Bei „Markus Lanz“ warnte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas vor einer immer weiter eskalierenden Spirale. Gleichzeitig bezog sie Stellung zur erneuten Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz.
„Die Polarisierung wächst“Bundestagspräsidentin kritisiert bei „Markus Lanz“ den rauen Ton im Parlament
Kurz nach dem Bruch der Ampelkoalition ließ Olaf Scholz kein gutes Haar an seinem ehemaligen Bundesfinanzminister Christian Lindner. Gleichzeitig meldete sich auch der FDP-Politiker mit harschen Anschuldigungen in der Öffentlichkeit zu Wort. Bei „Markus Lanz“ gab Bundestagspräsidentin Bärbel Bas daher wenig überraschend zu, dass sie das Scheitern der Regierung nicht kalt erwischt habe.
Laut Bas sei die Zusammenarbeit zwar „drei Jahre lang anstrengend“ gewesen, dennoch hätte sie sich gewünscht, dass die Koalition „sich zusammenrauft und die Herausforderungen tatsächlich auch angeht“. „Dass es jetzt auseinanderbricht mit einer vorgezogenen Wahl, gefällt mir nicht. Aber auf der anderen Seite gab es auch, gebe ich offen zu, eine gewisse Erleichterung“, so Bas. Als Markus Lanz wissen wollte, woher die Erleichterung genau komme, antwortete Bas, dass die Ampel den Abgeordneten stets zu wenig Zeit für die Prüfung von Gesetzesentwürfen gegeben habe.
„Das ist alles immer schnell, schnell, schnell“, erklärte die SPD-Politikerin streng. Sie fügte hinzu, dass sie die Kritik bei Bundeskanzler Olaf Scholz bereits mehrfach vorgetragen habe „und alle haben Besserung gelobt“. Das Ergebnis? Ernüchternd, denn laut Bas habe sich nichts geändert und die Gesetze sollten wie gehabt „schnell durchs Parlament“ gehen. „Wir sind selbstbewusste Abgeordnete, wir nicken ja nicht einfach nur irgendein Gesetz ab, sondern wir nehmen uns dafür Zeit. Und das ist auch richtig so“, merkte die Bundestagspräsidentin an.
Laut Bas könne man den Prozess „nicht abkürzen“ - nur „in Krisensituationen. Da muss ein Parlament auch schnell sein und das kann es auch, aber es ist kein Dauerzustand“. Mit der ehrlichen Kritik hatte Markus Lanz nicht gerechnet, denn er gab zu: „Das war mir so nicht klar, dass das dieser Dauerzustand war.“ Bas nickte zustimmend und erklärte, dass man daran gemerkt habe, „dass es in dieser Koalition schwierig war, eine Einigung zu finden“.
Bas über Debatte um K-Frage bei „Markus Lanz“: „Das war für alle kein erfolgreicher Prozess“
Eine Steilvorlage für Markus Lanz, der wissen wollte, ob Bas die persönlichen Angriffe des Kanzlers gegen Christian Lindner für in Ordnung halte. Die SPD-Politikerin zeigte jedoch kaum Regung und sagte: „Ich stecke da ja nicht in diesen drei Herren drinnen, dass ich insofern nicht weiß, was da so über Wochen vorgegangen ist.“
Dennoch ließ Lanz nicht locker und fragte weiter, ob es gerechtfertigt sei, dass sich Habeck und Scholz nach dem Scheitern der Ampel als Kanzlerkandidaten aufstellen lassen. „Wo ist die Konsequenz?“, so Lanz. Darauf erklärte Bas mit ruhiger Stimme: „Die Konsequenz ist ja, dass diese Ampel gescheitert ist und wir jetzt eine Neuwahl haben.“ Dennoch gab sie zu, dass sie „nachvollziehen“ könne, dass „vielleicht die Bürgerinnen und Bürger sagen: Wie kann das sein?“.
Grund genug für Markus Lanz, zu fragen: „Wie haben Sie das Hickhack in Ihrer eigenen Partei wahrgenommen um die Frage der Kanzlerkandidatur?“ Bas räusperte sich plötzlich und pausierte kurz. Dann sagte sie: „Ich glaube, das war für alle kein erfolgreicher Prozess, dass das so lange gedauert hat.“ Als der ZDF-Moderator wissen wollte, wie sehr das interne Duell mit Boris Pistorius den amtierenden Kanzler beschädigt habe, machte die SPD-Politikerin deutlich: „Ich hoffe, dass beide nicht beschädigt sind, weil beide wirklich herausragende Sozialdemokraten sind.“
Bas bei „Markus Lanz“: Der Ton im Parlament ist „aggressiver geworden“
Innerhalb der Sendung sprach Markus Lanz auch allgemein über die „Krise der Demokratie“ und den immer größer werdenden Druck auf die Demokratien der Welt. Auch Bas merkte an, dass sie sich mit Blick auf die Stimmung in der Gesellschaft und im Parlament Sorgen mache, da der Ton durchaus „aggressiver geworden“ sei. „Die Polarisierung wächst, die Ordnungsrufe steigen, übrigens auf allen Seiten“, so Bas. Sie fügte hinzu, dass die Ordnungsrufe mittlerweile sogar von einzelnen Abgeordneten „als Trophäen im Internet benutzt werden“.
Gerade deshalb plädierte Bas dafür, darüber nachzudenken, „wie wir Politik machen“ und „wie wir miteinander umgehen“. Man könne sich durchaus „in der Sache auch richtig heftig streiten“, aber nicht in „persönliche Angriffe“ und „Diffamierungen“ übergehen. „Es ist wie eine Spirale, die irgendwie eskaliert. Die einen diskriminieren, die anderen lassen sich das nicht gefallen. Und im Moment ist es wirklich so sehr anstrengend, diese Sitzungen zu leiten“, gab die Politikerin offen zu. Besonders besorgniserregend sei für sie, dass sich viele Bürger mittlerweile von den Debatten im Parlament „abgestoßen“ fühlten. Sie finde das „dramatisch“. Sie wolle, dass die Menschen die Debatten sehen, „dass auch sichtbar wird, wo die Unterschiede zwischen den Parteien sind.“ (tsch)