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Wer folgt auf Tom Buhrow?Das Rennen um die WDR-Intendanz ist offen – diese Kandidaten haben Chancen

Lesezeit 6 Minuten
Tom Buhrow, Intendant des Westdeutschen Rundfunks, trägt ein blaues Sacko und ein weißes Hemd.

Tom Buhrow ist noch bis Ende des Jahres Intendant des Westdeutschen Rundfunks. Wer wird sein Nachfolger?

Am 27. Juni wählt der Rundfunkrat des WDR einen neuen Intendanten. Vier Kandidaten sind noch übrig, aber die Entscheidung macht wohl ein Trio unter sich aus.

Wer in diesen Tagen Mitglieder des WDR-Rundfunkrats erreichen möchte, muss sich mitunter hinten anstellen. Die 55 Frauen und Männer sind zurzeit äußerst gefragt. Und das ist verständlich, denn sie entscheiden über einen der wichtigsten Posten der deutschen Medienbranche - die WDR-Intendanz. Am 27. Juni wählen sie den Nachfolger oder die Nachfolgerin von Tom Buhrow, der seinen Posten Ende des Jahres räumt. Nicht nur der WDR, sondern der gesamte öffentlich-rechtliche Rundfunk und Deutschlands Medienpolitiker werden dann nach Köln schauen.

Und egal, bei wem man sich im Rundfunkrat, im WDR oder im Umfeld der Anstalt umhört, die Botschaft ist eindeutig: „Das Rennen ist noch offen“, sagt ein Mitglied. „Es ist noch alles möglich“, zeigt sich auch ein anderes überzeugt. Das ist insofern interessant, weil die Entscheidungen über solche Posten oft im Vorfeld in Hinterzimmerrunden der Freundeskreise getroffen werden.

Bei dieser Wahl sieht es aber so, dass sich keiner der verbliebenen vier Kandidaten sicher sein kann, im ersten Wahlgang auf die nötige Anzahl der Stimmen zu kommen. Im zweiten, in dem dann nur noch zwei Kandidaten übrig blieben, würden die Karten noch einmal neu gemischt.

Noch vier Kandidaten können sich Hoffnung machen

Und so rühren die vier verbliebenen Kandidaten Jörg Schönenborn, Katrin Vernau, Helge Fuhst und Elmar Theveßen im Moment kräftig die Werbetrommel in eigener Sache, klappern möglichst viele der Rundfunkrat-Mitglieder ab und schicken auch den ein oder anderen Unterstützer vor, die eigenen Vorteile anzupreisen. „Die haben echt ein wahnsinniges Pensum absolviert“, sagt ein Rundfunkratsmitglied, deren Telefon während des Hintergrundgesprächs schon wieder in dieser Angelegenheit klingelt.

Der Einsatz ist verständlich. Es ist ein Job mit Macht und Einfluss - und auch wenn eine Absenkung des Gehalts schon beschlossen ist und es nicht die mehr als 400.000 Euro werden, die Tom Buhrow jährlich verdiente, wird der Intendantenposten immer noch sehr gut bezahlt sein. Es ist aber auch ein Job, bei dem man permanent im Kreuzfeuer steht, und das in einer Zeit, in der der gesellschaftliche Konsens über die Notwendigkeit eines starken öffentlich-rechtlichen Rundfunks längst nicht mehr besteht.

Es mag alarmistisch klingen, aber für den WDR wird es in den kommenden Jahren ums Überleben gehen. Das slowakische Parlament hat am Freitag der Auflösung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt RTVS zugestimmt, solche Szenarien erscheinen auch in Deutschland vor dem Hintergrund einer erstarkten AfD nicht mehr so abwegig wie noch vor wenigen Jahren.

Einer, der sich den Job seit vielen Jahren zutraut, ist Jörg Schönenborn. „Sie kennen mich“, rief Angela Merkel den Deutschen 2013 im Wahlkampf zu. Den Slogan könnte auch Schönenborn für sich in Anspruch nehmen. Der Programmdirektor für die Bereiche Information, Fiktion und Unterhaltung im WDR zieht im Haus schon lange die Fäden. Wer Verlässlichkeit will, ist bei ihm richtig. Wer Veränderung und echten Reformwillen sucht, wohl eher nicht. Außerdem hat der 59-Jährige ein Imageproblem. Schönenborn wirkt oft arrogant und unnahbar. Im Haus berichten viele über unangenehme Erfahrungen mit ihm, aber wie bei einer Teflonpfanne perlte bisher alles an ihm ab. Er hat sich wohl eine Charmeoffensive verordnet, berichtet ein Beobachter. Ob die zu spät kommt, wird sich zeigen.

Ebenfalls aus den Reihen des WDR kommt die einzige Frau, die sich auf die öffentlich ausgeschriebene Stelle beworben hat: Katrin Vernau ist Verwaltungsdirektorin des WDR. Die 51-Jährige ist die einzige, die von sich behaupten kann, schon mal Intendantin gewesen zu sein. Beim rbb musste sie nach dem Schlesinger-Skandal die Karre aus dem Dreck ziehen. Vernau bringt sicher die größte Erfahrung mit, wenn es um Restrukturierung und Kostensenkung geht. Sie hat keine Angst davor, sich unbeliebt zu machen, wie sie etwa in Tarifverhandlungen beweist.

