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Und täglich grüßt die FDPWie die Liberalen EU-Gesetze blockieren

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Blick auf das leere Europäische Parlament.

Blick auf das leere Europäische Parlament (Atchivbild)

Deutschland muss sich bei EU-Abstimmungen immer häufiger enthalten, weil FDP-Minister Vorbehalte haben. Die Kritik an der Unberechenbarkeit wächst. Nun drohen die Liberalen weitere Gesetzesvorhaben zu blockieren – sie strapazieren nicht nur die Geduld der eigenen Koalitionspartner.

Für Deutschlands wilde Chaosfahrt bei den entscheidenden Abstimmungen im Rat der EU-Mitgliedsstaaten gibt es in Brüssel einen Begriff: „German Vote“. Gemeint ist die Enthaltung Deutschlands beim Votum, weil sich die Koalition in Berlin nicht auf eine gemeinsame Position einigen kann.

Die Folgen sind mitunter gravierend: Tage- und nächtelang ausgehandelte Kompromisse mit dem EU-Parlament und der Kommission drohen in letzter Sekunde an einem Kurswechsel in Berlin zu scheitern, weil die deutsche Enthaltung wie ein Nein zählt. An diesem Freitag soll über das EU-Lieferkettengesetz und schärfere CO2-Grenzwerte für Lkw abgestimmt werden – die deutschen Vertreter werden sich wohl wieder enthalten müssen.

Die FDP scheint Blockade als Wahlkampfmittel verwenden zu wollen
Katarina Barley, Vizeparlamentspräsidentin

Dabei hatten die Ampelparteien einst angekündigt, sich „eindeutig und frühzeitig zu Vorhaben der Europäischen Kommission zu positionieren“. Doch von der vermeintlichen Einigkeit in der Koalition, die mit einem viral gegangenen Selfie besiegelt werden sollte, ist heute nicht mehr viel übrig. Da hilft es auch nicht, dass Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in dieser Woche mit einem neuen Selfie nachlegten.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) sind auf einem Foto zu sehen, das die Beiden jeweils auf ihrem Instagram-Account veröffentlichten.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) sind auf einem Foto zu sehen, das die Beiden jeweils auf ihrem Instagram-Account veröffentlichten.

„Die FDP scheint Blockade als Wahlkampfmittel verwenden zu wollen“, sagt Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die politischen Spiele der FDP untergraben das Ansehen Deutschlands in Europa.“ Dass die FDP häufig in letzter Minute ihr Einverständnis zurückziehe, teils ohne Begründung, schade denen, die Deutschlands und Europas Wohlstand ermöglichten.

Die FDP-Ministerriege blockiert nicht nur die deutsche Zustimmung zu bereits verhandelten Gesetzesdossiers, sondern interveniert inzwischen immer häufiger bei anderen EU-Mitgliedsstaaten. Justizminister Heiko Buschmann (FDP) unternahm diese Woche einen ungewöhnlichen Vorstoß, um das Lieferkettengesetz in letzter Minute noch zu Fall zu bringen. In einem Brief an alle EU-Staaten legte er Argumente dar, warum sie gegen das Gesetz stimmen sollten. Das Schreiben hat das SPD-geführten Arbeitsministerium vor den Kopf gestoßen, die Argumente aus Sicht der Sozialdemokraten zudem falsch.

Vergeblich Kompromissvorschläge gemacht

„Die Schlacht ist verloren“, heißt es aus Kreisen des Ministeriums. Die Liberalen halten die Richtlinie für ein „bürokratisches Monster“, wie es Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ausdrückt. Dabei hatte das Arbeitsministerium der FDP noch eine Reihe von Kompromissvorschlägen zum Bürokratieabbau gemacht – vergeblich. Arbeitsminister Hubertus Heil nannte die Blockade der FDP „ideologisch motiviert“. So scharf äußert er sich selten. Auch Außenministerin Annalena Baerbock attackierte die FDP und warnte davor, dass Deutschland Vertrauen verspiele. In Heils Haus bestehen noch letzte Hoffnungen, dass die Richtlinie trotz der Enthaltung Deutschlands eine Mehrheit finden könne, wahrscheinlich sei das aber nicht.

„Die Bundesregierung ist auf EU-Ebene keine verlässliche Partnerin. Erst verhandelt man etwa das Lieferkettengesetz bis ins Detail aus, um dann wieder plötzlich einen Rückzieher zu machen“, kritisiert Linken-Parteichef Martin Schirdewan. „Verwundert reiben sich dann die europäischen Partner die Augen über so viel politisches Ampel-Chaos“, so der Fraktionschef der europäischen Linken zum RND.

Kritik am „German Vote“ und der Unzuverlässigkeit Deutschlands immer lauter

Das Lieferkettengesetz ist kein Einzelfall. Ob Migrationspakt, Glyphosat-Zulassung oder Verbrenner-Aus für Pkw – immer häufiger kommt es zum „German Vote“, einem späten Einlenken oder Sonderwünschen. Das Kanzleramt bestellte am Donnerstag Vertreter der Ministerien und Branche zu einem Krisentreffen ein, um eine Lösung im Streit um CO2-Grenzwerte für Lkw zu finden. Bis zuletzt war unklar, ob es zu einer Einigung kommt. Das Bundesverkehrsministerium ist allerdings auf dem Standpunkt, dass der Widerstand nicht plötzlich kam, sondern erwartbar war. Volker Wissing pochte in Brüssel schon bei den Verhandlungen für die Grenzwerte von Pkw auf Technologieoffenheit und ist der Ansicht, dass die Kommission dem Haus noch konkrete Zusagen schuldig ist.

In Brüssel wird die Kritik am „German Vote“ und der Unzuverlässigkeit Deutschlands immer lauter. Statt der Verabschiedung von längst ausgehandelten Gesetzen, die eigentlich nur noch eine Formsache ist, droht plötzlich eine Blockade. Schon zu Groko-Zeiten gab es den „German Vote“, weil sich etwa das SPD-geführte Umweltministerium und das CDU-geführte Wirtschaftsministerium oftmals nicht einig waren. Dass das größte Land der Europäischen Union in Krisenzeiten immer unberechenbarer scheint, sorgt in der EU-Hauptstadt zunehmend für Kopfschütteln. Der deutsche Botschafter könne sich bei Treffen mit seinen Kollegen oft nicht zur deutschen Haltung äußern, sagten EU-Diplomaten dem RND, weil er bis kurz vor der Abstimmung keine Weisung aus Berlin erhalten habe.

„Einmal mehr beweist Scholz, dass er nicht in der Lage ist, Führung abzuliefern und sich gegen seine ideologischen Juniorpartner Habeck und Lindner durchzusetzen, da wo es nötig ist“, sagt Linken-Chef Schirdewan.

Sollte eine Mehrheit an der Enthaltung Deutschlands und der Blockade der FDP scheitern, wird die belgische Ratspräsidentschaft nachverhandeln, kleine Anpassungen vornehmen und versuchen, Deutschland doch noch eine gesichtswahrende Zustimmung zu ermöglichen.