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Neue Geheimdienst-ErkenntnisseWelche Rolle spielte Putin bei Nawalnys Tod?

Lesezeit 3 Minuten
Steckt Wladimir Putin hinter dem Tod von Alexej Nawalny? Die Familie des Kremlkritikers erhebt Mordvorwürfe, US-Geheimdienste haben offenbar andere Informationen. (Archivbild)

Steckt Wladimir Putin hinter dem Tod von Alexej Nawalny? Die Familie des Kremlkritikers erhebt Mordvorwürfe, US-Geheimdienste haben offenbar andere Informationen. (Archivbild)

Die Familie des in Haft gestorbenen Kremlgegners wirft Putin Mord vor. Nun sorgt ein US-Medienbericht für neuen Wirbel im Fall Nawalny.

US-Geheimdienste gehen laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ davon aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin den Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny nicht direkt angeordnet hat. Dies entbinde Putin zwar nicht von seiner Verantwortung, vertiefe aber das Rätsel um den Tod des im Februar in einem Straflager gestorbenen Dissidenten, schrieb die Zeitung unter Berufung auf Geheimdienstquellen. Zuvor hatte Nawalnys Team im Exil im Ausland unter anderem behauptet, Putin habe Nawalny töten lassen, um einen geplanten Austausch des Gefangenen mit im Westen inhaftierten Russen zu verhindern.

Die Einschätzung der US-Geheimdienste bestreite nicht die Schuld Putins an Nawalnys Tod, besage aber, dass er ihn zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht angeordnet habe, schrieb die Zeitung. Dieser Meinung seien etwa die CIA, das Büro der US-Geheimdienstkoordinatorin und die Nachrichtendienstabteilung des US-Außenministeriums. Einige europäische Nachrichtendienste seien über die US-Einschätzung informiert worden.

US-Geheimdienste bestreiten Putins Schuld an Nawalnys Tod nicht

Über die Todesursache Nawalnys hatte es schnell wilde Spekulationen gegeben. International sehen viele Regierungschefs die grundsätzliche Verantwortung für den Tod des Oppositionellen bei Kremlchef Putin. Der ukrainische Militärgeheimdienst (HUR) hatte den aufkommenden Mord-Vorwürfen in Richtung Putin jedoch bereits damals widersprochen. Nach Informationen des HUR sei Nawalny eines natürlichen Todes gestorben, erklärte Geheimdienstchef Kyrylo Budanow bereits Ende Februar.

„Ich werde Sie vielleicht enttäuschen, aber wir wissen, dass er an einem Blutgerinnsel gestorben ist“, antwortete Budanow auf eine Frage nach der Todesursache Nawalnys. Diese Information sei „mehr oder weniger bestätigt“ und nicht „dem Internet entnommen“. Der Kremlkritiker sei „leider“ auf natürliche Art und Weise gestorben, führte Budanow aus.

Vertrauter von Alexej Nawalny weist Bericht als naiv zurück: „Lächerlich“

Der russische Oppositionelle und enge Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow, der im März im litauischen Exil angegriffen und verletzt worden war, wies die Einschätzung der US-Geheimdienste im „Wall Street Journal“ als naiv zurück. „Die Vorstellung, dass Putin nicht informiert gewesen ist und die Tötung Nawalnys nicht gutgeheißen hat, ist lächerlich.“

Kremlkritiker Alexej Nawalny. Der Gegner von Wladimir Putin starb im Februar in einem russischen Straflager. Die Hintergründe seines Todes sind nicht aufgeklärt. (Archivbild)

Kremlkritiker Alexej Nawalny. Der Gegner von Wladimir Putin starb im Februar in einem russischen Straflager. Die Hintergründe seines Todes sind nicht aufgeklärt. (Archivbild)

Auch Slawomir Debski, Direktor des „Polnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten“, einer Warschauer Denkfabrik, bezweifelte die Einschätzung der US-Geheimdienste. „Nawalny war ein politisch hochrangiger Gefangener, und jeder wusste, dass Putin persönlich an seinem Schicksal interessiert war. Die Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten Todes dieser Art ist gering“, sagte Debski dem „Wall Street Journal“.

Bericht über Wladimir Putin: Kreml spricht von inhaltsleerer Lektüre

Der Kreml hält den Bericht der Zeitung nach eigenen Angaben für inhaltsleere Lektüre, um das weltweite Lesepublikum am Samstag bei Laune zu halten. „Ich würde nicht sagen, dass es sich um Material hoher Qualität handelt“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Der Kreml hatte immer wieder zurückgewiesen, etwas mit Nawalnys Tod zu tun zu haben.

Gleichwohl hatte Putin erklärt, dass er nichts gegen einen Austausch Nawalnys gehabt hätte. Dem Zeitungsbericht zufolge sollen US-Präsident Joe Biden und Kanzler Olaf Scholz eine Woche vor Nawalnys Tod über einen Vorschlag für einen Gefangenenaustausch gesprochen haben. Moskau hatte vor allem Interesse daran, einen in Deutschland wegen des Mordes an einem Georgier im Berliner Tiergarten inhaftierten Russen freizubekommen.

Nawalny starb am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen „Polarwolf“ in der sibirischen Arktisregion Jamal. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Der durch einen Giftanschlag 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im Totenschein von „natürlichen“ Ursachen die Rede. Nawalnys Angehörige sprechen von Mord. (mit dpa)