Wenn es um Finanzen geht, hat Vernau die meiste Erfahrung - und das als einzige nicht nur im öffentlich-rechtlichen System, sondern auch außerhalb, so war sie unter anderem Partnerin bei Roland Berger und Universitätskanzlerin. Das Pfund, mit dem sie wuchern kann, sind also ihre Managementqualitäten. Die große Unbekannte bei ihr ist die Affinität zum Programm. Sie hat kein journalistisches Profil und fiel in der Vergangenheit, wie zu hören ist, auch nicht durch besonders großes Interesse in diesem Feld auf.

Ähnlich gute Chancen für Schönenborn und Vernau

Schönenborn und Vernau rechnen alle, die man so fragt, ungefähr gleich gute Chancen aus. Wer die Nase vorn haben könnte, mag niemand vorhersagen. Einigkeit besteht allerdings in der Einschätzung, dass Elmar Theveßen die schlechtesten Karten und höchstens Außenseiter-Chancen hat. Zwar ist auch er ein Gewächs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aber der 57-Jährige hat seine Karriere im ZDF gemacht. Seit Frühjahr 2019 ist er Leiter des ZDF-Studios in Washington. Der WDR mit seinen sehr eigenen Strukturen ist für ihn als einzigen Bewerber Neuland. „Ihn kennen viele aus dem Rundfunkrat nur aus dem Fernsehen“, fasst es ein Mitglied des Gremiums zusammen.

Und dann ist da noch Helge Fuhst. Über keinen Kandidaten gehen die Meinungen so weit auseinander. Fuhst ist aktuell zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell in Hamburg und als einer der Moderatoren der „Tagesthemen“ dem Fernsehpublikum vertraut. Aber der 40-Jährige ist auch im WDR kein Unbekannter. Nach seinem Volontariat beim NDR startete er seine Karriere als persönlicher Referent seines Mentors Tom Buhrow, später war er stellvertretender Leiter der WDR-Intendanz, dann Programmgeschäftsführer von Phoenix in Bonn.

Fuhst ist der mit Abstand jüngste Kandidat. Sein offenes, freundliches und verbindliches Auftreten wird ihm im Rundfunkrat sicherlich helfen. Aber in dem Gremium und auch im WDR zweifeln einige an, ob hinter diesem Auftreten eine Agenda steht, die mehr ist als nur der Wunsch, Karriere zu machen. Fuhst ist gut vernetzt, aber während manche ihn über den grünen Klee loben, lassen andere kaum ein gutes Haar an ihm.

Bei Helge Fuhst gehen die Meinungen auseinander

Kritiker verweisen auch auf eine Analyse des Betriebsklimas im Norddeutschen Rundfunk, die im März 2023 veröffentlicht wurde. Die Stimmung bei ARD-aktuell sei wenig freundlich und noch nie so schlecht gewesen, ist dort zu lesen: „Die Kluft zwischen der Chefredaktion und dem gesamten Rest der Redaktion ist gewaltig.“ Nur eine Momentaufnahme oder eine valide Aussage über Fuhsts Führungsstil?

Fuhst steht außerdem vor einem Dilemma. Ohne Tom Buhrow wäre er nicht dort, wo er heute ist. Gleichzeitig ist zu viel Nähe zum Noch-Intendanten vermutlich zurzeit eher schädlich, auch wenn er es sicher mit Wohlwollen zur Kenntnis nimmt, dass Buhrow als sein Fürsprecher auftritt. Aber einen Tom Buhrow 2.0 will im WDR niemand. Das weiß auch Helge Fuhst.

Und noch ein Aspekt kann für Fuhst zum Steigbügel, aber auch zum Fallstrick werden: Nach allem, was zu hören ist aus dem WDR und auch aus dem Umfeld der Landesregierung, ist er der Kandidat, der am ehesten auf einem Parteiticket fährt. Natürlich ist Medienminister Nathanael Liminski (CDU) viel zu schlau, offensiv Partei zu ergreifen, aber die Signale sind offenbar eindeutig.

Nachdem Tobias Schmid, der Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, sich entgegen anderslautender Mutmaßungen, gar nicht erst beworben hat, wäre Fuhst, der sich einst für die Junge Union engagierte, aber kein Parteimitglied ist, wohl Liminskis Wunschkandidat. Mit dem 40-Jährigen könnte der auch gerade mal 38 Jahre alte CDU-Politiker zudem im Sinne der Landesregierung langfristig auf eine enge Verbindung in die WDR-Spitze hoffen. Wem diese Verbindung nicht gefällt, wird wiederum alles daran setzen, Fuhst zu verhindern. Auch diese Stimmen sind aus dem Rundfunkrat zu hören.

Bis Donnerstag geht der Wahlkampf also weiter, dann werden sich alle vier Kandidaten nacheinander in alphabetischer Reihenfolge bei der Sitzung des Gremiums im Gürzenich mit einem zehnminütigen Vortrag vorstellen und im Anschluss Fragen beantworten. Danach wird gewählt. Ausgang offen.