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WDR FunkhausDas Kölner Konzert „Musik der Zeit“ glich einer Naturgewalt

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Die Komponistin Rebecca Saunders  

Köln – Der „Knaller“ kam zum Schluss: „Eonta“ von Iannis Xenakis. Pianist Lorenzo Soulès begann allein mit dem hypervirtuosen Solopart. Die Hände des einstigen Studenten von Pierre-Laurent Aimard an der Hochschule für Musik und Tanz Köln zuckten wie eine wild gewordene Präzisionsmaschine rasend schnell durch alle Register der Klaviatur. Dazu schlichen sich die zwei Trompeter und drei Posaunisten des Ensemble Schwerpunkt mit gedämpft gegen den Bühnenboden geblasenen Tönen behutsam ins Geschehen, um dann schnell alle Zurückhaltung aufzugeben.

Das Konzert „Musik der Zeit“ war das letzte unter redaktioneller Verantwortung von Harry Vogt, der die WDR-Reihe seit 1990 programmatisch leitete und jetzt in Ruhestand geht. Die von ihm geplante kommende Spielzeit 2022/23 wird dann bereits jemand anderes in der Redaktion Neue Musik betreuen.

Massive Klangattacken auf den Saitenchor

Den Schlusspunkt seiner künstlerischen Leitung setzte er mit Xenakisʼ 1963 komponiertem „Eonta“ (Seiendes). Der griechische Komponist versuchte seine Musik mittels mathematischer Verfahren von subjektiven Vorstellungen und Ausdrucksbedürfnissen zu befreien. Tatsächlich entfesseln die fünf Blechbläser Energien wie eine Naturgewalt. Um den geöffneten Flügel geschart, schicken sie massive Klangattacken auf den Saitenchor, der dann ein fernes Echo nachschwingen lässt. Dann wandeln die Bläser über die Bühne, so dass ihre Instrumente aus jeweils anderen Winkeln in den Saal abstrahlen.

Ganz dem Klang verpflichtet ist auch „miniata“ von Rebecca Saunders. Der einmal gesetzte Grundgestus bleibt während des gut halbstündigen Stücks von 2004 allerdings immer derselbe. Anfangs saugt der Balg des Akkordeons geräuschhaft Luft an, um ebenso wieder auszuatmen. Beim zweiten Mal kommen Tonhöhen hinzu. Alle weiteren Klangwellen sind dann Varianten mit jeweils anderer Farbe, Dynamik, Energetik und Rauheit: mal grell und scharf, mal fahl und matt.

Saundersʼ Musik trotz Farbreizen erwartbar

Akkordeonist Teodoro Anzellotti schickt wahlweise gleißende Akkorde oder silbrig flirrende Spitzentöne durch den Sendesaal. Und Pianist Nicolas Hodges legt harte Cluster und Repetitionen wie weiße Schaumkronen auf die wahlweise heftigen Attacken oder sanft ein- und ausschwingenden Klänge von WDR Rundfunkchor und Sinfonieorchester unter Leitung von Peter Rundel.

Doch allen Kontrasten und Farbreizen zum Trotz bleibt Saundersʼ Musik erwartbar, da strukturell und formal immer das Gleiche passiert, also letztlich nichts. Noch mehr Gleichmaß bot Morton Feldmans „The Swallows of Salangan“. Das 1960 entstandene Stück ersetzte die ausgefallene Uraufführung von Agata Zubels Chorwerk „Harmonia Sfer“, so dass die Konzertreihe für neue Musik diesmal leider ohne Novität auskommen musste.

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Feldmans Partitur besteht nur aus Tonhöhen ohne Dauern, Taktangaben und Dirigent. Celli, Schlagzeug, zwei Klaviere, Holz- und Blechbläser überlagern selbständig Liegetöne zu einem schwebenden Klangband mit leicht anderen Schattierungen, als änderten Wolkenformationen langsam ihre Gestalt. Auch hier: Musik wie Natur.