Der Mann, der sein Auto in eine Menschenmenge steuerte, hielt sich rechtmäßig in Deutschland auf. Seine Tat soll islamistisch motiviert gewesen sein.
Präsentierte sich als Fitness-InfluencerWas über den Tatverdächtigen von München bekannt ist
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Ein Auto wird am Einsatzort auf einen Abschleppwagen gehoben. In der Münchner Innenstadt ist ein Mann mit dem Fahrzeug in eine Menschengruppe gefahren.
Copyright: Matthias Balk/dpa
Die Bilder der Zerstörung aus der Münchener Innenstadt erinnern an die ebenso schreckliche Tat in Magdeburg, die sich wenige Tage vor dem vergangenen Weihnachtsfest ereignet hatte. Wieder steuerte ein Mann ein Auto in eine Menschengruppe, mit verheerenden Folgen. Mindestens 36 Menschen sind diesmal verletzt, einige schwer. Unter den Verletzten sind auch Kinder.
Der Autoanschlag auf die Demonstration der Gewerkschaft Verdi in München war nach vorläufiger Bewertung der Ermittler islamistisch motiviert. Der 24-jährige Beschuldigte habe in einer Vernehmung Äußerungen getätigt, die auf „eine religiöse Tatmotivation“ schließen ließen, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann am Freitag in München. Hinweise auf eine Einbindung in extremistische Organisationen gebe es aber nicht.
Der Vizepräsident des Münchner Polizeipräsidiums, Christian Huber, schildert den Vorfall so: Gegen 10.30 Uhr fährt ein 24 Jahre alter Asylbewerber aus Afghanistan mit seinem Auto hinter der Verdi-Demo her, überholt einen Polizeiwagen zur Absicherung der Gruppe, beschleunigt – und fährt in das Ende des Demonstrationszuges, zu dem mehrere Menschen ihre Kinder mitgebracht haben. Die Polizei schießt in Richtung des Verdächtigen und nimmt ihn fest.
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Feuerwehrleute und Polizisten stehen am Einsatzort in der Münchner Innenstadt, wo ein Fahrzeug in eine Menschengruppe gefahren ist.
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Laut Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) berichteten Augenzeugen vor Ort, dass das Auto mit hoher Geschwindigkeit auf die Menschenmenge zugefahren sei. Auf Fotos ist zu sehen, dass nicht nur die Motorhaube und die Windschutzscheibe des Wagens eingedrückt sind, sondern auch das Dach des Autos.
Afghane ist abgelehnter Asylbewerber mit Aufenthaltstitel
Der junge Afghane ist nach Worten von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ein abgelehnter Asylbewerber, er hatte jedoch einen gültigen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis. Herrmann sagte, „dass er eben im Moment nicht abgeschoben werden kann und er deshalb sich weiter in unserem Land aufhalten durfte.“ Daher „war der Aufenthalt des Täters bis zum heutigen Tage nach gegenwärtigem Erkenntnisstand absolut rechtmäßig“, so Herrmann am Abend.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll der Verdächtige vor der Tat einen islamistischen Post in den sozialen Netzwerken abgesetzt haben. Die bayerische Zentralstelle für Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft hat inzwischen die Ermittlungen aufgenommen. Das sagte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) in der Nähe des Tatorts.
Nach dem mutmaßlichen Anschlag durchsuchten Ermittler die Wohnung des Tatverdächtigen. Die soll sich in einem Mehrfamilienhaus im Münchner Stadtteil Solln befinden. In der Wohnung soll der 24-Jährige zuletzt gewohnt haben.
Tatverdächtiger von München arbeitete als Ladendetektiv
Erste Berichte, dass der Mann wegen Ladendiebstahls und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz aufgefallen sei, dementierte Bayerns Innenminister Herrmann am Abend. Vielmehr habe der Afghane selber als Ladendetektiv für zwei Sicherheitsfirmen gearbeitet, so sei es zu dem Missverständnis gekommen.
Über eine Verlängerung des Aufenthaltstitels sei zuletzt noch nicht entschieden gewesen – die Erlaubnis habe somit weiter gegolten, bis zu einer Entscheidung.
Tatverdächtiger präsentierte sich in sozialen Netzwerken als Fitness-Influencer
Der Tatverdächtige kam Ende 2016 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland. Er hatte sich zuvor in Italien aufgehalten. Kurz nach seiner Ankunft in Deutschland wurde bei dem damals 15-Jährigen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Das ist bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten nicht selten. Die Ursachen dafür liegen oft in Erlebnissen im Herkunftsland - etwa Kriegsgeschehen - oder in den Umständen der Flucht.
Sein Asylverfahren wurde demnach im Jahr 2020 endgültig abgeschlossen, mit einem Ablehnungsbescheid und der Aufforderung zur Ausreise. Die Landeshauptstadt München habe dann aber im April 2021 einen Duldungsbescheid erlassen und im Oktober 2021 eine Aufenthaltserlaubnis. Der junge Mann habe eine Schule besucht und eine Berufsausbildung gemacht.
Der 24-jährige Afghane veröffentlichte Videos mit islamistischen Inhalten
In seiner Freizeit soll er ausgiebiges Bodybuilding-Training gemacht haben und auch an einer Meisterschaft teilgenommen haben. Auf Instagram präsentierte er sich als Fitness-Influencer und hatte rund 32.000 Follower, heißt es beim RND. Der Verdächtige betrieb auch mehrere Accounts in sozialen Netzwerken, die mittlerweile gesperrt oder gelöscht sind.
Der 24-Jährige soll Videos mit islamistischen Inhalten veröffentlicht haben, allerdings auch zahlreiche Videos, die mit einer streng-islamistischen Ideologie auf den ersten Blick kaum vereinbar scheinen, unter anderem weil Musik darin vorkomme, so der RND. Auch, dass er sich als Bodybuilder leicht bekleidet in den sozialen Medien zeigte, spricht eher gegen ein geschlossenes islamistisches Weltbild.
Nach Angaben Herrmanns gehen die Sicherheitsbehörden derzeit nicht von einem Zusammenhang mit der Münchner Sicherheitskonferenz aus, die am Freitag starten soll und zu der zahlreiche hochrangige Politiker erwartet werden.
Es gebe keinen Hinweis darauf, „dass es irgendeinen Zusammenhang mit der Sicherheitskonferenz gibt“, sagte Herrmann. Das Motiv des jungen Mannes sei noch unklar. „Im Moment gehen wir in der Tat davon aus, dass die Zielgruppe hier, dass die Opfer aus den Reihen dieser Verdi-Demonstration eher zufällig waren“, sagt Herrmann. „Aber auch dem muss natürlich nachgegangen werden.“
Der Tatverdächtige soll nach Polizeiangaben am Freitag einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. (mit RND/dpa)