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ARD-Journalist über Wettbetrug„Es ist wie beim Drogenhandel, man kann es nicht stoppen“

Lesezeit 7 Minuten
Wie funktioniert das Geschäft mit manipulierten Fußballspielen und Sportwettenbetrug? Benjamin Best gilt als deutscher Top-Experte auf diesem Gebiet. Nun hat der WDR-Journalist die Doku „Spielverderber - wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren“ gedreht. (Bild: WDR)

Wie funktioniert das Geschäft mit manipulierten Fußballspielen und Sportwettenbetrug? Benjamin Best gilt als deutscher Top-Experte auf diesem Gebiet. Nun hat der WDR-Journalist die Doku „Spielverderber - wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren“ gedreht. (Bild: WDR)

Benjamin Best gilt als deutscher Top-Experte, wenn es um Wettbetrug im Fußball geht. Nun hat der WDR-Journalist die Doku „Spielverderber - wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren“ gedreht.

Der WDR-Journalist Benjamin Best beschäftigt sich schon lange mit den eher unangenehmen Seiten des Fußballs. Zum Beispiel mit Wettbetrug und wie er funktioniert. Nun läuft sein neuer Film „Spielverderber - wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren“ in der ARD-Mediathek (ab Dienstag, 22. Oktober) und im Ersten (am Freitag, 25. Oktober, 23.00 Uhr). Hier erklärt er, wie das Geschäft funktioniert und weshalb auch deutsche Clubs und Verbände sich so schwer damit tun, vom Geschäft mit den Wettanbietern die Finger zu lassen.

teleschau: Fußballwetten sind populär und in der Werbung allgegenwärtig. Auf welchen Aspekt schaut Ihre Dokumentation „Spielverderber - wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren“?

Benjamin Best: Wir schauen auf den deutschen Profi- und Jugendfußball und inwiefern es da eine Verbindung zum globalen Wettmarkt gibt. Wir haben zum Beispiel mit Wettbetrügern in Asien gesprochen, die uns Einblicke in ihre Geschäfte geben.

teleschau: Wie genau funktioniert das Geschäft?

Best: Es geht, wenn man den Wettmarkt, den legalen aber auch den illegalen, betrachtet, um mehrere Billionen, denn es ist sehr viel Geld im Wettmarkt. Gerade in Asien, wo man in den großen europäischen Ligen zehn bis 20 Millionen Dollar pro Partie setzen kann. Nicht auf einmal, aber sukzessive mit mehreren Wetten. Da ist es natürlich, dass man zu manipulieren versucht. In Deutschland, wo der Wettmarkt seit 2021 legal, aber reguliert ist, sieht es anders aus. Hier braucht man eine Lizenz, um Wetten anzubieten und die Wettformen sind stark reglementiert. So sind Wetten auf alles unterhalb der 3. Liga und natürlich auch auf Jugendfußball verboten.

„15 von 18 Clubs der Bundesliga haben Partnerschaften mit Wettanbietern“

teleschau: Warum haben die Betrüger mit Ihnen geredet?

„Siva“ ist ein verurteilter Wettbetrüger aus Singapur. In der Doku „Spielverderber - Wie Wettbetrüger Fußballspiele manipulieren“ gibt er Einblicke in sein kriminelles Geschäft: „Um ein Spiel zu verlieren, brauche ich sechs Spieler. Fünf Feldspieler und den Torwart. Ohne Torwart würde ich nie ein Spiel manipulieren.“ (Bild: WDR)

Best: Ich mache das schon lange, bin also im Thema und habe meine Kontakte. Dann habe ich vor Ort recherchiert und mit vielen Quellen gesprochen. Irgendwann haben einige Leute halt beschlossen, dass sie auspacken. Sie belasten nicht sich selbst, aber sie beschreiben ein System. Darunter sind verurteilte Wettbetrüger. Einer hat mal mit einem deutschen Spieler Partien in Singapur manipuliert. Ein anderer betrog in Moldau und saß in Italien im Knast.

teleschau: Wo schaut Ihr Film genauer hin?

