Ein Tag nach der tödlichen Katastrophe in Baltimore wird klar: Der Schiffsbesatzung ist es wohl zu verdanken, dass nicht deutlich mehr Menschen starben.
Neue Erkenntnisse nach KatastropheErste Theorie zu Stromausfall der „Dali“ vor verheerender Brückenkollision
Fünf Jahre dauerte die Errichtung der Francis Scott Key Bridge in den 1970er Jahren, in gerade einmal 10 Sekunden brachte das Containerschiff „Dali“ einen Großteil der Brücke am Dienstag (26. März) zum Einsturz. Sechs Menschen werden infolge des Unglücks noch vermisst, die Behörden gehen davon aus, dass sie tot sind. Einen Tag nach dem verheerenden Zusammenstoß werden unterdessen immer mehr Details zu den Hintergründen bekannt.
Die wichtigste Frage lautet auch am Mittwoch: Wie konnte es zu diesem tödlichen Zusammenstoß kommen? Abschließend beantworten lässt sich diese Frage noch nicht, das National Transportation Safety Board leitet die Untersuchung des Vorfalls und wird voraussichtlich erst am Mittwoch an Bord des Schiffes gehen, um mit der Beweissicherung zu beginnen.
Erste Theorie zu Stromausfall der „Dali“ vor Kollision mit Francis Scott Key Bridge
Klar ist aber jetzt schon: Das riesige Containerschiff hatte vor dem Aufprall einen Blackout. Laut Clay Diamond, dem Geschäftsführer der American Pilots Association, kam es Minuten vor dem Aufprall zu einem „totalen Stromausfall“ auf dem Schiff. Videoaufnahmen und Zeugenaussagen belegen das. Kurz vor der Kollision flackerten die Lichter des Schiffes und es kam vom Kurs ab.
Einem Bericht der Küstenwache zufolge berichteten ein Hafenlotse und dessen Assistent vor dem Unglück von Problemen mit der Stromversorgung. Dies geht aus einem Bericht des „Wall Street Journal“ hervor, das Einblick in die entsprechenden Unterlagen hatte. Bereits eine Stunde nach dem Auslaufen hätten die Lichter der Dali zu flackern begonnen, heißt es. Wenige Minuten vor der Brücke sei es dann „zu einem totalen Stromausfall auf dem Schiff“ gekommen, so Diamond. „Das Schiff verlor die Maschinen- und Stromversorgung, es war ein kompletter Stromausfall.“
Warum es zu dem Stromausfall kam, müssen die Ermittler nun klären, eine erste Theorie wurde allerdings schon am Tag nach dem Unglück bekannt. Demnach könnte verunreinigter Schiffsdiesel eine Rolle gespielt haben. „Mit den Ermittlungen vertraute Personen sagten, Sicherheitsüberprüfungen des Containerschiffes ‚Dali‘ würden eine Untersuchung der Frage beinhalten, ob es deswegen zu einem Stromausfall an Bord gekommen sei“, berichtet der Sender „ntv“.
Schiffsbesatzung und schnelles Handeln der Rettungskräfte rettete wohl zahlreiche Leben
Dass bei dem Einsturz der Brücke nicht noch weit mehr Menschen zu Tode kamen, ist indes ersten Erkenntnissen nach der Schiffsbesatzung sowie dem schnellen und richtigen Handeln der Einsatzkräfte zu verdanken. Wie der Gouverneur von Maryland mitteilte, sei die Besatzung des Schiffes in der Lage gewesen, einen Notruf abzusetzen, bevor der rund 300 Meter lange Frachter mit der Brücke kollidierte.
Mehr hätten die Menschen auf dem Schiff nicht tun können, sie seien machtlos gewesen, berichten US-Medien. Der Kapitän des Schiffes habe „alles getan, was er hätte tun können“, um das Schiff zu verlangsamen und zu verhindern, dass es auf die Brücke zutreibt, zitiert „CNN“ Clay Diamond. Der Lotse habe schnell eine Reihe von Maßnahmen ergriffen und unter anderem das Kommando „Hart Backbord“ (Ruderlage bis zum Anschlag) sowie das Abwerfen des Ankers angeordnet. Seelotsen gehen vorübergehend an Bord eines Schiffes und helfen, das Schiff durch die örtlichen Gewässer zu manövrieren.
Der Lotse habe außerdem die Zentrale kontaktiert, wodurch der Verkehr auf der Brücke eingestellt werden konnte. „Das waren alles angemessene Schritte, aber es passierte so schnell und mit so wenig Vorlaufzeit ... keines dieser Manöver war ausreichend“, sagte Diamond.
Dass durch das schnelle Handeln aller Beteiligten dennoch Leben gerettet wurden, davon ist Wes Moore, Gouverneur von Maryland, überzeugt. Der Notruf der Schiffsbesatzung vor dem Aufprall habe es den Behörden ermöglicht, „wahrscheinlich Leben zu retten“, so Moore. Nachzuvollziehen ist die Kommunikation bis 90 Minuten nach der Katastrophe inzwischen auf YouTube, wo der komplette Funkverkehr der Feuerwehr freigegeben wurde.
Verheerender Unfall in Baltimore war nicht der erste Zwischenfall mit „Dali“
Bei der Suche nach den Ursachen für die verheerende Kollision kommen am Tag nach der Katastrophe auch weitere Details über das Containerschiff „Dali“ zutage. Demnach wurde das unter der Flagge Singapurs fahrende Frachtschiff im vergangenen Juni wegen eines Antriebsproblems kurzzeitig in Chile festgehalten, wie die chilenische Marine gegenüber US-Medien erklärte.
Der Vorfall sei nicht der erste gewesen, bei dem die „Dali“ in einem ausländischen Hafen festgehalten wurde. Laut CNN sei das Containerschiff 2016 in einen Zwischenfall im Hafen von Antwerpen verwickelt gewesen.
Unfall hat schwerwiegende wirtschaftliche Folgen
Der Einsturz der Brücke und die „Dali“, die inmitten der Trümmerteile im Patapsco River liegt, haben weitreichende wirtschaftliche Folgen. Der wichtige Schifffahrtshafen in Baltimore ist vorerst geschlossen. Oberste Priorität habe die Räumung des Kanals, damit der Hafen von Baltimore wieder geöffnet werden könne, sagte US-Senator Chris Van Hollen.