Der NRW-Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Oliver Huth, mahnt einen intensiveren internationalen Nachrichtenaustausch an. Finanzströme aus kriminellen Quellen und Geldwäsche sieht Huth als zentrales Problem bei der Bekämpfung von Clankriminalität.
„Wir müssen die Einreisenden intensiver anschauen“Die Zahl der Asylbewerber in NRW steigt – Herausforderung für Behörden
Herr Huth, im Juni haben sich syrische und kurdisch-libanesische Clans im Ruhrgebiet heftige Straßenschlachten geliefert. Hat Sie das Ausmaß überrascht?
Oliver Huth: Überrascht hat mich eher, dass sich hierzulande mittlerweile syrische Großfamilien etabliert haben, die bei der aktuellen Fehde mit kurdisch-libanesischen Clans mitmischen. Folglich wird es für die Ermittler immer wichtiger, die Vita hier bekannt gewordener syrischer Straftäter daraufhin zu durchleuchten, ob sie bereits in ihrer Heimat kriminell waren.
Viele syrische Asylbewerber sind 2015/16 im Zuge der ersten großen Krise eingereist, inzwischen steigt die Zahl der Asylsuchenden wieder rasant. Was läuft aus Ihrer Sicht falsch in der Flüchtlingspolitik?
Migranten aus Krisenregionen in der Welt brauchen Schutz, da gibt es keine Diskussionen. Aber wir müssen die schwarzen Schafe besser herausfiltern. Tatsächlich wissen wir überhaupt nicht, wer da nach Deutschland kommt. Die einzigen, die uns hilfreiche Informationen übermitteln, sind die US-Amerikaner. Ansonsten sind wir blind. Es braucht einen effizienteren internationalen Nachrichtenaustausch.
Unter gefahrenrechtlichen Gesichtspunkten müssen wir die Einreisenden intensiver anschauen und nicht erst auf Straftaten warten. Das heißt: Bei entsprechenden Hinweisen muss es zu Vorfeld-Analysen und verdeckten Ermittlungen kommen. Es darf die Polizei doch nicht überraschen, wenn auf der Straße Dachlatten geschwungen werden. Da muss man bereits vorab die Nase dran bekommen.
Trotz verschiedener Gesetzesnovellen stellt die Vermögensabschöpfung bei kriminellen Syndikaten immer noch ein Problem dar.
Stimmt, die Familiensyndikate sind ja nur so mächtig, weil sie auf kriminelle Mittel zugreifen können. Ohne Geld hat man keine Macht. Vor dem Hintergrund sollte die Politik darüber nachdenken, wie Geldwäsche besser verhindert werden kann. Nach wie vor kann ein Krimineller eine Nobelkarosse mit einem Preis in sechsstelliger Höhe mit Bargeld erwerben, ohne dass er die Herkunft des Geldes nachweisen muss. Immobilienkäufe durch dubiose Geldflüsse aus dem Ausland unterliegen keinerlei Kontrolle. Da müssen wir uns fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, gänzlich dem italienischen Strafmodell zu folgen.
Was ist der Unterschied zum deutschen, wie soll das gehen?
Indem man die Beweislast umkehrt. Der tatverdächtige Clan-Boss oder Mafioso muss nachweisen, dass seine Einnahmen aus legalen Quellen stammen. Außerdem wäre eine Bargeldobergrenze für Einkäufe sinnvoll.
Nochmal konkret zu den Vorfällen im Ruhrgebiet: Die Auseinandersetzung dauerte tagelang. Was kommt in diesem Kontext noch auf die Sicherheitsbehörden zu?
Ein Haufen Probleme. Wenn man sich anschaut, dass die Clan-Fehde durch einen selbsternannten Friedensrichter geregelt wurde, greifen die gleichen Mechanismen wie bei der italienischen Mafia. Auch bei der Cosa Nostra oder der kalabrischen ‘Ndrangheta bleibt der Rechtsstaat außen vor. Das heißt, auf die deutschen Sicherheitsbehörden kommt künftig noch mehr Arbeit zu.
Gerade bei der Kriminalpolizei gehen viele Beamte in Pension, der Nachwuchs fehlt. Wer soll die neuen Herausforderungen im Kampf gegen die wachsende arabische Unterwelt lösen?
Aus dem Personalpool an Rhein und Ruhr mit 8000 Kripo-Beamten können wir diese Aufgabe nicht stemmen. Hier muss NRW-Innenminister Herbert Reul reagieren. Zwar steht die personelle Verstärkung der Kripo im schwarz-grünen Koalitionsvertrag, die Realisierung wurde allerdings längst verschlafen. Im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität braucht es einen langen Atem, das personelle Problem bekommt die Landesregierung in dieser Legislaturperiode nicht mehr in den Griff.
Was machen die Mafia-Jäger im Kampf gegen das organisierte Verbrechen besser?
Die italienischen Strafverfolger entwickeln sogenannte Strukturverfahren. Da werden zunächst einmal die Bosse und Familienoberhäupter identifiziert. In den vergangen 15 Jahren haben die Italiener Analysen durchgeführt, wie Mafia-Familien organisiert sind, welche Ziele die jeweiligen Gruppierungen verfolgen. Stets kommt der Tatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Tragen. Rund um die Mafia-Bosse werden alle Familienmitglieder, die für den Clan aktiv sind, ebenfalls aufgrund von Nachweisen auf die Beschuldigtenliste gesetzt. Das macht es den italienischen Kollegen viel einfacher, solche Verfahren gegen Mafia-Sippen einzuleiten. Dieser Umstand erfordert einen hohen personellen Aufwand, eine hohe kriminalistische Kompetenz - die haben wir in Deutschland nicht.