AboAbonnieren

Bosbach und Rach im Interview„Einen Abgang mit Stil hat Trump grandios vergeigt“

Lesezeit 15 Minuten

Christian Rach (l.) und Wolfgang Bosbach (r.) sprechen in ihrem Podcast „Die Wochentester“ jeden Freitag über die politische Woche.

  1. Die Moderatoren starten mit ihrem „Wochentester“-Podcast ins neue Jahr. Ein Gespräch über die Ausschreitungen in Washington, Corona-Laster, Impfgegner und Großvater-Pflichten.

Jens Spahn, Günther Jauch, Ingo Appelt und Michael Mittermeier: Seit dem Start des KStA-Podcasts „Die Wochentester“ Anfang Oktober haben CDU-Politiker Wolfgang Bosbach und Spitzenkoch Christian Rach jeden Freitag prominente Gäste eingeladen, um über aktuelle politische Ereignisse zu diskutieren. Zum Neustart nach einer kurzen Winterpause haben sie den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach zu Gast. Das Thema diesmal: der verlängerte Lockdown.

Sie beide haben im Podcast häufig über Donald Trump gesprochen. Wie bewerten Sie die Ausschreitungen in Washington?

Bosbach: Das Verhalten des noch amtierenden US Präsidenten als unverantwortlich zu bezeichnen wäre eher untertrieben als übertrieben. In einer Demokratie wird politische Macht immer nur auf Zeit verliehen – bis zum nächsten Wahltermin. Die Chance für einen Abgang mit Stil und Würde hat Trump leider grandios vergeigt. Und die eigenen Anhänger zu Besonnenheit aufzurufen, nachdem er die Stimmung zuvor selber angeheizt hat, macht die Sache nicht besser.

Alles zum Thema Wolfgang Bosbach

Rach: Die sind eine Katastrophe, für die Menschen in Amerika, aber auch für die Welt. Beschämend finde ich, dass Trump zwar dazu aufgerufen hat, friedlich nach Hause zu gehen, im Nebensatz aber noch Öl ins Feuer gegossen hat. Ich hatte befürchtet, dass so etwas passieren könnte, nachdem Trump seine „proud boys“ dazu aufgerufen hatten, sich bereit zu halten. Ich bin auch in großer Sorge davor, was in den kommenden anderthalb Wochen noch passiert. Großartig hingegen, dass Facebook und Twitter Trumps Konten gesperrt haben.

Die Wochentester – neue Folge mit Karl Lauterbach

Als „Panikorchester in einer Person“ hatte der Komiker Ingo Appelt den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach bezeichnet, als er vor Weihnachten im Podcast bei Bosbach und Rach zu Gast war. Nun ist Lauterbach selbst für ein Streitgespräch zu Gast in der ersten „Wochentester“-Folge des neuen Jahrs und erklärt seine auf viele übermäßig streng wirkende Haltung in der Corona-Krise.

Lauterbachs Prognose: Der Inzidenzwert 50 wird bis zum 31. Januar nicht erreicht werden. „Wir müssen ehrlich sagen, dass wir mit dem Rücken zur Wand stehen! Zu früh aus dem Lockdown bedeutet eine dritte Welle.“

Die neue Folge ist ab Freitag, 7 Uhr, für Sie freigeschaltet. Falls Sie Spotify oder andere gängige Musik- oder Podcast-Apps auf Ihrem Smartphone installiert haben, können Sie den Podcast unter dem Stichwort „Wochentester“ suchen und kostenfrei abonnieren. Sie können ihn aber auch auf unserer Internetseite hören.

www.ksta.de/wochentester

Halten Sie es nach dieser Eskalation für sicher, dass die Republikaner Trump in vier Jahren nicht wieder als Kandidaten aufstellen werden?

Bosbach: Donald Trump selber wird sich ganz bestimmt als potenziellen Kandidaten für eine Wiederwahl 2024 sehen. Deshalb kann ich nur hoffen, dass eine Mehrheit der Republikaner ihm klar und deutlich sagen wird: „Danke für das freundliche Angebot, aber einmal 4 Jahre reichen uns völlig.“

Rach: Für ausgeschlossen halte ich nichts. Was in Trumps Kopf vorgeht, weiß niemand. Ich traue ihm zu, dass er seine Anhänger in den nächsten Jahren mit permanentem Störfeuer bei der Stange hält. Wir sehen republikanische Senatoren wie Ted Cruz, die immer noch öffentlich am Ergebnis zweifeln und die sich positionieren könnten, um sich in vier Jahren mit Trump oder als Trump-Nachfolger anzutreten.