Best: Auf den Profi- und Jugendfußball in Deutschland. 15 von 18 Clubs der Bundesliga haben Partnerschaften mit Wettanbietern. Einige pflegen sogar Partnerschaften mit asiatischen Anbietern, die eher auf dem grauen Markt agieren. Darunter sind durchaus zweifelhafte Firmen, die vor allem in China Wetten anbieten, wo deren Geschäft eigentlich verboten ist. Einige der Bundesliga-Clubs sagen, dass sie alle Partner über Drittanbieter prüfen ließen - aber das ist alles sehr schwer festzustellen ...

teleschau: Wie viele Bundesligisten machen so etwas?

Best: Wir haben fünf Bundesligisten konfrontiert. Und wir hatten einen Fall, über den ich reden kann. Yabo Sports war Partner von Bayern München da gab es damals eine große PK mit unter anderem Lothar Matthäus und einem vermeintlichen CEO von Yabo, der sich später aber als Fotomodell herausgestellt hat. Es gab auch Festnahmen und Razzien in China. Bayern München hat den Vertrag gekündigt. Die Nachfolgefirma von Yabo ist Teil eines intransparenten Firmengeflechts, dessen Wettbetreiber als Werbepartner mehrerer Bundesligisten auftreten.

„Verliert ein klarer Favorit, hat man einen Verdacht“

teleschau: Was müsste man tun, um so etwas zu verhindern?

Best: Es ist wie beim Drogenhandel, man kann es nicht stoppen. Verbietet man das Wetten, geht es komplett in den Schwarzmarkt. Was man kritisieren kann, ist die Nähe zwischen Wettanbietern und dem Sport, also auch den Vereinen. Viele Fußballfans zocken gerne, aber sie überblicken nicht, welche großen Gefahren im Wetten stecken. Persönliche Gefahren im Sinne von Sucht, aber auch im Sinne krimineller Möglichkeiten.

Auch ehemalige Fußballprofis kommen zu Wort. Dominique Taboga spielte in Österreich in der 1. und 2. Bundesliga. Und er wurde verurteilt wegen Spielmanipulation. Er sagt: „Ich war Fußballprofi über zehn Jahre und habe davon acht Jahre Spiele manipuliert. Ich bin überzeugt, dass es heutzutage auch noch solche Profis gibt.“ (Bild: WDR)

teleschau: Auch wegen der Verführbarkeit von Spielern?

Best: Ja, gerade im Jugendbereich und bei den Amateuren ist die natürlich gegeben. Dort, wo wenig Geld verdient wird. Die Verführbarkeit fördert man mit dem Wetten natürlich auch. Von 2009 bis 2014 gab es in Bochum die „SoKo Flankengott“. Sie hat damals diverse Manipulationen bei Jugendspielen aufgedeckt. Da sind die Betrüger an Jugendspieler herangetreten, deren Karriere war dann später vorbei.

teleschau: Sind die meisten Spielmanipulationen Einzelfälle oder Teil eines größeren Betrugssystems?

Best: Ich würde nicht sagen, dass die Partien, über die betrogen wird, immer in Verbindung miteinander stehen, aber bestimmte Wettformen unterstützen bestimmte Manipulationen. Und natürlich gibt es auch Mitglieder der organisierten Kriminalität, die in einem größeren Betrugssystem manipulieren. Die beliebteste Wettform für Betrüger sind die Over-Under-Wetten. Da wird nicht auf Sieg oder Niederlage getippt, sondern darauf, wie viele Tore fallen. Verliert ein klarer Favorit, hat man einen Verdacht. Fallen einfach nur viele Tore, freut man sich über ein spektakuläres Spiel. Manipulationen bei Over-Under-Wetten sind schwer zu entdecken.

„Viele Spieler haben einen sehr teuren Lebensstandard“

teleschau: Wie ist es mit Ereigniswetten, wie zum Beispiel, dass ein Elfmeter in den letzten 15 Minuten passiert? Auch auf so etwas kann man wetten ...

Best: Nicht in Deutschland, aber anderswo. Allerdings kann man mit Ereigniswetten wie zum Beispiel gelbe Karten in einem Spiel nicht so viel Geld verdienen. Alles, was sehr leicht zu manipulieren ist, da sind die Wetteinsätze und Quoten eher niedrig.

teleschau: Was ist bei Wettenden besonders beliebt?

