Befürworter des EU-Lieferkettengesetzes hoffen, dass es weltweit Arbeitsbedingungen verbessert. Gegner fürchten Hemmnisse für den Welthandel.
Leserbriefe zum EU-LieferkettengesetzKinderarbeit oder Kommerz?
Mehr Bürokratie durch EU-Lieferkettengesetz
Die Kritik am „Nein“ der FDP zum europäischen Lieferkettengesetz ist nicht gerechtfertigt. Durch dieses Gesetz wird das bereits existierende Lieferkettengesetz, das heute bereits ein Bürokratiemonster ist, nochmals verschärft und auf kleinere und mittlere Unternehmen ausgedehnt. Unternehmen sollen zivilrechtlich für Verstöße in ihrer oftmals weltweiten Lieferkette haften.
Da dies kein Unternehmen garantieren kann, werden Dossiers von Fragebögen verschickt, um sich jeweils gegenseitig von möglichen Verstößen freizustellen. Die Bundesregierung redet ständig von Bürokratieabbau und lässt es gleichzeitig zu, dass ein weiteres umfangreiches Gesetz zu noch mehr Bürokratie führt. Es ist daher falsch, die FDP für ihr „Nein“ zu kritisieren. Eigentlich müsste die deutsche Regierung, stellvertretend für die deutsche Wirtschaft, geschlossen gegen dieses Gesetz stimmen. Dietmar Dickersbach Troisdorf
EU-Lieferkettengesetz: Blockade durch die FDP empörend
Mit Empörung, Wut und Scham lese ich von der geplanten Blockade des EU-Lieferkettengesetzes. So also schützen die smarten Politiker von der FDP „unsere Werte“: Wirtschaftswachstum und Konsum? Herr Lindner sorgt sich um die Unternehmen, die von den europäischen Richtlinien betroffen wären und durch „erhebliche Haftungsrisiken“ mehr Sorgfalt walten lassen müssten und wohl auch weniger Schlupflöcher fänden.
Im Umkehrschluss bedeutet das für tausende Menschen – meist im globalen Süden und damit weit weg – Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen, Hungerlöhne, Zwangs- und Kinderarbeit. Kindern wird die Chance zur gesunden körperlichen und geistigen Entwicklung genommen. Den Wert, der unter diesen Umständen erwirtschaftet wird, schöpfen die Unternehmen ab wie den Rahm von der Milch, beuten Menschen und Länder aus. Wir Konsumenten profitieren auch von billigen Früchten, Textilien, Bodenschätzen. Fair ist anders.
Von einem strengeren Lieferkettengesetz erhoffe ich mir mehr Gerechtigkeit für Benachteiligte, einen Synergieeffekt bei den Hilfs- und Entwicklungsprojekten privater und offizieller Organisationen, die oft von Unternehmen und Konzernen konterkariert werden. Die FDP spricht gern und viel von Freiheit. Ist den Mitgliedern dieser Partei klar, dass arme Menschen nicht frei sind, nicht frei sein können? Wie anfangs gesagt: Ich bin empört. Elisabeth Servos Bonn
EU-Lieferkettengesetz: Welthandel adé!
In Anlehnung an das Dichterwort „Am deutschen Wesen mag die Welt genesen“ will die EU, die nur fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmacht, dem Rest der Welt vorschreiben, dass deren Arbeitnehmer nach unseren Menschen- und Umweltrechten zu behandeln sind.
Diese größenwahnsinnige Idee will sie dadurch umsetzen, dass sie die Wirtschaft verpflichtet, sicherzustellen, dass sie nur solche Produkte importiert, die unter anderem folgenden Ansprüchen genügen: keine Kinder- oder sklavenähnliche Arbeit, Einhaltung von Arbeitsrechten, keine Missachtung der Versammlungsfreiheit, keine Diskriminierung, einschließlich der Ungleichbehandlung aufgrund von Rasse, Geschlecht, Nationalität, sozialer Herkunft, Alter, Gesundheit oder religiöser Überzeugung und schlussendlich keine Verletzung von Umweltauflagen. Dies gilt nicht nur für den Hersteller und das importierte Produkt selbst, sondern auch für alle hierfür notwendigen Vorprodukte.
Der ausländische Verkäufer muss also bei allen seinen Lieferanten und deren Vorlieferanten prüfen, ob die geforderten Ansprüche erfüllt sind, dies bestätigen und für Fehler die Verantwortung tragen. Da das ganze Verfahren einen unwahrscheinlich großen Verwaltungsaufwand generiert, kann man deshalb davon ausgehen, dass dies im Ausland nicht durchsetzbar sein wird. Gleichwohl haftet der Importeur für die nicht zutreffenden Aussagen seines Lieferanten und dessen Vorlieferanten. Welthandel adé! Dieter Gutberlet Köln
EU-Lieferkettengesetz: Gilt der FDP Kommerz mehr als Kindeswohl?
In der Vergangenheit hat sich die FDP innerhalb der Koalition immer häufiger als Oppositionspartei denn als Koalitionspartner gezeigt, sei es beim Kindergeld, bei der Strafverschärfung sexueller Übergriffe auf Frauen oder jetzt bei der Anpassung des Gesetzes zur Verfolgung der Lieferketten. Eine „Bonsai“-Partei mit knapp über fünf Prozent deutscher Wählerstimmen maßt sich an, durch Stimmenthaltung ein sinnvolles und notwendiges EU-Gesetz zu Fall zu bringen. Sie schreckt nicht einmal davor zurück, andere EU-Länder in ihr Lager zu ziehen.