2020 war ein schweres Jahr für die Welt. Was war für Sie persönlich das schlimmste Erlebnis der Corona-Krise?

Rach: Eindeutig die Tatsache, dass ich meine Frau Mama, die mit 91 Jahren in einem wunderbaren Heim wohnt, im Frühjahr nicht besuchen konnte. Es war ja absolutes Besuchsverbot. Das war hart, und das ist vielen Tausenden Menschen so gegangen und hat großen emotionalen Schaden angerichtet.

Bosbach: Dem kann ich mich nahtlos anschließen. Meine 91-jährige Mutter ist im Frühjahr ganz unglücklich aus dem Bett gefallen und musste mehrere Wochen im Krankenhaus verbringen. Dass wir sie nicht besuchen durften, war für die ganze Familie sehr belastend. Hinzu kam, dass unsere Tochter Natalie den geliebten Job als Flugbegleiterin bei Germanwings verloren hat und das neue Café unserer Jüngsten ist mittlerweile mehr geschlossen als geöffnet.

Was hat Sie besonders berührt?

Bosbach: Die enorme Hilfsbereitschaft. In der Krise hat sich ein Satz bewahrheitet, den mein Pastor früher oft gesagt hat: Ist die Not groß, ist die Kirche voll. Anders formuliert: In den größten Krisen kommen die besten Eigenschaften von uns Menschen zum Vorschein.

In den Top Ten der meistgesuchten Rezepte bei Google 2020 war fast ausschließlich Brot zu finden. Was sagt das über die Deutschen aus, Herr Rach?

Dass Brotbacken derzeit so angesagt ist, liegt nicht nur an Corona. Es ist auch ein Misstrauen den industriellen Bäckern gegenüber. Die Leute haben keine Lust mehr auf Chemie. Es macht auch viel Spaß, mit der Familie gemeinsam zu kneten und zu gucken: Geht der Teig auf oder nicht? Wird er knüppelhart? Neben sicherlich vielen misslungenen Experimenten ist es das herrlichste Gefühl, wenn ein Brot gelingt und die ganze Küche duftet.

Bosbach: Noch ein Satz und ich muss was essen.

Wo wir schon beim Essen sind: Pflegen Sie Corona-Laster?

Rach: Wir kochen jetzt blöderweise immer sehr lecker abends, dazu ein Gläschen Wein. Das ist natürlich für den Körper nicht förderlich. Aber ich sage auch immer: Die Pfunde kommen nicht zwischen Weihnachten und Neujahr, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten.

Bosbach: Ich hatte vor Weihnachten drei Kilo zu viel und danach immer noch. Silvester stand meine älteste Tochter fünf Stunden lang in der Küche, um uns kulinarisch zu verwöhnen. Danach wusste ich: So ein Abend darf so schnell nicht mehr kommen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Haben Sie Vorsätze für 2021?

Bosbach: Ich habe seit Jahrzehnten den gleichen. Ich nehme mir vor, in diesem Jahr nicht zu rauchen. Dann stelle ich am Jahresende fest: habe ich geschafft. Wobei ich zugeben muss: Als strammer Nichtraucher ist das auch kein Problem..

Rach: Ich mache seit Jahr und Tag Yoga in einer tollen kleinen Männergruppe. Das ist gar nicht so esoterisch, wie viele immer glauben.

Bosbach: Mit Morgengruß?

Rach: Das heißt Sonnengruß, Wolfgang! Jedenfalls ist das ganz wunderbar und tut gut. Entscheiden dabei ist der Rhythmus – und der könnte in diesem Jahr noch etwas besser werden.

Im Lockdown spielen viele wie verrückt. Haben Sie in der Krise neue Hobbys dazu gewonnen?

Rach: Wir spielen gerne Skip-Bo (ein Kartenspiel, Anm. der Red) zusammen. Leider geht mir das Fernsehprogramm richtig auf den Zeiger. Ich habe das Gefühl, es besteht nur noch aus Wiederholungen und Trash. Darum bin ich zum Seriengucker geworden. Die spanische Serie „Grand Hotel“ fand ich toll.

Bosbach: Ich habe mit Begeisterung die Serie „House of Cards“ gesehen und derzeit „The Crown“ auf Netflix. Ansonsten haben wir über Weihnachten Activity gespielt. Da hat sich bei mir das Kind im Manne ausgetobt. Und meiner jüngsten Tochter und meinem Schwiegersohn versuche ich Skat beizubringen. Darüber freue ich mich sehr, weil man das nur zu dritt spielen kann.

In Ihrer ersten „Wochentester“-Folge im neuen Jahr haben Sie den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach zu Gast. Welche Frage juckt Ihnen am meisten unter den Fingern?

