Gesamtbetriebsratschef Benjamin Gruschka über Kurzarbeit, den stockenden Absatz der E-Autos und wie es am Standort Köln weitergeht.
Krise bei Ford„Ford braucht in Europa einen Elektro-Kleinwagen"
Herr Gruschka, wie ist die Stimmung in der Ford-Belegschaft nach der Ankündigung, dass es bis zu den Weihnachtsferien drei Wochen Kurzarbeit geben wird?
Benjamin Gruschka: Die Stimmung ist natürlich getrübt, keiner ist glücklich über Kurzarbeit. Wir sind wegen der Verzögerung beim Explorer erst im Sommer gestartet und alle hatten sich wieder wirklich auf das Autobauen gefreut.
Warum war der Schritt nötig und warum hat der Betriebsrat dem zugestimmt?
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Die wirtschaftliche Situation und der stockende Verkauf von E-Autos machte den Schritt erforderlich. Was wäre denn die Alternative – die Kollegen unbezahlt nach Hause zu schicken geht schließlich nicht.
Wie geht es nach den Werksferien zu Weihnachten weiter? Nur einzelne Tage Kurzarbeit oder längere Strecken?
Das kann man heute noch gar nicht abschätzen, dafür ist es noch viel zu früh.
Die gesamte Branche leidet, nicht nur die Hersteller, sondern auch die Zulieferer. Fast täglich kommen neue Hiobsbotschaften zu Stellenabbau oder Werksschließungen.
Der Standort Deutschland muss Industriestandort bleiben. Betrachtet man den Anteil am Bruttoinlandsprodukt, ist die Autoindustrie immer noch eine Schlüsselbranche. Die drastischen Einschnitte bei VW, Thyssen, Schaeffler, Conti oder ZF sorgen für erhebliche Unruhe und Ängste in der Belegschaft.
Ford leidet wie die anderen Hersteller unter der Abschaffung der E-Förderprämie. Welche Erwartung haben Sie an den jetzigen oder nächsten Kanzler?
Nach dem Bruch der Ampelkoalition hat Olaf Scholz eine Stärkung der Automobilindustrie angekündigt. Meine Forderung wäre eine Wiederaufnahme der Förderung – und das so schnell wie möglich, am besten noch dieses Jahr. Und zweitens, dass die Politik – unabhängig davon, wer Kanzler ist - wieder für Ruhe und Sicherheit bei den Verbrauchern sorgt: Es muss klar sein, dass es keinen Rückzug aus der E-Mobilität gibt.
Ford setzt in Europa alles auf die E-Karte. Was hätte der Konzern im Vorfeld besser machen können?
Wenn wir ein breiteres Produktportfolio mit E-Autos und Verbrennern hätten, wäre das in der jetzigen Situation für das Unternehmen vorteilhafter. Aber mit Blick auf den Standort Köln, wo ausschließlich die beiden E-Modelle gebaut werden, wäre es technisch unmöglich, beides zu bauen. Fakt bleibt aber: Die EU-Gesetzgebung schreibt eine Co2-Reduktion vor – und so war es trotzdem richtig, alles auf die E-Karte zu setzen.
Capri und Explorer sind für klassische Ford-Kunden vergleichsweise teuer. Müsste das Unternehmen die Preispolitik überdenken?
Elektroautos sind aufgrund der Batterie generell derzeit noch teurer als Verbrenner. Ford liegt preislich gleich auf mit der Konkurrenz, etwa VW. Ford braucht aber sicher einen Elektro-Kleinwagen, damit man in diesem Segment wieder konkurrenzfähig ist.
Zur Person:
Benjamin Gruschka ist seit 2022 Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates bei Ford Deutschland und bei Ford Europa. Im Unternehmen ist er seit 1997. Er ist gelernter Elektroniker, studierte dann BWL und Marketing. Er war in der Jugendvertretung, seit 2006 ist er im Betriebsrat. Seit 2013 ist Gruschka zudem im Vorstand der IG Metall auf Bundesebene. Zuletzt hat er den Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie mitverhandelt. Ford hat in den vergangenen Jahren am Standort Köln bereits Tausende Stellen abgebaut. So hatte der Autobauer 2018 noch knapp 20 000 Beschäftigte, inzwischen sind es fast ein Drittel weniger. (cos)