Ford streicht in Köln 2900 Stellen. Nun ist klar, in welchen Bereichen wie viele Jobs wegfallen.
JobabbauFord-Betriebsrat sieht Standort Köln „massiv gefährdet“
Die Stimmung war zutiefst gedämpft, als sich die Ford-Belegschaft am Mittwochmorgen, 27. November, zur Betriebsversammlung einfand. Aufgrund des großen Andrangs musste eine weitere Halle für die weit mehr als 8000 Fordler geöffnet werden. Die Angst um ihre Jobs, aber auch Wut und Trauer, sei allen deutlich anzumerken gewesen, berichten Teilnehmende dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zu Beginn herrschte Totenstille in den Hallen. Manche Beschäftigte hätten geweint.
In der vergangenen Woche hatte das Management angekündigt, bis Ende 2027 4000 Jobs in ganz Europa zu streichen. Am härtesten betroffen ist der Standort Köln, wo 2900 Stellen wegfallen sollen. Das ist etwa jede vierte Stelle. Derzeit hat Ford in Köln noch rund 12.000 Arbeitsplätze.
Betriebsratschef: „Schwarzer Tag für Ford in ganz Europa, vor allem aber für Köln“
„Man kann sich auf die Aussagen des Managements nicht mehr verlassen“, sagte Gesamtbetriebsratschef Benjamin Gruschka, der auch in Europa der oberste Arbeitnehmervertreter ist, vor der Belegschaft. Erst im Februar 2023 war ein Abkommen zur Beschäftigungssicherung abgeschlossen worden. Damals, so Gruschka, habe die Führung von einem „starken Signal und Bekenntnis zu Köln“ gesprochen. Jetzt wolle man ganze Bereiche schließen oder auslagern, so Gruschka, dessen Rede immer wieder von Applaus und stehenden Ovationen unterbrochen wurde. Komplette Abteilungen stünden zur Disposition. Insgesamt vier Seiten umfasse die Liste der Geschäftsführung für den brutalen Stellenabbau, so der Betriebsrat: „Damit ist der Standort im Kern gefährdet.“
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Unter lautem Pfeifkonzert trat im Anschluss Ford-Geschäftsführer Marcus Wassenberg auf die Bühne. Rund fünf Minuten musste er warten, bevor sich die Belegschaft beruhigt hatte.
1000 Jobs in der Produktion in Köln-Niehl betroffen
Dann gab es erste Zahlen zum Abbau in Köln: Insgesamt 1000 Jobs sollen in der Administration wegfallen. Dazu gehören etwa Einkauf, Marketing, Verkauf, Personalabteilung oder die IT. Darüber hinaus wird es auch die Produktentwicklung hart treffen. Die Geschäftsführung will hier nochmal 600 Stellen abbauen. In diesem Kernbereich in Merkenich, wo über Jahrzehnte die Ford-Modelle der Zukunft entwickelt wurden, hat Ford bereits in der Vergangenheit harte Einschnitte vollzogen. So wurden bereits von ursprünglich 4000 Beschäftigten schon 1700 wegrationalisiert – und dieser Abbau ist noch nicht einmal vollständig vollzogen. Jetzt sollen eben jene weitere 600 dazukommen. Ob noch komplette Fahrzeuge oder Antriebsstrang inklusive Batterie oder komplexe Software-Entwicklungenso weiterhin möglich seien, bezweifeln Ford-Ingenieure. Einige Entwicklungsaufgaben sollen zudem in die USA verlagert werden.
Weitere 1000 Stellenstreichungen sollen auf produktionsnahe Dienstleistungen entfallen. Das sind etwa Komponentenfertigung, Instandsetzung oder Service – darunter auch der Bereich FCSD, der eine zentrale Schnittstelle zwischen Händlern, Ersatzteilproduktion und Produktentwicklung bildet.
Wo die 300 weiteren Stellen noch gestrichen werden sollen, ist bislang noch unklar. Dem Vernehmen nach sollen etwa der Werksschutz und die Werkskantine nicht mehr von Ford selbst betrieben werden, sondern externe Dienstleister beauftragt werden.
Wassenberg betonte aber, dass der Stellenabbau sozialverträglich erfolgen soll und die Führung die Beschäftigungssicherung bis 2032 nicht infrage stellt.
Der Konzern begründet den Schritt mit der Schwäche im Pkw-Geschäft. Hier hatte Ford in den vergangenen Jahren in Europa hohe Verluste erlitten. „Wir müssen daher schwierige, aber entschlossene Maßnahmen zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit von Ford in Europa umsetzen“, sagte Wassenberg in der vergangenen Woche. „Das ist ein schwerer Schritt, aber wir haben wenig Spielraum. Wir haben hier in Köln ein strukturelles Problem, wir verdienen hier nämlich kein Geld.“
Brief an Ford-US-Chef und Gespräch mit Kanzler Scholz
Seit Juni läuft im Werk in Köln-Niehl der elektrische Explorer vom Band, seit Ende September nun auch der Capri. Gearbeitet wird im Zwei-Schicht-Betrieb. Dem Vernehmen nach läuft der Verkauf aber sehr viel verhaltener an als erwartet.
Dass der Stellenabbau auf die Absatzschwäche der E-Autos zurückzuführen ist, dem widersprechen die Arbeitnehmervertreter vehement. Die Pläne seien vielmehr bereits im Frühjahr des Jahres in den USA geschmiedet worden und im Sommer in einer Mail angekündigt worden, so Gruschka. „Da wurden die beiden Kölner E-Autos Explorer noch gar nicht in Serie produziert!“, so der Betriebsratschef.
Er habe an Ford-US-Chef Jim Farley geschrieben und wolle mit ihm in Kürze über eine andere, zukunftsfähige Vision für den Standort sprechen. Auch mit der Politik sei man weiter eng im Gespräch. Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe sich beim Betriebsrat gemeldet und soll wohl in den kommenden Wochen nach Köln kommen. Der Geschäftsführung stellen die Arbeitnehmervertreter ein Ultimatum: Bis zur kommenden Betriebsversammlung am 10. Dezember soll das Management die Abbaupläne zurücknehmen. „Wir brauchen eine Vision für diesen Standort“, so Gruschka. „Wir fordern ein Zukunftskonzept!“