In Berlin haben sich rund 8500 Bauern und Angehörige anderer Berufsgruppen mit 6000 Fahrzeugen vor dem Brandenburger Tor versammelt.
„Hau ab!“Wütende Bauern buhen Lindner aus – Polizei widerspricht Angaben zur Teilnehmerzahl
In Berlin findet am Montag (15. Januar) der Höhepunkt der Bauern-Aktionswoche statt. Aus Ärger über den von der Ampel-Regierung geplanten Subventionsabbau sind Traktoren und andere große Gefährte aus ganz Deutschland in die Hauptstadt gekommen. Vor dem Brandenburger Tor fand die Kundgebung statt, auf der auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) als Vertreter der Regierung am Montagmittag sprach. Viel zu hören war von seiner Rede allerdings nicht.
Bauern-Demo: Joachim Rukwied schätzt Teilnehmerzahl deutlich höher als Berliner Polizei ein
Zunächst begrüßte Bauernpräsident Joachim Rukwied alle neben Landwirten vertretenen Berufsgruppen wie Spediteure, Forstwirte, Handwerker oder auch Gastronomen. „Der Mittelstand“ wolle eine Neuausrichtung der Berliner Politik, sagte er. Rukwied sagte, er könne die Teilnehmer nicht zählen, aber seiner Einschätzung nach seien 30.000 Demonstranten vor Ort.
Die Berliner Polizei hatte fast zur gleichen Zeit allerdings noch von lediglich 8500 Teilnehmern und rund 6000 Fahrzeugen gesprochen. Allerdings würden immer noch weitere Demonstranten dazustoßen.
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Die Demonstration setze ein Zeichen an die Bundespolitik, sagte Rukwied weiter: „Es reicht, zu viel ist zu viel.“ Die Branche sei gesprächsbereit, der von der Bundesregierung angebotene Kompromiss sei aber nicht fair, sondern faul. „Den nehmen wir nicht hin“, so Rukwied kämpferisch. Die Demonstranten seien im übrigen aufrechte Demokraten und stünden zum Grundgesetz, in die rechte Ecke wolle man sich nicht stellen lassen.
Bauern-Demo: Christian Lindner bekommt von Jung-Landwirtin die gelbe Karte
Anschließend erklärte sich Dirk Engelhardt vom Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik solidarisch mit den Bauern. Vor Lindner direkt sprach Theresa Schmidt von der Deutschen Landjugend, die die Stimmung noch einmal anheizte. Hinter Schmidt auf der Bühne stand bereits der in der Berliner Kälte fröstelnde Finanzminister bereit.
Schmidt forderte Lindner auf, einen Schritt nach vorne zu treten, damit sie ihm in die Augen schauen könne. Sie bat um Respekt für Lindner, als das Publikum anfing zu pfeifen. Schmidt zeigte dem Minister eine gelbe Karte für die „zweite Halbzeit“ der Legislaturperiode. Die Kürzungen sollten zurückgenommen werden, sonst drohe die rote Karte.
Christian Lindner: Bauerndemos besser als Proteste der „Klima-Kleber“
Lindner schnäuzte sich mehrfach, bevor er das Wort ergriff. Wirklich zu Wort kam er jedoch nicht, weil ihm direkt lautes „Hau ab!“ entgegenschallte. Lindner sagte heiser, er höre die Landwirte und es sei eine „beeindruckende Kulisse“. Rukwied schritt ein und rief die buhende Menge dazu auf, Lindner zuzuhören. „Ihr Protest ist legitim und ihr Protest ist friedlich“, rief Lindner ins Mikro. Dafür danke er.
Er hob die Bauernproteste im Vergleich zu den „Klima-Klebern“, die das Brandenburger Tor beschädigt hätten, positiv hervor. Lindner sprach von der „linksextremistischen Unterwanderung“ der Klimaaktivisten, vor der gewarnt werden müsse.
Obwohl Lindner brüllend Verständnis für die Probleme der Landwirtschaft äußerte, ließ das Pfeifkonzert nicht nach. Er erklärte die Haushaltssituation der Bundesregierung. Man sei in einer schwierigen Situation. „Es soll und es darf kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben“, sagte Lindner. „Aber alle müssen ihren Beitrag leisten.“ Man habe bereits einen Kompromissvorschlag gemacht und die geplante Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte zurückgenommen.
Christian Lindner: Keine Leistungen fürs „Nichtstun“
Es ärgere ihn, dass Menschen „Leistungen für Nichtstun“ bekämen, sagte Lindner weiter. Daher würden die Zahlungen an Asylbewerber und Bürgergeldempfänger gekürzt, so Lindner zur aufgebrachten Menge.
Die versammelten Landwirte begleiteten seine Rede dennoch weiter mit lauten „Hau ab!“-Rufen, Hupen und Pfeifen. Aus einigen Hundert Metern Entfernung war Lindner trotz Lautsprecherübertragung höchstens bruchstückhaft zu verstehen, wie Reporter berichteten.
„Mir geht es nicht darum, die Landwirtschaft zu schwächen“, sondern es sollte nachhaltiges Unternehmertum gestärkt werden, so Lindner. Es könne nicht mehr staatliche Hilfe versprechen, aber mehr Freiheit und Vertrauen für die Arbeit der Landwirte, schloss Lindner, bis zum Ende begleitet von Pfiffen.
Bauernvertreter: Gespräch mit Ampelfraktionsspitzen ohne Ergebnis
Ebenfalls in Berlin fand am Montag ein Gespräch von Vertreterinnen und Vertretern aus der Landwirtschaft mit den Spitzen der Ampel-Fraktionen statt, das ohne Ergebnis blieb. „In Sachen Agrardiesel“ gebe es noch keine Lösung, sagte der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken. Er sehe hier aber noch „Handlungsspielraum“ im Zuge der anstehenden Beratungen im Bundestag über den Haushalt 2024.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, das Gespräch im Bundestag sei ein „erster Auftakt“ gewesen. Es sei ein „wichtiges Signal“, dass miteinander geredet werde. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann wies den Ruf nach neuen Kommissionen zur Zukunft der Landwirtschaft zurück. Es gebe mit Blick auf die Perspektiven für die Landwirtschaft kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsdefizit, sagte sie. „Dringend zu reden“ sei aber darüber, wie Einkommen „auf den Höfen“ bleibe.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kündigte an, der Bundestag wolle bis zur Sommerpause „klare strukturelle Entscheidungen treffen, die der Landwirtschaft Planungssicherheit bringen und auch Entlastung“.
Der Bauernverband kündigte unterdessen bereits weitere Demonstrationen an. (mit dpa)