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„Es hätte Schlimmeres passieren können“Aufregung über Panne der Bodyguards von Olaf Scholz

Lesezeit 4 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz in Begleitung von BKA-Sicherheitsbeamten am 24. Mai 2023 in Köln.

Bundeskanzler Olaf Scholz in Begleitung von BKA-Sicherheitsbeamten am 24. Mai 2023 in Köln.

Durch eine Sicherheitspanne kann ein Mann Körperkontakt zum Kanzler aufnehmen. Das BKA will den Vorgang „intensiv nachbereiten“.

Das Kanzleramt versucht, die Sicherheitspanne herunterzuspielen. „Kein großer Vorfall“, sagt Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner am Freitag in Berlin. „Der Bundeskanzler hat sich zu keiner Zeit bedroht gefühlt.“

Die Nachricht dahinter ist: Es ist noch einmal alles gut gegangen, der Kanzler ist wohlauf, es hätte aber auch dramatisch ausgehen können. Nicht auszudenken, hätte der Mann, der sich am Mittwochabend mit seinem Privatwagen in die Kolonne von Olaf Scholz einschleusen und mit ihm auf dem Rollfeld des Frankfurter Flughafens auf Tuchfühlung kommen konnte, mörderische Absichten gehabt.

Erstaunen bis Erschrecken

Bei Parteien – und sehr wohl auch im Kanzleramt – sowie bei der Polizei auf vielen Ebenen reicht danach die Stimmung dem Vernehmen nach von Erstaunen über Erschrecken bis Empörung. Das hätte nie passieren dürfen, heißt es übereinstimmend.

Büchner wird nach Vergleichsfällen gefragt. Ihm fällt so schnell nichts ein, außer dass der einstige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) 1991 in Halle mit Eiern beworfen wurde.

Die „Bild“-Zeitung berichtete, Scholz sei vom Frankfurter Sitz der Europäischen Zentralbank zum Flughafen gefahren worden und der 48-jährige Mann habe sich mit seinem Wagen - trotz nicht angemeldeten Kennzeichens - in den Konvoi eingereiht. Ebenso sei er nicht daran gehindert worden, die Sicherheitsschranke des Flughafens zu passieren. Dann sei er auf den Kanzler zugestürmt, als dieser auf dem Rollfeld aus seiner Limousine ausstieg, habe ihm die Hand geschüttelt und ihn dann auch gleich umarmt. Die Personenschützer waren nicht rechtzeitig zur Stelle.

Kanzler hat trotzdem Vertrauen in die Polizei

Die Regierung bestätigt den Bericht „im Wesentlichen“. Büchner versucht, der brenzligen Angelegenheit etwas Humor zu verleihen: „Die Begegnung und Umarmung hatte der Bundeskanzler so tatsächlich nicht geplant.“ Der Kanzler habe volles Vertrauen in die Arbeit der Polizei. Aber: „Natürlich stellen sich jetzt trotzdem Fragen rund um diesen Vorfall, und die werden sorgfältig aufgeklärt.“ Die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelt.

Ein Sprecher von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagt: „Der Vorgang ist natürlich inakzeptabel. Wir nehmen den Vorgang auch sehr ernst.“ Alles werde konsequent aufgearbeitet und analysiert. Selbstverständlich sei, „dass sich ein solches Geschehen nicht wiederholen kann“.

Er gibt noch den Hinweis, dass der Schutz des Kanzlers auf Reisen ein komplizierteres Geflecht sei, als wenn die Personenschützer und -schützerinnen des Bundeskriminalamts (BKA) ihn auf Terminen begleiten. Die Sicherheitsmaßnahmen würden zum Teil zwischen BKA, Bundespolizei und Landespolizei abgestimmt. „Auf den ersten Blick ist nicht ganz ersichtlich, wo der Fehler liegt.“ In Scholz’ Umfeld heißt es: Da fliegen jetzt die Fetzen.

„Da fliegen jetzt die Fetzen“

Nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) wird es eine gründliche Aufarbeitung geben. „Um den Personenschutz stetig weiterzuentwickeln und zu verbessern, werden Einsätze grundsätzlich nachbereitet und unterliegen einer permanenten Evaluierung“, sagt eine Sprecherin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Auch diesen Vorfall wird das BKA intensiv nachbereiten“.

Die Gewährleistung eines „sicheren Raums“ setze sich aus einem „breiten Maßnahmenspektrum“ zusammen und werde gemeinsam durch alle Partner sichergestellt. „Für die Gewährleistung des Personenschutzauftrages gilt grundsätzlich nicht, dass sich niemand der Schutzperson nähern darf – dies unterliegt vielmehr gewissen Voraussetzungen.“

Die Sprecherin betont: „Es wurde niemand verletzt. Die Person wurde ohne Widerstand von der Bundespolizei am Flughafen Frankfurt festgenommen.

„Froh, dass es nur ein überschwänglicher Fan war“

Der kriminalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Fiedler, sagte dem RND: „Es gibt einen großen, polizeilichen Grundsatz: Alle Einsätze werden professionell und systematisch nachbereitet. Das gilt natürlich erst recht dann, wenn es bei Einsätzen zu Fehlern gekommen ist.“ Die Sicherungsgruppe des BKA gehöre zu den besten und professionellsten Einheiten in Deutschland.

Aufgrund der großen Bedeutung, die der Auftrag „Schutz der Mitglieder der Verfassungsorgane“ habe, sei eine besonders akribische Aufarbeitung sicher - ebenso, dass „Konsequenzen gezogen werden“. Fiedler betonte: „ Ich bin froh, dass unserem Bundeskanzler Olaf Scholz nichts weiter passiert ist und es sich augenscheinlich nur um einen sehr überschwänglichen Fan handelte.“

Außer Händedruck und Umarmung soll es übrigens keinen weiteren „Austausch“ gegeben haben, sagt Büchner, was bedeutet, dass es wohl keine Unterhaltung gab. Er betont noch einmal, die Situation sei für den Kanzler vor allem überraschend gewesen. Aber wenn man es im Nachhinein betrachte: „Es hätte natürlich etwas Schlimmeres passieren können.“