Kriminalhauptkommissar Michael Bahrs aus Dortmund war Mitglied der Bochumer SoKo „Flankengott“: „Wenn man sich (als Spieler) einmal (auf Wettbetrug) eingelassen hat, kommt man nicht mehr raus. Man ist erpressbar. Die Täter können sehr viel Geld damit generieren, deswegen werden sie nicht sagen: 'Alles klar, wir lassen dich ziehen.“ (Bild: WDR)

Best: Besagte Over-Under-Wetten und auch Live-Wetten wie zum Beispiel darauf, wer das nächste Tor schießt. Letzteres übt einen großen Reiz aus, ist aber ebenfalls in Deutschland nur sehr eingeschränkt möglich. Das kritisieren die deutschen Wettanbieter auch, weil es die Kunden wollen - und was die Wettenden wiederum in den unregulierten asiatischen Markt treibt.

teleschau: Zeigt Ihr Film auch, wie die Manipulation durch Spieler funktioniert?

Best: Ja, wir haben mit dem ehemaligen Profi Dominique Tagoba gesprochen. Er hat in der Bundesliga in Österreich manipuliert und wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Es geht um das Handwerk der Wettbetrüger und wie sie an die Spieler herantreten. Außerdem erklären wir, welche Wettformen attraktiv sind und wie manipuliert wird.

teleschau: Wie geht man denn an Spieler ran?

Best: Die Betrüger suchen sich vor allem Spieler aus, die selbst eine Affinität zum Wetten haben. Da gibt es in der Tat viele. Dabei setzen die Täter ein hohes Maß an krimineller Energie ein. Sie freunden sich mit diesen Spielern an, versuchen sie erst mal persönlich „zu kriegen“. Dann schauen sie, ob diese Spieler vielleicht Geldsorgen haben, was auch nicht selten ist. Viele Spieler haben einen sehr teuren Lebensstandard. Sie verdienen zwar viel Geld, geben aber auch viel aus. Es sind junge Leute, die schnell mal in Schieflage geraten.

„Diese Leute äußern sich nicht gern ...“

teleschau: Läuft alles über die Spieler oder auch über Schiedsrichter?

Best: Unsere Recherchen haben sich auf Wettbetrüger und Profis konzentriert. Aber natürlich sind auch Schiedsrichter im Fokus von Wettbetrügern.

teleschau: Ist Ihr Job eigentlich gefährlich?

Best: Das werde ich oft gefragt. Die Frage wurde mir auch zu Katar gestellt, wozu ich auch viel recherchiert und wo ich zum Beispiel vor Ort überwacht wurde. Wettbetrüger sind Teil der organisierten Kriminalität, und diese Leute äußern sich nicht gern. Aber als gefährlich empfand ich meine Arbeit bisher nicht.

teleschau: Was müsste passieren, dass Wetten weniger anfällig für Manipulation und Kriminalität werden?

Best: Es ist schwer zu sagen, denn Wetten und Buchmacher wird es immer geben. Ähnlich wie die Prostitution ist das Wetten eines der ältesten Geschäfte der Welt. Weil die Menschen ein großes Bedürfnis danach haben. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass aktuell 17 Spiele in Deutschland unter Manipulationsverdacht stehen. Von der dritten Liga bis zur Oberliga. Dass der Markt in Deutschland seit 2021 reguliert ist, hat sicher etwas gebracht. Davor gab es zwölf Jahre lang einen Graumarkt, der sich auf europäisches Recht berief, und der Gesetzgeber in Deutschland hatte die Entscheidung über lizenzierte Anbieter lange vor sich hergeschoben. Aber dann wetten Betrüger einfach bei anderen Anbietern in anderen Ländern, wo der Markt nicht reguliert ist. Ich finde, der Sport selbst sollte vorsichtig sein, auf welche Partner in Sachen Wetten man sich einlässt. Es lässt sich halt eine Menge Geld verdienen, auch mit Werbepartnerschaften. Deshalb ist die Versuchung bei Vereinen und Verbänden auch so groß. (tsch)