gouverneur, schäumten und sahen das Abendland untergehen, während die Streaming-Zahlen und Youtube-Klicks von „Montero“ in die Höhe schossen.
Zynische Strategie?
Man mag diese Erregungs-Strategie zynisch nennen, der Song ist es nicht. Der ist vielmehr ein bemerkenswert klarsichtiges Liebeslied, gerichtet an einen Mann, der zu viele Drogen nimmt und seine Homosexualität vor der Welt verbirgt. Lil Nas X hatte sein eigenes Coming-Out während er mit „Old Town Road“ die volle Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit genoss. „Montero“ ist sein bürgerlicher Vorname und nun auch die erste US-Nummer-Eins, in der offen von schwuler Liebe und ihren sexuellen Praktiken gesungen wird.
Das ist kein Teufelswerk, sondern ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität. Sollen die radikalen Evangelikalen ruhig krakeelen, so eine Hitparade ist eben auch ein aussagekräftiges Instrument der Demokratie. Und Lil Nas X weder Satanist, noch Skandalnudel, sondern ein Agent der Aufklärung. Insofern, könnte man sagen, verbreitet der junge Mann aus Georgia, wichtige Vorwärtsbotschaften.