„Grünen RAF“? Fehlanzeige. Das NRW-Innenministerium sieht „keine Anhaltspunkte für eine Radikalisierung der Klimabewegung in den Extremismus“.
Deutlicher Rückgang an StraftatenKlimabewegung in NRW ist nicht radikal
Straßen werden blockiert, Kunstwerke attackiert, Infrastruktur beschädigt oder Schul- oder Universitätsgebäude besetzt: Der Verfassungsschutz sieht einen wachsenden Einfluss gewaltbereiter Linksextremisten auf die Klimabewegung in Deutschland. Von 2019 bis heute hat es in Nordrhein-Westfalen 678 Straftaten in diesem Kontext gegeben, wie einem Bericht des NRW-Innenministeriums zu entnehmen ist.
Demnach jedoch scheint die Tendenz bei den Übergriffen überraschenderweise eher abnehmend zu sein. So wurden 2019 und 2020 jeweils über 200 Taten registriert, von denen knapp ein Drittel als „Gewaltdelikte“ klassifiziert wurden. 2021 aber waren es nur noch 138, wovon 26 als gewalttätig eingeschätzt wurden. Und 2022 wurden bis jetzt 116 Fälle aufgelistet, etwa zehn davon als Gewalttaten.
Keine Hinweise auf geplante Straftaten
Die Sicherheitsbehörden in NRW sehen insgesamt keine Radikalisierung der hiesigen Klimabewegung, heißt es in einem weiteren Bericht des Innenministeriums für den Landtag. „Die Gefahr der spontanen Begehung von Straftaten emotionalisierter Einzeltäter oder Kleinstgruppen ist grundsätzlich nicht auszuschließen“, heißt es in dem Papier.
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Konkrete Hinweise auf geplante Straftaten würden der Landesregierung derzeit aber ebenso wenig vorliegen „wie Anhaltspunkte für eine Radikalisierung der Klimabewegung in den Extremismus oder die Gründung einer Terrorzelle im Sinne einer grünen RAF“.
Dennoch beobachte der Verfassungsschutz einzelne Akteure innerhalb der Bewegung. In NRW betreffe dies etwa 100 Extremisten. Entscheidenden Einfluss auf die Szene hätten diese Personen jedoch nicht. Einige von ihnen haben sich laut Innenministerium beispielsweise unter die Besetzer im Rheinischen Braunkohlerevier gemischt – etwa im Hambacher Forst oder in Lützerath.
Darüber hinaus seien Extremisten in Ortsgruppen von „Ende Gelände“ aufgefallen oder hätten auch an „Fridays for Future“-Demonstrationen oder Protesten gegen die Inbetriebnahme des Kohlekraftwerkes Datteln 4 teilgenommen. Dabei gelangten sie auf das Gelände des Kraftwerkes und kletterten auf Maschinen, damit diese nicht benutzt werden konnten.
Ministerium rechnet mit immer mehr Übergriffen
Mit einem Rückgang der Aktionen sei sicher nicht zu rechnen, heißt es im Bericht des Ministeriums. „Bei einer weiteren Emotionalisierung, insbesondere im Hinblick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der mangelnden Gasversorgung sowie der damit vermehrten Nutzung fossiler Energieträger, muss vielmehr von einem erhöhten Straftatenaufkommen ausgegangen werden.“
Besonders heikel könnte es demnächst vor allem im Braunkohledorf Lützerath bei Erkelenz werden. Die Braunkohle, die unter dem Dorf liegt, darf von RWE abgebaggert werden. Das haben der Energiekonzern, die Bundesregierung und die Landesregierung Anfang Oktober in ihrer Vereinbarung zum vorzeitigen Kohleausstieg 2030 festgelegt. Die Vereinbarung sieht vor, dass in NRW wegen der Energiekrise zwei Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier länger als ursprünglich geplant am Netz bleiben.
Die Klimaaktivisten, die im Dorf ausharren und ein Protestcamp errichtet haben, rechnen damit, dass mit der Räumung ab dem 10. Januar begonnen wird. Nach ihren Angaben haben bereits 11.000 Menschen angekündigt, sich den Polizisten entgegenzustellen. Zur Demonstration rufen acht Organisationen auf: Alle Dörfer bleiben, der BUND, Campact, Fridays For Future, Greenpeace, die Klima-Allianz Deutschland, Lützerath Lebt! und die Naturschutzjugend NRW. Für den 2. Januar haben die Gruppen ein „Aktionstraining“ in dem besetzten Ort angekündigt. „Wir üben, wie wir die Räumung und den Abriss von Lützerath mit verschiedenen Methoden blockieren können“, hieß es in einer Ankündigung am Mittwoch.
Gespannte Lage vor Lützerath-Räumung
Die Polizei geht davon aus, dass der behördliche Räumungseinsatz mindestens vier Wochen dauert. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sowie Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) hatten zuletzt zu einer gewaltfreien Beendigung der Lützerath-Besetzung durch Klimaaktivisten aufgerufen. „Die Räumung ist ein schmerzlicher, aber leider notwendiger Schritt“, sagte Neubaur. „Wir erreichen damit, im Rheinischen Revier acht Jahre früher aus der Kohle auszusteigen.“