Ob Dresdner Juwelendiebstahl oder Bushido-Prozess: Die großen Verfahren zur Clankriminalität sind bekannt. Es kommen viele kleinere Fälle hinzu.
Hochburgen in DeutschlandWelche Bundesländer am meisten mit Clankriminalität zu kämpfen haben
Clankriminalität ist ein Thema, mit dem sich Bund und Länder auseinandersetzen müssen. Denn die Strafverfahren im Zusammenhang damit nehmen zu, wie unter anderem das Bundeslagebild 2021 zur organisierten Kriminalität (OK), in dem auch Clankriminalität erfasst wird, zeigt. Einen neueren, bundesweiten Lagebericht gibt es noch nicht. Zuletzt hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit einem Diskussionspapier zur Ausweisung von Clanmitgliedern für kontroverse Debatten gesorgt.
Was genau unter Clankriminalität verstanden wird, erläutert das BKA so: „Ein Clan ist eine informelle soziale Organisation, die durch ein gemeinsames Abstammungsverständnis ihrer Angehörigen bestimmt ist. Sie zeichnet sich insbesondere durch eine hierarchische Struktur, ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl und ein gemeinsames Normen- und Werteverständnis aus.“
Clankriminalität wiederum umfasse das delinquente, also straffällige Verhalten von Clanangehörigen. „Die Clanzugehörigkeit stellt dabei eine verbindende, die Tatbegehung fördernde oder die Aufklärung der Tat hindernde Komponente dar, wobei die eigenen Normen und Werte über die in Deutschland geltende Rechtsordnung gestellt werden können.“
Clan-Hochburgen: NRW, Niedersachsen, Berlin und Bremen
Dabei haben nicht alle Bundesländer und Regionen gleichermaßen mit Clankriminalität zu kämpfen. 72,3 Prozent der Verfahren zu organisierter Kriminalität, die im Zusammenhang mit Clans stehen, verteilen sich laut dem Bundeslagebild 2021 auf die Bundesländer Berlin, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, „wo sich kriminelle Strukturen der Clankriminalität in besonderer Weise verfestigt haben“. Blickt man auf die Zahlen, heißt das: In Nordrhein Westfalen gab es 19 OK‑Verfahren im Zusammenhang mit Clankriminalität, in Niedersachsen sieben, in Berlin fünf und in Bremen drei.
Hierbei nicht mitgezählt werden Straftaten von Clanmitgliedern, die nicht unter dem Punkt Organisierte Kriminalität erfasst werden. So umfasste die Clankriminalität laut dem Lagebild neben dem Bereich der organisierten Kriminalität „auch ein Vielfaches an Straftaten aus dem Bereich der Allgemeinkriminalität sowie Verstöße gegen das Ordnungswidrigkeitengesetz“. Die genannten Zahlen stellen demnach „lediglich eine Teilmenge der strafbaren Handlungen krimineller Mitglieder aus Clanstrukturen“ dar.
Die einzelnen Bundesländer wiederum haben zum Teil noch mal eigene Lagebilder zur Clankriminalität. Aus dem für NRW 2021 geht etwa hervor, dass bei den geführten Verfahren wegen organisierter Kriminalität jedes fünfte über Bezüge zur Clankriminalität verfügt. Essen ist demnach in dem Bundesland die Stadt mit den meisten Clan-Straftaten (11 Prozent) und Tatverdächtigen (12,5 Prozent), gefolgt von Recklinghausen und Gelsenkirchen. „Die geografische Verteilung der Straftaten veranschaulicht die Fokussierung der Clankriminalität auf die Städte des Ruhrgebiets“, heißt es außerdem in dem Bericht. Zudem sei eine Konzentration in Großstädten erkennbar.
Kritik an fehlender Strategie gegen Clankriminalität in NRW
Im vergangenen Monat kritisierte der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in Nordrhein-Westfalen eine fehlende Strategie gegen Clankriminalität. „Es genügt nicht, nur in Shishabars zu gehen und Tabak zu konfiszieren, begleitet von Fotografen und Fernsehkameras“, kritisierte der Landesvorsitzende Oliver Huth entsprechende Aktionen von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). So entstehe in der Öffentlichkeit „der Eindruck der Selbstvermarktung der Politik“, sagte Huth der „Neuen Westfälischen“. Die schwarz-grüne Koalition habe „in ihrem ersten Regierungsjahr nichts getan, um uns zu stärken“, bilanzierte der Kriminalkommissar. Das NRW-Innenministerium habe die Anzahl der Ermittler, die sich mit organisierter Kriminalität auskennen, seit sechs Jahren nicht erhöht.
NRW brauche zudem eine Strategie, um die Clankriminalität so weit einzudämmen, dass „diese Leute uns mit ihrer Paralleljustiz nicht auf der Nase herumtanzen“, forderte Huth angesichts der jüngsten Massenschlägereien zwischen Mitgliedern türkisch-libanesischer und syrischer Clans im Ruhrgebiet.
Abou-Chaker-Clan und Remmo-Clan in Berlin
In den genannten Bundesländern sind auch viele der größeren Clans ansässig. Der Abou-Chaker-Clan etwa, der zu den einflussreichsten gilt, zählt mehrere Hundert Mitglieder in Berlin. Oberhaupt Arafat Abou-Chaker steht gerade vor Gericht, Nebenkläger ist Rapper Bushido: Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Bushido-Manager unter anderem Freiheitsberaubung, versuchte schwere räuberische Erpressung, Nötigung, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Untreue vor. Zu den mutmaßlichen Taten soll es gekommen sein, nachdem Bushido die Beziehungen zu seinem Manager aufgelöst hatte.
Auch der Remmo-Clan ist zumeist in Berlin aktiv und soll mehr als 500 Mitglieder zählen. Die beiden aufsehenerregendsten Taten von Mitgliedern des Remmo-Clans waren der Einbruchdiebstahl ins Bode-Museum im Jahr 2017 und der Dresdner Juwelendiebstahl im Jahr 2019.
Miri-Clan ist in Bremen aktiv
Der Miri-Clan wiederum ist größtenteils in Bremen aktiv, teils aber auch in Essen (NRW) und Berlin. In Bremen werden rund 30 Familien mit 3500 Angehörigen dem Miri-Clan zugeordnet, bundesweit mehr als 8000. Clanchef Ibrahim Miri wurde in Deutschland von 1989 bis 2014 insgesamt 19‑mal rechtskräftig verurteilt, unter anderem wegen Raubes, schweren Diebstahls, Hehlerei, Unterschlagung und bandenmäßigen Drogenhandels.
Später wurde er in den Libanon abgeschoben. Die kurdisch-arabische Al‑Zein-Großfamilie, ebenfalls ein großer Clan, ist vor allem in Berlin und im Ruhrgebiet aktiv. Der größte Coup des Al‑Zein-Clans war der Einbruch in die Juwelierabteilung des Berliner KaDeWe im Jahr 2014. (mit dpa)
Lesen Sie auch unsere Serie: Drogenhandel, Erpressung, Gewaltattacken: Wie sich in NRW kriminelle Clans etabliert haben.