In der Endphase des Wahlkampfs trafen Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bei „Maischberger“ aufeinander. Speziell beim Thema Bürgergeld kochten die Emotionen hoch.
„Weder christlich noch vernünftig“Heil unterstellt Linnemann beim Bürgergeld „Stimmungsmache“

Beim Thema Bürgergeld wurde es zwischen CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (links) und Hubertus Heil emotional. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)
Copyright: WDR / Oliver Ziebe
Am Sonntag wird in Deutschland gewählt. Angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse ist die Rückkehr der großen Koalition ein realistisches Szenario. Ehe es jedoch zu einer Zusammenarbeit von Union und SPD kommt, dürften komplizierte Koalitionsverhandlungen anstehen. Am Mittwochabend machten bei „Maischberger“ CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einmal mehr klar, wie weit die Parteien mitunter programmatisch auseinanderliegen - unter anderem beim Bürgergeld.
Die Union will mehr Bürgergeldempfänger in Arbeit bringen. Linnemann wurde in diesem Punkt deutlich: „Wir sagen, wenn jemand arbeiten kann, der muss arbeiten gehen, ansonsten gibt es keine Sozialleistung.“ Bei einer Arbeitslosenquote von aktuell 6,4 Prozent könnte das auch Sinn ergeben. Doch Heil zeigte einen Denkfehler auf: „Laut Bundesagentur für Arbeit gibt es 16.000 bis 17.000 Totalverweigerer.“ Für die könne man „Leistungen total streichen“.

Wenige Tage vor der Bundestagswahl empfing Sandra Maischberger am Mittwochabend CDU-Politiker Carsten Linnemann (links) und SPD-Mann Hubertus Heil. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)
Copyright: WDR / Oliver Ziebe
Anders sei Heil zufolge die Lage bei etwa 1,8 Millionen Menschen, die ohne Ausbildung seien. „Da ist es sinnvoller, die zu qualifizieren, um sie in Arbeit zu bringen“, warb Heil für Schulungen etwa für Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen. „Wenn wir wollen, dass Arbeit sich lohnt, dann sollten wir nicht nach unten treten, sondern dafür sorgen, dass sich Arbeit mehr lohnt“, forderte der SPD-Mann.
„Ich trete hier auf niemanden“: Linnemann wehrt sich gegen Vorwürfe von Heil
Das sei unter anderem „durch bessere Löhne, Stichwort Mindestlohn, Stichwort Tarifbindung, Entlastung unterer und mittlerer Einkommen“, möglich. Das halte Heil für den „richtigen Weg, aber nicht, Niedriglöhner gegen Menschen, die arm sind, ausspielen“. In diesem Zusammenhang wetterte er gegen Carsten Linnemann und die Union: „Das ist weder christlich noch vernünftig, und das löst kein Problem. Das ist Stimmungsmache. Und das hat bei Ihnen langsam Methode.“

Hubertus Heil warb bei „Maischberger“ für den „Made-in-Germany-Bonus“ für Unternehmen. Damit will die SPD die kränkelnde deutsche Wirtschaft wieder ankurbeln. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)
Copyright: WDR / Oliver Ziebe
Linnemann verteidigte sich umgehend: „Ich trete hier auf niemanden. Für mich sollten die, die nicht arbeiten können, weil sie körperlich kaputt sind, wegen mir noch mehr bekommen.“ Stattdessen erklärte der Generalsekretär der CDU: „Mir geht es darum, dass es sehr viele Menschen gibt, die dieses Sozialsystem ausnutzen. Niemand muss in Deutschland arbeiten. Aber wer Sozialleistungen bekommt und arbeiten kann, der kann einfach nicht erwarten, dass Menschen für ihn bezahlen, die jeden Tag arbeiten gehen.“ Letzerer Fall passiere im Moment, was Linnemann bilanzieren ließ: „Das ist nicht gerecht.“
Für Linnemann ist die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands „Priorität Nummer eins“
Nicht nur innenpolitisch, auch außenpolitisch erwarten Deutschland in den kommenden Jahren große Herausforderungen - nicht zuletzt nach dem Amtsantritt von US-Präsident Trump. Deutschland wird mehr Geld für die Verteidigung benötigen als gedacht. Das muss irgendwoher kommen. Linnemann verdeutlichte: „Wir werden uns verteidigungspolitisch komplett neu aufstellen. Wir haben in den letzten Jahren viel zu wenig getan, auch wir, als wir regiert haben. Die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands herzustellen muss jetzt die Priorität Nummer eins sein.“
Dafür sei ein „Mentalitätsawandel“ nötig, forderte der Unions-Politiker: „Wir müssen das Thema Eigenverantwortung wieder ernst nehmen und müssen deutlich machen, dass wir uns alle anstrengen müssen.“ Ja, viele Menschen seien auch dazu bereit. Aber eben nicht alle. „Wir brauchen auch Reformen im sozialen Bereich, beispielsweise beim Bürgergeld, damit es wieder gerecht in Deutschland zugeht.“ Es gebe jetzt drei wichtige Prioritäten: die Verteidigungsfähigkeit, die Entlastung der unteren und mittleren Einkommen und des Mittelstandes, sowie alles, was mit Zukunft, Bildung und Innovation zu tun habe. Und das alles trotz der Schuldenbremse, an der Linnemann festhalten will.
Heil rechnet mit Finanzkonzept von CDU/CSU ab: „90 bis 100 Milliarden Euro Löcher in die Kassen“
„Aber es geht ja nicht darum, die Schuldenbremse abzuschaffen“, intervenierte Heil, „sondern es geht darum, wie die meisten Ökonomen wie der BDI oder die Deutsche Bundesbank zu sagen, wir brauchen mehr Spielräume für Investitionen.“ Dafür plädiere die SPD, um die Wirtschaft zu unterstützen. „Jetzt gucke ich mir Ihr Finanzkonzept an, das haben Institute berechnet: 90 bis 100 Milliarden Euro Löcher in die Kassen, und dann vor allem sehr wohlhabende Menschen zu entlasten, nicht die unteren Einkommen.“
Das führe dazu, dass der Staat nicht in die Infrastruktur investieren könne, die Deutschland wirklich brauche: „Wir sagen, wir müssen die Wirtschaft ankurbeln, indem wir zum Beispiel jetzt für Investitionen im privatwirtschaftlichen Bereich sorgen. Wir nennen das einen Made-in-Germany-Bonus. Sie wollen großen Konzernen die Steuern senken, aber dann weiß man nicht, wo das Geld in der Welt investiert ist. Wir wollen hier in Deutschland in Arbeitsplätze investieren.“ (tsch)