Weidel empörtDarf Klingbeil die AfD als „Nazis“ bezeichnen? Kölner Jurist antwortet

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Alice Weidel (v.l.n.r.), Lars Klingbeil, Sahra Wagenknecht, Omid Nouripour, Friedrich Merz und Christian Lindner im Studio von RTL/n-tv nach der Europawahldpa

Alice Weidel (v.l.n.r.), Lars Klingbeil, Sahra Wagenknecht, Omid Nouripour, Friedrich Merz und Christian Lindner im Studio von RTL/n-tv nach der Europawahl

Am Abend der Europawahl hat SPD-Chef und Wahlverlierer Lars Klingbeil von der AfD als „Nazis“ gesprochen. Alice Weidel war sauer.

Ist die AfD eine „Nazi-Partei“, wie Lars Klingbeil dies in der „Elefantenrunde“ bei n-tv behauptet hat? Der SPD-Chef saß zusammen mit den anderen Vorsitzenden der großen Parteien im Studio und diskutierte über den für die Genossen äußerst unerfreulich verlaufenen Wahltag. Es ging um den Rechtsruck, der von der Europawahl ausgegangen ist. 

„Ich glaube auch, dass das Ergebnis der Europawahl viele Menschen nochmal wachrüttelt, dass die Nazis bei dieser Wahl stärker geworden sind, und ich glaube da wachen viele auf und kämpfen für die Demokratie“, sagte Klingbeil. Das empörte die neben ihm sitzende Alice Weidel. „Sie haben mich und die Partei gerade als Nazis bezeichnet? Das ist eine Unverschämtheit“, sagte die AfD-Chefin, deren Partei 15,9 Prozent erzielte und die SPD deutlich hinter sich gelassen hatte.

Klingbeil bekräftigte Weidels Frage mit einem klaren „Ja“. Auch am folgenden Tag verteidigte er seine „Nazi“-Äußerung. Bei der Partei werde „SS-Rhetorik geschwungen“, sagte er. „Man kann die nicht wie eine normale demokratische Partei behandeln“, betonte Klingbeil.

AfD: Hendrik Wüst und Manfred Weber sprechen von „Nazis“

Klingbeil ist nicht der einzige, der die AfD in der vergangenen Zeit so bezeichnete. Auch der EVP-Parteivorsitzende und Fraktionschef im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), nutze nach der Europawahl den Nazi-Begriff. „Wir werden Europa gegen die Neonazis der AfD verteidigen“, sagte Weber im ZDF.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete die Rechtspopulisten in den vergangenen Monaten ebenfalls mehrfach als „Nazi-Partei“, so auch im Januar. Er sagte weiter: „Die AfD ist – und das zeigt sich immer klarer – eine Partei, in der stramme Nazis den Takt angeben“. Im Mai hatte Wüst bei einer Kundgebung nach dem Angriff auf SPD-Politiker Matthias Ecke gesagt: „Wer denkt wie ein Nazi, wer redet wie ein Nazi, den müssen wir als Nazi bezeichnen“.

Regelmäßig werden diese Vergleiche von AfD-Vertretern und Anhängern zurückgewiesen. Dies sei diffamierend. AfD-Politikerin Erika Steinbach sieht in der Klingbeil-Äußerung eine „Stigmatisierung“ und einen „Akt der Verzweiflung der Altparteien“. Nach der „Elefantenrunde“ kündigte die AfD nach Angaben von n-tv sogar an, rechtliche Schritte gegen Klingbeil zu prüfen.

Mehrere Gerichtsurteile gegen die AfD und Björn Höcke

Dies dürfte allerdings in der Praxis schwierig werden. Die AfD darf weiter vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden, wie das Oberverwaltungsgericht in Münster kürzlich entschied. Migranten auch mit deutschem Pass würden verbal systematisch ausgegrenzt. Auch der Verdacht, dass die Bestrebungen der AfD die Menschenwürde von Ausländern und Muslimen missachten, sei gerechtfertigt. Anhaltspunkte für demokratiefeindliche Bestrebungen seien ebenfalls vorhanden, so das OVG in seiner Begründung. 

2019 urteilte zudem ein Gericht, dass Björn Höcke „Faschist“ genannt werden darf, und erst kürzlich war der Thüringer AfD-Chef wegen der Nutzung einer SA-Parole zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Begriff „Faschisten“ für AfD eher unproblematisch

Aber kann man AfD-Mitglieder pauschal Nazis oder Faschisten nennen? Der Jurist Luca Manns vom Institut für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln, dessen Direktor Professor Markus Ogorek ist, sagt dazu: „Aussagen gegenüber ganzen Parteien fallen natürlich zwangsläufig pauschaler aus als solche in Bezug auf eine einzelne Person.“

Insbesondere das Personal der AfD sei alles andere als homogen, sodass bei kritischen Äußerungen eine gewisse Einschätzungsbefugnis der Äußernden bestehen müsse – etwa, als wie prägend der besonders radikale Flügel um Björn Höcke für die Gesamtpartei angesehen werde. Als „Faschisten“ würden auch andere Parteien wie der Rassemblement National in Frankreich bezeichnet, sodass Manns diese Äußerung für zulässig hält.

Kölner Jurist: „Kluges Vorgehen“ von Ministerpräsident Wüst

Bei „Nazis“ müsse man allerdings genauer hinschauen. Dies gelte insbesondere bei Hendrik Wüst: Denn anders als Klingbeil oder Weber ist er Inhaber eines Regierungsamtes. Sollte Wüst seine „Nazi“-Äußerungen als Ministerpräsident getätigt haben, unterfielen sie als staatliche Information besonders hohen Hürden.

„Wüst ist allerdings so klug, bei seinen Nazi-Vergleichen auch die Herleitung anzubieten, also dass er die AfD aufgrund nazistischer Führungspersonen insgesamt für NS-nah halte“, sagt der Kölner Jurist. Wüst schramme an den rechtlichen Grenzen entlang, verletze sie jedoch wohl noch nicht.

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