Bosbach: Warum er immer der Versuchung nachgibt, die Schraube noch eine Umdrehung fester anzuziehen. Wenn in der Politik gesagt wird, wir können allenfalls ab einem Inzidenzwert von 50 wieder in den Normalbetrieb zurückkehren, weiß ich schon, dass Lauterbach am selben Abend „25“ sagt. Das verwirrt die Menschen doch total.

Rach: Ich bin froh, dass wir politische Experten haben, die nicht nur Juristen und Lehrer sind, sondern auch etwas von Medizin verstehen. Mich würde am ehesten interessieren, ob er in Sachen Impfstoffbestellung anders entschieden hätte als Jens Spahn, der ja derzeit viel kritisiert wird.

Bei aller Kritik ist Jens Spahn, der ebenfalls Gast in Ihrem Podcast war, bei Umfragen weit oben auf der Beliebtheitsskala. Wie schauen Sie auf seine Leistung?

Bosbach: Fairerweise wird man erst dann ein abschließendes Urteil bilden können, wenn die Pandemie weitgehend überwunden ist. Dann wird man nüchtern Bilanz ziehen müssen und ich hoffe nicht im Sinne von Schuldzuweisungen, sondern um daraus zu lernen. Die Kritik an der Impfpolitik ist für mich absolut nachvollziehbar. Wenn ich sehe, dass wir vergleichsweise wenig Impfdosen pro Kopf bestellt haben und die Impfleistung in den Bundesländern unterschiedlich ist, dann hat es da an guter Planung und Hilfe gefehlt. Nicht jeder, der sich kritisch äußert, ist übrigens Verschwörungstheoretiker und Querdenker.

Welche Reise mussten Sie im Jahr 2020 über den Haufen werfen, die Sie 2021 angehen wollen?

Rach: Keinen. Ich plane meine Reisen nicht Monate im Voraus.

Bosbach: Ich wollte jetzt im März mit meiner ältesten Tochter eine wunderschöne Kreuzfahrt von Mauritius nach Südafrika machen. Die haben wir natürlich abgesagt. Schade, aber wir trösten uns mit dem Gedanken lieber jetzt verzichten, als ein Lockdown Marke „Ende offen“.

Rach: An der Bewegung #Wirmachenauf sieht man derzeit aber, dass die Disziplin schwindet. Ich bin gespannt, wie lange sie bei den Gewerbetreibenden und Selbstständigen noch anhält. Und wie viele am 11. Januar trotz Lockdown tatsächlich aus Protest eröffnen. Es gibt leider wirklich Menschen, denen es jetzt an die Existenz und den Kragen geht und die sich nicht anders zu helfen wissen.

Bosbach: Mich wundert schon lange die enorme Gelassenheit einiger Gesprächspartner in Berlin, wenn ich darauf hinweise, dass es Menschen gibt, die vor dem Abgrund stehen. Das sind keine Aluhutträger. Die sind einfach am Ende. Es ist ein Unterschied, ob man Tag für Tag um Kunden und Umsätze kämpfen muss oder ob das Gehalt jeden Monat pünktlich auf das Konto kommt. Das ist eine andere Lebenswirklichkeit.

Der Lockdown ist gerade verlängert worden. Stellen Sie sich angesichts der versprochenen Kompensationen manchmal die Frage: Wer soll das bezahlen?

Rach: Es wäre ja schön, wenn die Kompensationen auch fließen würden. Ich habe noch heute mit einigen Gastronomen gesprochen, die von den Novemberhilfen bislang allenfalls sehr geringe Abschlagszahlungen gesehen haben. Da ist finanziell null Luft mehr. Die Restaurants werden jetzt anfangen zu purzeln, wenn nicht sofort geholfen wird, wie ja großspurig verkündet wurde. Stattdessen wird sich gerade in Formalitäten und Antrageritis versteift.

Bosbach: Mich würde auch brennend interessieren, wie viel von dem Geld, das bereitgestellt worden ist, Stand Anfang Januar 2021 tatsächlich abgeflossen ist. Auf der einen Seite hören wir von Bund und Ländern atemberaubende zwei- oder sogar dreistellige Milliardenbeträge, die als Hilfen bereitgestellt werden und dann fast zeitgleich Betroffene klagen, dass nichts oder zu wenig bei ihnen ankommt.

Herr Bosbach, Sie zählen mit Ihrer Krebs-Erkrankung zur Risikogruppe. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihren Impftermin?

