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„Ein Umgang, der unter aller Kanone ist“SPD-Politiker Stephan Weil schießt gegen Finanzminister Christian Lindner

Lesezeit 4 Minuten
SPD-Politiker Stephan Weil fand bei „Markus Lanz“ deutliche Worte in Bezug auf die getrennten Wirtschaftsgipfel von Christian Lindner und Markus Lanz. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

SPD-Politiker Stephan Weil fand bei „Markus Lanz“ deutliche Worte in Bezug auf die getrennten Wirtschaftsgipfel von Christian Lindner und Markus Lanz. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Bei „Markus Lanz“ äußerte sich SPD-Politiker Weil zur Krise bei VW und schoss gleichzeitig scharf gegen den Finanzminister.

In dieser Woche sorgten Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner für mächtig Ärger, als sie zu zwei separaten Wirtschaftsgipfeln einluden. Die konkurrierenden Gipfel kamen zu einer Zeit, in der die deutsche Wirtschaft einen neuen Tiefpunkt erreicht hat, denn erst am Montag verkündete der deutsche Automobilhersteller Volkswagen drei Werkschließungen und Zehntausende Kündigungen. Journalistin Julia Löhr merkte dazu am Mittwochabend bei „Markus Lanz“ an: „VW steckt in einer tiefen Krise und da würde ich auch durchaus die Politik als mit schuldig daran sehen, weil sie eben lange Zeit weggeschaut hat und versäumt hat, radikale Schritte auch mitzutragen.“

Journalistin Julia Löhr erklärte bei „Markus Lanz“, dass sie in der VW-Krise auch ein Versagen der Politik sehe.

Journalistin Julia Löhr erklärte bei „Markus Lanz“, dass sie in der VW-Krise auch ein Versagen der Politik sehe.

Als der ZDF-Moderator Markus Lanz daraufhin wissen wollte, an welcher Stelle die Politik genau versagt habe, antwortete Löhr: „Toyota und VW waren 2016 ungefähr gleichauf, haben beide etwas mehr als zehn Millionen Autos verkauft. Und dann ist die Schere auseinandergegangen. VW ist jetzt bei neun Millionen verkauften Autos im Jahr und Toyota ist bei elf Millionen. Und Toyota hat 380.000 Mitarbeiter und VW hat 680.000 Mitarbeiter. (...) Finde den Fehler.“

Stephan Weil, Vorsitzender der SPD in Niedersachen - das Bundesland ist mit 20 Prozent größter Einzelaktionär bei VW -, reagierte empört und konterte: „Da vergleichen Sie Äpfel mit Birnen!“ Weil wetterte weiter, dass „Volkswagen traditionell sehr viel stärker als Toyota auch Dinge in eigener Regie macht, während Toyota sehr viel konsequenter ist bei der Auslagerung. (...) Also das sind da an dieser Stelle unterschiedliche Strategien“.

Journalistin Julia Löhr wettert gegen deutsche Politik: „Einfach schlechtes Handwerk“

Als Stephan Weil weiter sagte, dass bei Volkswagen bereits konsequente Umbaumaßnahmen gestartet worden seien, sagte Julia Löhr unbeeindruckt, dass es noch „Puffer“ und Raum für Verbesserungen gebe. „Es gibt im Volkswagen-Konzern Werke, die zu weniger als 20 Prozent ausgelastet sind“, so die Journalistin. Lanz fügte energisch hinzu: „Osnabrück zum Beispiel!“ Julia Löhr nickte und sagte mit Blick auf Stephan Weil: „Zu sagen, die Politik hat da keine Fehler gemacht und da wird schon konsequent umgebaut, da wäre ich jetzt nicht ganz bei Ihnen.“ Weil räumte daraufhin ein paar Fehler in der Politik ein und gab unter anderem zu: „Die Abschaffung der Kaufprämie für E-Autos war ein Fehler.“ Dem konnte die Journalistin nur zustimmen und sagte streng: „Wie es geschah, (...) war es einfach schlechtes Handwerk.“

SPD-Politiker Stephan Weil wollte im Gespräch mit dem ZDF-Moderator Werkschließungen bei VW ausschließen. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

SPD-Politiker Stephan Weil wollte im Gespräch mit dem ZDF-Moderator Werkschließungen bei VW ausschließen.

Markus Lanz hakte daraufhin interessiert bei dem SPD-Politiker nach: „Schließen Sie Werkschließungen aus?“ Weil reagierte zwar schwammig, sagte aber, dass er definitiv „bessere Alternativen“ sehe, „weil da, wo ich eine Industrie einmal abziehe, kommt sie nicht wieder“. Er fügte hinzu: „Wir haben jetzt eine schwierige Phase, ich bin allerdings ziemlich sicher, wenn es die deutsche Automobilindustrie - nicht nur Volkswagen - richtig macht, dann wird man auch wieder wesentlich bessere Zeiten erleben.“ Die Hoffnung konnte Julia Löhr nicht ganz teilen. Sie konterte: „Wenn das Unternehmen nicht wettbewerbsfähig ist, (...) dann wird das nicht mehr funktionieren.“ Löhr fragte in dem Zusammenhang: „Womit wollen Sie die ganzen Werke in Deutschland auslasten? Ich seh's nicht!“ SPD-Politiker Weil antwortete prompt: „Wenn ich das so platt sagen darf: mit anderen Produkten!“

Stephan Weil unterstellt Christian Lindner, dass er mit seinem Wirtschaftsgipfel zeigen wolle, „wie bedeutend er ist“

Mit Blick auf die Wirtschaftskrise im Land wollte Markus Lanz von dem SPD-Politiker auch wissen, wie er die getrennten Wirtschaftsgipfel von Christian Lindner und Olaf Scholz bewerte. „Haben die den Ernst der Lage verstanden?“, so Lanz. Stephan Weil antwortete vorsichtig: „Dass der Bundeskanzler einen Kreis von Leuten einlädt, mit denen er darüber redet, was muss eigentlich passieren, finde ich völlig normal.“ Dennoch stellte er klar: „Dass dann der Bundesfinanzminister einen richtig öffentlichen Gegengipfel (...) als Konkurrenz aufbaut, ist schon ein ziemlich dicker Hund. (...) Das wirft sicherlich Fragen des regierungsinternen Umgangs miteinander auf.“

Als Lanz nachhakte, warum Christian Lindner so etwas überhaupt mache, sagte Weil genervt: „Ich nehme mal stark an, um zu zeigen, wie bedeutend er ist. Aber so kann man in einer solchen Situation von deutscher Wirtschaft nicht vorgehen.“ Laut Weil sei es daher „ein Umgang, der unter aller Kanone ist“. Grund genug für den ZDF-Moderator, den Politiker zu fragen, ob die Ampelkoalition noch vor Weihnachten zerbreche. Dazu sagte Stephan Weil vielsagend: „In der Politik schließe ich nie irgendetwas aus!“ (tsch)