Köln – Wer mit mehreren Bewerbern um eine Stelle bei einem Unternehmen kämpft, sollte am besten nicht morgens zum Vorstellungsgespräch gehen. Grund: Diejenigen, die über die Einstellung entscheiden, geben den ersten Kandidaten in einer Bewerberrunde wahrscheinlich schwächere Noten.
„Es ist ganz menschlich, bei den ersten Kandidaten keine Bestnoten zu vergeben“, erklärt Matthias Sutter, österreichischer Ökonom mit Kölner Lehrstuhl, im Wirtschaftspodcast „ekonomy mit K“ des „Kölner Stadt-Anzeiger. Denn so halte man sich bei der Bewertung Luft nach oben für mögliche weitere Kandidaten zum Ende der Runde. Für Bewerber gebe es den empirisch belegten „kleinen Vorteil, hinten im Feld zu sein bei diesen Gesprächen“.
Insgesamt fünfzig wissenschaftliche Erkenntnisse zu allen Karrierestufen hat Sutter in seinem neuen Buch „Der menschliche Faktor“ (Hanser-Verlag) zusammengetragen. Sie basieren vor allem auf verhaltensökonomischen Experimenten, dem Spezialgebiet Sutters. An der Kölner Universität ist er Professor für „Design and Behavior“, in Bonn leitet er das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern und ist damit Experte, wie menschliches Verhalten wirtschaftliche Entscheidungen beeinflussen kann.
So sei es derzeit für viele Beschäftigte attraktiv, von zu Hause zu arbeiten und viele fragten dies nach. Doch ein bisschen drohe damit für potenzielle Beförderungen „aus dem Auge aus dem Sinn“. Mehrere Studien zeigten, dass Home Office schlecht für die eigene Karriere sein könne, so Sutter.
Denn wen man über eine Beförderung entscheide, habe man ein besseres Gefühl uns sei sich sicherer bei der Wahl, wenn man die Kandidatin „immer wieder sehen" und etwa erleben könne, „wie die motivieren kann“. Die Beurteilung von menschliche Führungseigenschaften falle wesentlich schwerer bei bloßem virtuellen Kontakt, weil viele zwischenmenschliche Informationen verloren gingen.
Was macht einen Arbeitgeber attraktiv?
Die Erforschung des menschlichen Verhaltens führe auch dazu zu zeigen, dass in der Wirtschaft nicht alle nach dem Verdienstmaximum strebten. „Es geht nicht nur darum, dass ich ins Büro zu gehe, um einen Euro mehr zu verdienen, sondern auch darum, dass ich dort ernst genommen und fair behandelt werde“, sagt Sutter.
Podcast „ekonomy mit K“
Das komplette Gespräch mit Matthias Sutter können Sie auf allen gängigen Podcast-Plattformen wie Apple Podcasts, Spotify oder Deezer hören. Suchen Sie dort dazu nach „ekonomy mit K“ oder „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Unter anderem finden Sie dort auch Interviews mit Santos Grill-Geschäftsführer Daniel Schellhoss, Art-Invest-Chef Markus Wiedenmann oder Mühlenkölsch-Chefin Melanie Schwartz.
Wenn Sie dem Podcast folgen, verpassen Sie keine der künftigen Ausgaben. Alternativ können Sie das Gespräch auch hier hören.
Über zu geringe Anerkennung hatten Pflegekräfte in der Corona-Pandamie geklagt und Menschen applaudierten von ihren Balkonen symbolisch für die Pflegenden. „Ich glaube es ginge diesen Pflegekräften heutzutage viel besser wenn die ersten sechs Monate nicht gelatscht worden wäre – das ist ein richtiger Hohn“, sagt Sutter rückblickend.
Denn der Berufsstand sei beklatschet worden und dann gesagt worden, wir können es uns nicht leisten die Arbeitsbedingungen und personelle Ausstattung zu verbessern. Aber es sei nett applaudiert worden. „Das halte ich für zynisch und widerspricht jeder Fairness-Vorstellung.“