Bosbach: Mit großer Gelassenheit. Es gibt als Politiker ja zahllose Möglichkeiten, sich zu blamieren. Eine ganz große wäre derzeit, sich vorzudrängeln. Sobald ich an der Reihe bin, lasse ich mich allerdings sofort und aus Überzeugung impfen.

Auch Angela Merkel hat in der Neujahrsansprache verkündet, dass sie sich erst impfen lassen wird, wenn sie dran ist.

Bosbach: Obwohl bei ihr jeder Verständnis dafür hätte, wenn sie bereits geimpft wäre.

Herr Rach, haben Sie Verständnis dafür, dass Menschen sich nicht impfen lassen möchten?

Rach: Das ist eine ganz persönliche private Entscheidung, übrigens auch bei medizinischem Personal. Wie Arbeitgeber an hochsensiblen Orten damit umgehen sollten, ist wiederum eine andere Sache. Dass Merkel sich nicht direkt impfen lässt, kann man so oder so betrachten. In vielen anderen Ländern haben sich die Staatsoberhäupter zuerst impfen lassen, um ein gutes Beispiel zu geben und Vertrauen zu wecken. Jeder Top-Politiker, der sich impfen lässt, setzt ein gutes Beispiel. Wenn unsere erste Garde sich impfen lassen würde, würde das die Impffreudigkeit sicher erhöhen.

Fragen an den Juristen: Ist es rechtlich möglich, ein Fitnessstudio oder ein Restaurant daran zu hindern, nur gegen Corona geimpfte Gäste zuzulassen?

Bosbach: Diese Frage diskutieren derzeit viele Juristen. Ich halte es für problematisch, die Ausübung von Grundrechten davon abhängig zu machen, ob man vorher geimpft wurde. Das würde die Gesellschaft spalten. Was aber, wenn Private die Nutzung ihrer Angebote von einer Impfung abhängig machen. Das ist rechtlich komplizierter. Dann hätten wir zwar keine rechtliche Impfpflicht, aber einen faktischen Impfdruck.

Rach: Wir werden es aber zum Beispiel nicht verhindern können, dass andere Länder nur Geimpfte einreisen lassen. In Deutschland können wir eine Zwei-Klassen-Gesellschaft vielleicht unterbinden, aber weltweit nicht. Diese Frage rast auf uns zu. Das könnte auch die EU in die Zerreißprobe bringen.

Angela Merkel wird in diesem Superwahljahr nicht mehr antreten. Sie haben lange mit ihr zusammen gearbeitet, Herr Bosbach. Was haben Sie an Ihr besonders geschätzt?

Bosbach: Dass sie völlig unprätentiös ist. Sie ist die mächtigste Frau der Welt, wird auch im Ausland im hohen Maße geschätzt und respektiert, was in Deutschland oft unterschätzt wird. Trotzdem habe ich sie in ihrer Lebensführung immer als sehr bescheiden erlebt. Sie macht nie viel Aufhebens um sich. Sie ist ausgesprochen fleißig, sachkundig und interessiert sich so sehr für Details, dass ich mich oft gefragt habe, ob eine Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland das wirklich alles wissen muss. Immer wenn sie mich um eine Unterredung in innenpolitischen Fragen gebeten hat, war ich erstaunt über ihre Detailkenntnis.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Plenarsitzung im Deutschen Bundestag mit FFP-Maske. 

Gibt es auch etwas, dass Sie als anstrengend an ihr empfunden haben?

Bosbach: Ich kann mich noch gut erinnern an leidenschaftliche Debatten zum Thema Rettungsschirm für Griechenland, aber auch Flüchtlingspolitik. Sie war stets sehr gut vorbereitet, aber ich wusste in jeder Minute des Gesprächs: Sie wird ihre Meinung nicht ändern. Vermutlich wusste sie das von mir aber auch.

Viele haben das Gefühl, dass es unter den potenziellen Nachfolgern nicht annähernd jemanden gibt, der ihr das Wasser reichen könnte. Sie auch?

Bosbach: Also bitte! Wer hätte denn bei Merkels Antritt jemals gedacht, dass sie genauso lange Kanzlerin sein würde wie Kohl. Man muss doch jedem die Chance geben, in das Amt hineinzuwachsen und das Beste draus zu machen. Natürlich hat jemand, der als Kanzler anfängt, erst einmal nicht die gleiche Autorität und Strahlkraft wie Merkel nach 16 Jahren Amtszeit.

Wenn wir uns schon auf einen Anfänger-Bundeskanzler einstellen müssen: Wer ist Ihr Favorit?