Welches Argument spricht dagegen, mittels verschärfter Kontrollen die weltweit verbreitete Kinderarbeit zu verhindern oder zumindest einzudämmen? Sollten die Herren Buschmann, Lindner & Co sich dem irrwitzigen Glauben hingeben, die ausschließlich an Gewinnmaximierung orientierten Auftraggeber würden sich freiwillig an einer Kontrolle beteiligen, so kann man diese Hoffnung nur als weltfremd und kindisch bezeichnen. In Wahrheit will diese Partei lediglich ihr Klientel im Falle eines nachweisbaren Vergehens vor den sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen schützen. Frei nach dem Motto: Kommerz geht vor Kindeswohl. Günther Henseler Neunkirchen-Seelscheid
FDP-Position zum Lieferkettengesetz: „Dagegen-Partei“
Gegen schärfere EU-Abgasnormen für Lkw und Busse, gegen das EU-Verbrenner-Aus für Pkw, gegen das EU-Lieferkettengesetz, gegen ein Tempolimit auf Autobahnen, gegen den Vorrang von Bahnverkehr vor Autoverkehr, gegen die Abschaffung beziehungsweise Aussetzung der Schuldenbremse, gegen die Besteuerung riesiger Vermögen und Erbschaften, gegen die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
Wie lange will der Kanzler, wollen SPD und Grüne sich eigentlich noch von der neoliberalen Splitterpartei mit Lindner als Schutzpatron der Reichen und Schönen demütigen und erpressen lassen? Angesichts der Umfragewerte der FDP von vier Prozent Wählerzustimmung ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, Lindner unter Druck zu setzen und seinen Widerstand gegen notwendige sozial-ökologische Reformen zu brechen. Er hat dann die Wahl zwischen konstruktiver Zusammenarbeit in der Koalition oder dem Ausstieg aus der Ampel. Letzteres würde wohl bei der nächsten Bundestagswahl das Verschwinden der Einmannpartei in der politischen Versenkung bedeuten.Reiner Hammelrath Köln
EU-Lieferkettengesetz: FDP behindert sozialen und ökologischen Fortschritt
Das EU-Lieferkettengesetz dümpelt seit Jahren vor sich hin und wird immer wieder (aus)gebremst. Deutschland hat bereits ein Lieferkettengesetz, das Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, aber als „faulen Kompromiss“ bezeichnete. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete darüber am 18. Februar 2021 in der Rubrik „Alles, was Recht ist“, in der sich Michael Bertrams, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofs NRW, äußerte.
„Fauler Kompromiss“ deshalb, weil nicht nur die Sorgfaltspflichten deutscher Unternehmen im Hinblick auf ihre ausländischen Lieferanten bezüglich der Beachtung von Menschenrechten deutlich begrenzt, sondern auch die – zunächst vorgesehene – Einhaltung von Umweltstandards explizit ausgeschlossen wurde. Damals hatte man als Störfaktor nur die Union, heute ist die FDP da noch penetranter und intriganter für ihre Klientel unterwegs und stört immer wieder die Arbeit der Bundesregierung im Grunde erpresserisch als regierungsinterne Opposition.
Das EU-Vorhaben in Sachen Lieferkettengesetz soll über die deutschen – beschränkten – Vorgaben hinausgehen – für die Wirtschaft und ihre Lobbyisten, darunter die FDP, eine Zumutung. Eine fortschrittliche, gute Entwicklung wird somit schon wieder be- und verhindert. Dazu 2021 (!) Michael Bertrams: „Wenn die Kritik von Ökonomen in dem Einwand gipfelt, die Überwachung menschenrechtlicher Standards sei ‚teuer‘ und schaffe ‚Risiken‘ für die Unternehmen, dann überschreitet dieser Einwand meines Erachtens die Grenze des moralisch-ethisch Legitimen.“
Von irgendwelchen Umweltstandards ist da nicht einmal die Rede – Pariser Klimaziele? Das Abwimmeln der Verantwortung für soziale und ökologische Missstände und Schäden ist einfach unerträglich! Und sie zeigt die wahre Natur gewisser Parteien ... Martina Frimmersdorf Leverkusen
EU-Lieferkettengesetz: Wirtschaftliche Neuordnung überfällig
Die FDP-Frontfrau für die Wahlen zum EU-Parlament im kommenden Sommer, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat mit ihren Aussagen zum Lieferkettengesetz deutlich gemacht, wo sie steht. Als „zentrales Anliegen“ bezeichnet sie die Einhaltung von Menschenrechten; gleichzeitig argumentiert sie gegen ein Gesetz, das diese effektiver garantieren soll. Wo bleibt da die Moral?
Ein vor allem auf den Partikularinteressen der FDP-Klientel beruhendes Ausbremsen von Veränderung ist in unserer globalisierten Welt absolut fehl am Platz; es könnte auf längere Sicht mehr Unbill bringen als den gefürchteten bürokratischen Aufwand. Wir profitieren von Billiglöhnen und Kinderarbeit, wohl wissend, dass dadurch in den Herkunftsländern ein menschenwürdiges Leben auf der Grundlage ausgewogener Ernährung, medizinischer Versorgung, mit einem festen Dach über dem Kopf und Bildung nicht möglich ist. Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn immer mehr Menschen aufgrund mangelnder Chancen ihre Heimat verlassen.
In seiner Rede vor den Blockfreien Staaten in Uganda im Januar nannte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, die Neuordnung der internationalen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen als längst überfällige und dringend notwendige Voraussetzung für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt. Mit der Beibehaltung des Status quo zementieren wir dagegen eine auf der Arroganz wirtschaftlicher Macht beruhende Weltordnung. Das ist peinlich und aus der Zeit gefallen. Dany Kahindi Leverkusen