Die atlantische Umwälzströmung, die „Heizung“ des Nordens, könnte früher zusammenbrechen als bislang angenommen.
KlimawandelForscher warnen vor Kippen des Nordatlantikstroms – Ozeanograph erschüttert
Führende Klimaforscher warnen eindringlich vor den dramatischen Folgen, sollte die atlantische Umwälzströmung des Ozeans kippen. Eine Fachkonferenz im isländischen Reykjavík beschäftigte sich jüngst mit den Problemen des Nordatlantikstroms – und kam zu dramatischen Ergebnissen. Würde das System zerstört werden, hätte dies Konsequenzen, die bislang unterschätzt wurden.
Auch der deutsche Forscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institute for Climate Impact Research hielt dort einen Vortrag und teilte seine Erkenntnisse beim Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter. Rahmstorf ist Mitunterzeichner eines „Brandbriefs“ von 44 Fachleuten aus 15 Ländern an die Minister des Nordischen Rats, die sich in Kürze treffen.
Rahmsdorf erklärt, dass der in der Öffentlichkeit bekanntere Golfstrom auch ein Teil des Atlantic Meridional Overturning Circulation (AMOC) sei. Der AMOC transportiert warmes, salziges Wasser aus den Tropen bis Island und Spitzbergen. Sein Ausläufer sorgt dafür, dass Nordeuropa auch im Winter ein vergleichsweise mildes Klima hat. Nachdem das salzige Wasser seine Hitze abgegeben hat, sinkt es ab und kehrt als Tiefenstrom zurück in den Südatlantik. Mehr Schmelzwasser im Ozean durch die Erderwärmung und abschmelzende Polkappen senkt den Salzgehalt – und das ganze System könnte deshalb kippen.
AMOC könnte noch in diesem Jahrhundert zusammenbrechen
Bricht der „North Atlantic Current“ zusammen, würde dies die Lebensbedingungen der Menschen in der Arktisregion und darüber hinaus gefährden. Der Strom wirkt wie eine große Heizung, dank derer große Teile West- und Nordeuropas ein wärmeres Klima aufweisen, als aufgrund ihrer hohen geographischen Breite zu erwarten wäre.
„Wenn Großbritannien und Irland wie Nordnorwegen werden, hat das enorme Konsequenzen“, sagt Peter Ditlevsen von der Universität Kopenhagen. Anzeichen für eine Verlangsamung des AMOC gibt es laut den Forschern bereits: Während sich der Nordatlantik grundsätzlich erwärmt, zeige sich südlich von Island und Grönland ein „Cold Blob“, eine Stelle, die in den vergangenen 100 Jahren kälter geworden ist. Die Region ist der einzige Ort auf der Welt, der sich abgekühlt hat, während es überall sonst auf dem Planeten wärmer geworden ist.
Wann genau die atlantische Umwälzströmung kippt, ist schwer vorherzusagen. Erkenntnisse aus den letzten beiden Jahren deuten darauf hin, dass dies noch in diesem Jahrhundert geschehen könnte.
Klimawandel: Ozeanograph ist den Tränen nahe
Wie dramatisch die Folgen des Klimawandels für die Menschheit sind, erklären Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit vielen Jahren eindringlich. Allerdings zeigen sie dabei in der Regel die Fakten auf und bleiben sachlich. Ausnahmen hat es jedoch in jüngster Zeit mehrfach gegeben. So wird der renommierte Ozeanograph Matthew England in einem Interview über die Folgen eines möglichen Zusammenbruchs des des Nordatlantikstroms emotional.
„Wenn ich abends nach Hause komme und ich meine Kinder sehe, die wiederum auch Kinder haben werden, bin ich tieftraurig über meine Erkenntnisse. Dies ist ein großartiger Planet, und ich werde das Eintreten meiner Prognosen und wie sie sich weiterentwickeln nicht mehr erleben. Aber verdammt noch mal, alle anderen werden es erleben“, so der australische Forscher. Dabei hat er Mühe, seine Tränen zurückzuhalten.
Der Ausschnitt, vom irischen Journalisten Philip Boucher-Hayes beim Kurznachrichtendienst X gepostet, ist Teil einer Doku-Serie für den Sender RTÉ. In „Rising Tides“ geht es um die Zukunft Irlands in einer wärmer werdenden Welt.
Wie besorgt Experten sind, zeigte sich auch jüngst in den USA beim Hurrikan „Milton“. Der Meteorologe John Morales verlor im TV nahezu die Fassung, als er bei den Warnungen auf die Wucht des bevorstehenden Extremwetter-Ereignisses hinwies. Über „Milton“ sagte er: „Das ist ein unglaublicher, unglaublicher Wirbelsturm!“ Das sei „schrecklich“. Später sagte Morales, angesichts des Klimawandels und seiner dramatischen Folgen sollten eigentlich alle Menschen erschüttert sein. Die Menschheit habe die Lage nicht mehr unter Kontrolle.