Vergessene Kunstwerke in KölnHier finden Sie die drei Linden von Joseph Beuys
- Es gibt in Köln über 450 Kunstwerke im öffentlichen Raum, teilweise von weltberühmten Künstlern.
- Viele davon werden im Alltag übersehen oder geraten sogar in Vergessenheit. Wie die drei Linden von Joseph Beuys.
- In unserer Serie über vergessene Kunst in Köln gehen wir auf Entdeckungsreise.
Köln – Joseph Beuys und Köln, das ist eine unglückliche Beziehung. Den berühmten Beuys-Block hätte Peter Ludwig für sein Kölner Museum kaufen können, doch er ließ es lieber bleiben, weshalb selbst Kenner die Domtüren, an denen der junge Meisterschüler Beuys für seinen Lehrer Ewald Mataré arbeitete, für dessen Vorzeigewerk der Stadt halten. Dabei gibt es in Köln einen Ableger der Beuys’schen „7000 Eichen“, seiner wichtigsten Arbeit im öffentlichen Raum – es weiß nur kaum jemand davon.
Ein Superlativ der Kunstwelt
„7000 Eichen“ war Beuys’ großer Beitrag zur Documenta 1982, ein mit dem sprechenden Untertitel „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ versehenes Projekt zur Aufforstung des autogerecht zubetonierten Kasseler Stadtraums – und ein Superlativ der Kunstwelt. Es dauerte fünf Jahre, die Eichen mitsamt ihren Erkennungszeichen, 7000 kniehohen, auf dem Kasseler Friedrichsplatz in Keilform angeordneten Basaltstelen, einzugraben, die „Verwaldung“ dehnte sich über das gesamte Stadtgebiet aus und gehörte mit Kosten von 4,3 Millionen Mark zu den damals weltweit teuersten Kunstaktionen. Da sich nicht genügend Stifter fanden, die bereit waren, jeweils 500 Mark für „ihren“ Baum zu zahlen, verkaufte Beuys eigene Werke und ging bei Kollegen betteln. Legendär ist sein Fernseh-Werbespot für eine japanische Whiskymarke; für 400 000 Mark posierte Beuys mit Hut, Anglerjacke und Hochprozentigem im Glas.
Die nicht nur heimliche Hoffnung hinter der Stadtverwaldung war selbstredend, dass der Samen der 7000 Eichen streut – im spirituellen Sinne (für Beuys waren Bäume Lebensspender), aber auch in Form von Übernahmen in anderen Städten. In Düsseldorf wurde 1983 eine wohl eher symbolische Eiche mit Basaltsäule ins Regierungsviertel gepflanzt, immerhin fünf fanden später den Weg nach New York, und zwischendurch wurde auch Köln aktiv. Wulf Herzogenrath, damals Direktor des Kölnischen Kunstvereins, holte Beuys 1985 für die Ausstellung „Raum Zeit Stille“ in die Stadt, einem Beitrag zum Kölner Jahr der Romanischen Kirchen. Vor St. Gereon pflanzte Beuys drei Linden mit Basaltsteinen in einen bestehenden Lindenwald, der neben der viel befahrenen Christophstraße mehr eine gerupfte Straßenrandbegrünung war.
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Heute sieht es im Gereonsdriesch nicht viel besser aus. Gut, die Linden sind ordentlich gewachsen und schirmen den kleinen Park vor St. Gereon so gut sie können gegen die fortschreitende Verstädterung ab. Aber wer nicht weiß, was er hier vor sich hat, wird von der Stadt Köln allein gelassen.
Mit etwas gutem Willen ließe sich vielleicht behaupten, dass ein Mülleimer das Beuys’sche Prinzip von Baum und Stele aufgreift und funktional interpretiert. Aber es fehlt bis heute ein Hinweisschild, und die Stelen, die diese Funktion auch ohne Inschrift erfüllen sollten, sagen wohl nur Kasseler Bürgern etwas; in der Documenta-Stadt stehen von den 7000 Beuys-Eichen immerhin noch (oder wieder) über 6980 Exemplare. Viel auffälliger ist in Köln ohnehin der riesige Kopf, den der Künstler Iskender Yediler vom Hals des heiligen Gereon in den Driesch rollen ließ. Dieser mag ein Hingucker sein. Aber das Meisterwerk vor Ort ist er nicht.
Zur Serie
Im Kölner Stadtraum gibt es weit mehr als 450 Denkmäler und Skulpturen. Manche werden geliebt und gehegt, andere verspottet, die meisten aber schlicht übersehen. Wir wollen an Kunstwerke erinnern, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind, und fragen nach dem Sinn von Kunst im öffentlichen Raum.
Vergleichsweise üppig von der Stadt subventioniert, konnte Herzogenrath für „Raum Zeit Stille“ Werke von Künstlern wie Barnett Newman, Mark Rothko, John Cage oder eben Joseph Beuys nach Köln holen. Letzterer steuerte einige Baumzeichnungen und die drei Linden bei. „Beuys kannte die Situation in Köln ein bisschen“, erinnert sich Herzogenrath, „aber er überließ es uns, einen passenden Ort zu suchen.“ Vom Driesch vor St. Gereon sei er begeistert gewesen und habe sich sofort entschlossen, dort Linden statt Eichen zu pflanzen. „Er sagte, da müssen Bäume hin, die dorthin passen“, so Herzogenrath.
Ein gutes halbes Jahr vor seinem Tod ahnte der erkrankte Beuys wohl, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleiben würde. Umso wichtiger mag es ihm gewesen sein, den romanisch-sakralen Dreiklang von Raum, Zeit und Stille aus den Kirchen in die lärmumtoste Stadt zu bringen.