Kommentar zum AfD-ParteitagEine faschistische Kraft hat sich radikalisiert und professionalisiert

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Die AfD hat ihren Bundesparteitag in Essen abgehalten – begleitet von viel Protest.

Die AfD hat ihren Bundesparteitag in Essen abgehalten – begleitet von viel Protest.

Die AfD ist ein lernfähiges System. In kürzester Zeit hat die Rechtsaußen­partei die Skandale im Europa­wahlkampf hinter sich gelassen.

Bei der AfD gab es bisher immer eine Konstante: Die Brüche, die Zerrissenheit der sich immer wieder häutenden Rechtspartei drangen auf den Parteitagen an die Oberfläche. Personaldebatten waren Ausdruck tiefer inhaltlicher Konflikte.

In Essen an diesem Wochenende schien eine neue Partei aufzutreten. Eine „Altpartei“, in der alle Konflikte bereits im Vorfeld abgeräumt sind, in denen die Listenplätze im Hinterzimmer ausgekungelt werden. Die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla wurden beide ohne Gegenkandidaten mit sehr ordentlichen Ergebnissen wiedergewählt. Auch der Rest des vorher abgesprochenen Vorstandstableaus geht durch, die Mehrzahl ebenfalls ohne Gegenkandidierende.

AfD: Björn Höcke fast unsichtbar in Essen

Anträge, die Zoff versprachen, wurden entweder zurückgezogen oder entschärft. Keine Debatte mehr über den verkorksten Europawahlkampf und die halb verweigerte Solidarität mit den Skandal-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron.

Auch der Thüringer Rechtsextreme Björn Höcke, der bisher jede Zusammenkunft zur Selbstdarstellung genutzt hat, war in der Essener Grugahalle dieses Mal fast unsichtbar, ging erst am zweiten Tag ans Rednerpult. Die von ihm in den vergangenen Jahren forcierte Debatte, ob die AfD von einer Einerspitze geführt werden soll, wird dieses Mal nach wenigen Minuten abgebrochen und sich für das „Weiter-so“ entschieden.

Selbstkritisch sind nur die Vorsitzenden: Man habe mindestens 4 Prozent bei der Europawahl liegen gelassen, räumt Chrupalla auf der Bühne ein. Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sieht der Parteichef schon „die Sonne der Regierungsbeteiligung im Osten aufgehen“.

Erwartungsmanagement ist noch ein Fremdwort für die AfD. Und das ist ein Problem. Denn Chrupalla weiß es eigentlich besser: Auch wenn die Rechtsaußen dreimal als stärkste Partei ins Ziel kommen könnte, die Regierungsbeteiligung ist mangels Koalitionspartnern dieses Mal noch äußerst unwahrscheinlich, wenn nicht ausgeschlossen.

AfD ist vereint in ihrem Hass auf die liberale Demokratie der Bundesrepublik

Sollte aber die AfD im Herbst mit leeren Händen dastehen, wird der Essener Burgfrieden nicht lange halten. Denn die Differenzen zwischen den verschiedenen Parteigruppierungen sind nicht beigelegt, sondern nur unter dem Deckel gehalten.

Dennoch: Niemand von den politischen Gegnern kann mehr erwarten oder darauf hoffen, dass sich diese Partei auf dem Weg zur Macht selbst ein Bein stellt.

Und wer die Bewerbungsreden hört, kann keinen Zweifel mehr haben, dass sich hier eine offen faschistische Kraft gleichzeitig radikalisiert und professionalisiert. Die AfD ist vereint in ihrem Hass auf die liberale Demokratie der Bundesrepublik, auf die Gewaltenteilung, auf die offene Gesellschaft. Sie hat kaum noch ein parteiinternes Korrektiv.

Die AfD ist im elften Jahr ihres Bestehens noch nicht erwachsen, aber strategisch diszipliniert geworden. Und damit ist sie gefährlicher denn je.

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