Rach: Nach dieser langen Konstanz brauchen wir jüngere Leute, die mit ein bisschen Wagemut an die Aufgabe herangehen. Ich persönlich würde da Jens Spahn sehen. Ich würde es aber auch Annalena Baerbock oder Robert Habeck zutrauen.

Jenseits der CDU-Kandidaten – wen würden Sie wählen, Herr Bosbach?

Bosbach: Ich halte Olaf Scholz für einen sehr ernstzunehmenden Kandidaten, ganz gleich, wer für die Union antritt. Ich habe mit ihm nur gute Erfahrungen gemacht und kann nur dazu raten, ihn nicht zu unterschätzten. Ich halte ihn auch für kompetenter als die potenziellen grünen Kandidaten.

Am 15. Januar wird der CDU-Parteitag nach langen Diskussionen nun ausschließlich digital stattfinden. Wird da was verloren gehen?

Bosbach: Klar. Ein Parteitag lebt auch von der Stimmung. In einer Halle kann man sich mitreißen lassen von den Reden der Bewerber. Nach einer Reihe von digitalen Neujahrsempfängen muss ich aber auch sagen: Ich scharre mit den Hufen, ich muss wieder auf die Piste. Und zwar analog.

Wer wird neuer CDU-Vorsitzender?

Bosbach: Ich traue Friedrich Merz am ehesten zu, Aufbruchstimmung in der Partei zu vermitteln. Habe ich im Herbst noch gesagt, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Armin Laschet gibt, glaube ich das heute nicht mehr. Ich glaube, Merz gewinnt. Eine neue Lage hätten wir dann, wenn nicht Armin Laschet mit Jens Spahn, sondern Jens Spahn mit Armin Laschet antreten würde.

Rach: Aber das hat Jens Spahn ja ausgeschlossen in unserem Podcast mit den Worten: Ich bin Westfale und Westfalen stehen zu ihrem Wort.

Sie haben im Podcast häufig über Jogi Löw diskutiert. Der muss die Elf jetzt über die EM-Vorrunde mit Island, Portugal und Frankreich bringen. Ist das zu schaffen?

Rach: Ohne Publikum sehe ich wenig Chancen, die nötige Euphorie herzustellen, die diese jungen Spieler brauchen. Löw wird es sehr schwer haben.

Bosbach: Über die Vorrunde sprechen wir gar nicht, das ist Pflicht. Selbstverständlich werden wir die Runde überstehen müssen, vor allem mit dem Debakel von Russland im Hinterkopf.

Löw Jogi

Wird es wohl schwer haben bei der EM: Bundestrainer Joachim Löw

Ihr EM-Favorit?

Rach: Ich könnte jetzt Spanien sagen, aber nach dem ganzen Brexit würde ich es auch den Engländern mal gönnen, einen europäischen Erfolg einzufahren.

Bosbach: Mein EM-Favorit ist und bleibt Frankreich.

Ist der Abstieg Ihres Lieblingsvereins noch zu verhindern, Herr Bosbach?

Bosbach: Wenn der FC sich nicht deutlich steigert in Sachen Passgenauigkeit, Handlungsschnelligkeit und dem Zuspiel in die Spitze, dann wird’s nochmal ganz eng. Dann ist der Klassenerhalt keine gemähte Wiese. Mich betrüben die unerklärlichen Leistungsschwankungen sehr.

Steigt der HSV dafür endlich wieder auf, Herr Rach?

Aber klar. Denn da ist im Moment Ruhe. Wir sehen ja in Stuttgart gerade, was passiert, wenn man sich trotz guter Leistung zerfleischt. Noch größere Sorge macht mir aber Schalke, ein toller Traditionsverein mit tollen Fans, der so miserabel spielt und nichts mehr auf die Kette kriegt. Schalke in der zweiten Liga, das wäre unglaublich.

Herr Bosbach, Sie werden im Mai zum ersten Mal Großvater. Wissen Sie, wie man eine Windel wickelt?

Bosbach: Sicher. Das traut mir zwar keiner zu, aber ich hab das bei meinen drei Töchtern früher nicht nur selbst beobachtet, sondern auch selbst gemacht. Wobei meine Frau immer einen halben Schritt hinter mir gestanden hat, weil sie dem Braten nicht getraut hat. So nach dem Motto: Hoffentlich fällt das Kind nicht vom Wickeltisch. Das letzte Mal ist jetzt 25 Jahre her bei mir. Aber Wickeln dürfte heute doch wohl nicht wesentlich anders funktionieren als Mitte der 90er-Jahre.

Rach: Das war die spontanste Antwort, die du gegeben hast, seitdem wir uns kennen. Sie muss also richtig sein.

Das Gespräch führte Sarah Brasack