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„Kurz, knackig, kämpferisch“Wie die SPD sich Mut mit Scholz macht

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) steht neben Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) steht neben Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus.

Nach Wochen des Zerwürfnisses nominiert der SPD-Vorstand den Bundeskanzler einstimmig zum Kanzlerkandidaten. Der beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte dafür in der vorigen Woche den Weg frei gemacht. Scholz sagt, er habe sich durchaus gefragt, ob er der Richtige sei. Aber dann lautet seine Antwort wieder siegesgewiss.

Normalerweise bedankt sich Olaf Scholz für jede Frage. Nicht aber für diese, die ihm am Montag nach seiner einstimmigen Nominierung zum Kanzlerkandidaten durch den SPD-Vorstand gestellt wird - nach zwei Wochen heftiger parteiinterner Debatte, ob anstelle des Bundeskanzlers nicht der beliebteste deutsche Politiker, Verteidigungsminister Boris Pistorius, die Kandidatur übernehmen sollte. Scholz hält wie die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil hier im Willy-Brandt-Haus zu Beginn einer Pressekonferenz eine Wahlkampfrede. Kurz vor Schluss des Auftritts will eine Journalistin aber doch noch wissen, ob er in den vergangenen Tagen einen Moment des Zweifels gehabt habe, wirklich der richtige Kandidat zu sein oder der SPD damit eher zu schaden.

Sein übliches Schönen-Dank-für-die-Frage fällt aus. Er sagt: „Zunächst geht es zuerst um unser Land.“ Er greift zurück auf die Kaiserzeit, damals schon hätten Genossinnen und Genossen um die Demokratie gekämpft, in der Weimarer Republik hätten sie sie verteidigt und auch unter den Nazis seien sie für sie eingetreten. „Und deshalb ist das für diese Partei immer wieder wichtig, dass wir wissen, es gibt etwas, das über uns hinausgeht“, betont er. Dann kommt er zur Gegenwart und der für einen Bundeskanzler harten Wirklichkeit, wenn man nicht von Anfang an auch als Kanzlerkandidat gesetzt ist.

Das einstimmige Votum ist eine Nachricht

Insofern ist das einstimmige Votum des Vorstands für Scholz tatsächlich eine Nachricht. Als Esken das Ergebnis mitteilt, brandet kurz Applaus von SPD-Anhängern auf, die auch zu der Pressekonferenz gekommen sind. Die Partei war zerrissen in der K-Frage, ob es Scholz oder Pistorius machen soll. Und die Parteispitze konnte offenbar erst wieder Fuß fassen, nachdem Pistorius am vorigen Donnerstag – selbst bestimmt, wie er betont – erklärt hat, nicht zur Verfügung zu stehen. Die Jusos werfen der SPD-Führung eine „Shitshow“ vor - von Führung könne man jedenfalls nicht sprechen. Begeistert zeigt sich der Parteinachwuchs von Scholz nicht.

Der Kanzler hingegen verweist auf eine „solidarische Kultur“ der SPD und sagt, er habe auch mit all seinen Kritikern gesprochen. Er glaube, dass die Jusos nicht wollten, dass ich ein anderer werden soll“. Er versichert: „Diejenigen, die sich öffentlich geäußert haben, stehen hinter mir und hinter dieser Entscheidung.“ Und beteuert: „Ich fand es in Ordnung, dass darüber kurz inne gehalten wurde.“

„Ich bin nicht bange“

Es sei schwer gewesen, die Ampel-Regierung zu bilden und sie zusammenzuhalten. Die SPD habe es zu keinem Zeitpunkt kompliziert gemacht, sie habe das Heizungsgesetz nicht erfunden - das waren die Grünen. Und sie habe auch nicht die Kosten für die Ukraine-Hilfe zu Lasten der Sozialpolitik gehen lassen wollen - das sei die FDP gewesen. Wie zuvor Esken, beschimpft er noch einmal vor allem die FDP. Am Ende sei es richtig und notwendig gewesen, diese Regierung zu beenden, bekräftigt Scholz.

Schließlich beantwortet er die Frage aber zumindest halb: „Man würde mich falsch kennen, wenn man glaubt, dass ich mir diese Frage nicht ganz unabhängig von der öffentlichen Debatte - und auch längst davor - immer wieder gestellt habe.“ Nun sei es aber „ein gutes Gefühl zu wissen, dass wir gemeinsam inne gehalten und uns jetzt aber entschlossen haben.“ Die SPD wolle geschlossen erreichen, was uns auch bei der Bundestagswahl 2021 gelungen sei: „Nämlich, dass die SPD von den Bürgern und Bürgern dieses Landes ein Votum bekommt, stärkste Partei zu werden.“ Die Entscheidung werde zwischen ihm und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU). Scholz gibt sich siegesgewiss: „Ich bin nicht bange, was das Urteil der Bürgerinnen und Bürger betrifft.“

„Das geht in die Hose“

Am 16. Dezember wird Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, die er verlieren muss, damit es wie geplant am 23. Februar zur Neuwahl kommt. Manchen Sozialdemokraten werde es schwer fallen, Nein zu einem sozialdemokratischen Kanzler zu sagen, heißt es in der SPD. Dennoch müssen sie das wohl geschlossen machen, wenn sie kein Chaos in Kauf nehmen wollen für den Fall, dass die AfD Scholz aus taktischen Gründen wählen würde. Für den 11. Januar ist dann der SPD-Bundesparteitag angesetzt, wo die Delegierten Scholz` Kanzlerkandidatur besiegeln sollen.

Die SPD überträgt den Auftritt im Willy-Brandt-Haus live auf Youtube. In der Kommentarspalte tummeln sich nicht nur Fans von Scholz. „Die Basis möchte etwas anderes“, schreibt jemand über seine Kandidatur. „Das geht in die Hose“, prognostiziert ein anderer. Die K-Frage der SPD ist jetzt aber erklärt. Und Esken nennt drei weitere K´s für den Wahlkampf. Er werde „kurz, knackig und kämpferisch“ sein. Sie und Klingbeil und Scholz kündigen an, es werde um soziale Gerechtigkeit, eine auskömmliche Rente, Arbeitsplätze, einen höheren Mindestlohn, bezahlbaren Wohnraum (ihr Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnung zu schaffen, hat die SPD in der Regierung deutlich verfehlt).

Die SPD muss viel aufholen, um zu gewinnen. Sie liegt in Umfragen derzeit bei 15 Prozent, die Union wird mehr als doppelt so stark eingeschätzt.