Köln – Der Star des Abends war eine Russin. Üblicherweise ist das nicht erwähnenswert, in diesen Tagen aber schon. Wie hält es Julia Lezhneva mit dem Ukraine-Krieg? – diese Frage dürfte flashartig selbst denjenigen durchs Gehirn geschossen sein, die beim Auftritt von Concerto Köln in der Philharmonie eisern gewillt waren, der „Meistersinger“-Devise „Hier gilt’s der Kunst“ zu frönen. So weit ist es also schon gekommen.
Politische Stellungnahmen sind von Lezhneva nicht bekannt
Nun sind aktuelle politische Stellungnahmen der Künstlerin – die ihren Hauptwohnsitz, wie zu lesen ist, nach wie vor in Moskau hat – nicht bekannt geworden. Weder solche pro noch anti Putin. Und das muss in der Tat ausreichen, niemand sollte von Künstlern in einer Diktatur einen Bekenntnis-Heroismus verlangen, den er selbst in vergleichbarer Situation wahrscheinlich auch nicht aufbrächte. Julia Lezhneva, einer der derzeit weltbesten Barocksoprane, wurde also anlässlich ihres Auftritts inbrünstig gefeiert – was sie selbst erleichtert zur Kenntnis zu nehmen schien und wofür sie sich mit einem üppigen Zugabenreigen bedankte.
Künstlerisch erfüllte der Abend tatsächlich alle Erwartungen: In einer Solomotette von Vivaldi und Opernarien von Hasse bot Lezhneva barocke Gesangartistik vom Feinsten – und zwar mit jener scheinbaren Mühelosigkeit, die anzeigt, dass da technisches Können und Stilbewusstsein zweite Natur geworden sind. Nicht nur sind ihre virtuosen Koloraturen eine Wucht – sie rollen tatsächlich wie Perlen von einer Schnur.
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Dabei „fehlt“ ihrer Stimme, die aus satter Altlage in jubelnde Höhen zu steigen vermag, die lodernde Exaltation einer Simone Kermes, alles bleibt in hohem Maße kontrolliert. Schlichtweg umwerfend ist ihr Legato im Leisen, wo sie das Portamento dezent, aber sehr charakteristisch als „Schmiermittel“ zwischen den Tönen einsetzt. Und die barocke Affektsprache wirkt bei ihr nicht schablonenhaft, sondern tatsächlich tief empfunden.
Die Geigerin Mayumi Hirasaki und der Konzertmeister Emilio Percan flankierten die Gesangsauftritte mit – auf die damalige Musikmetropole Dresden fokussierten – Violinkonzerten von Pisendel, Händel und Vivaldi sowie einer Konzertanten von Zelenka. Die Agenda wurde nicht nur gewohnt kernig, temperamentvoll und farbenreich absolviert (wobei das Gegenüber von ersten und zweiten Violinen geradezu die Klangwirkung von Doppelchörigkeit zeitigte), sondern überzeugte diesmal auch von der Substanz der Musik her. Konzertierende Hörner samt Pauken erwartet man im Violinkonzert des frühen 18. Jahrhunderts eher nicht. Hier indes kamen sie opulent zum Einsatz und bescherten so schöne wie ungewohnte Hörerlebnisse.