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BundesregierungLindner freut sich über „Kritik von allen Seiten“ am Haushalt 2024

Lesezeit 4 Minuten
Finanzminister Christian Lindner (links, FDP) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag im Bundestag.

Finanzminister Christian Lindner (links, FDP) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag im Bundestag.

Finanzminister Christian Lindner hat den Entwurf des Bundeshaushalts 2024 in den Bundestag eingebracht. Er dementiert einen „Kahlschlag“ bei den Ausgaben.

Christian Lindner zeigte sich am Dienstag zufrieden. Gewiss gebe es Kritik an seinem Haushaltsentwurf für das Jahr 2024, sagte der Bundesfinanzminister – von Teilen der Wirtschaft ebenso wie von Sozialverbänden. Er fügte aber hinzu: „Wenn Kritik von allen Seiten kommt, scheint das Ergebnis ausgewogener zu sein, als wenn sie nur von einer Seite kommen würde.“

Der FDP-Politiker hatte eigentlich bereits im März Eckpunkte des Etats vorlegen wollen. Daraus wurde nichts. Die einen sagen, das habe an den Streitereien in der Ampelkoalition gelegen, die anderen sagen, es habe an Lindner gelegen. Der bat die Ressortchefs später zu Einzelgesprächen, bisweilen im Beisein von Kanzler Olaf Scholz – wohl um die Bereitschaft zu Einsparungen zu erhöhen.

Kurz vor der Sommerpause war der Entwurf dann fertig. Und am Dienstag brachte der Minister ihn offiziell in den Bundestag ein, bei dem die Letztentscheidung über Einnahmen und Ausgaben liegt. Dort waren erwartungsgemäß Lob und Tadel zu hören.

Ausgaben des Bunds sollen um 30 Milliarden Euro schrumpfen

Der Finanzminister referierte, der Haushalt umfasse Ausgaben von 445 Milliarden Euro. Dies seien 30 Milliarden Euro weniger als 2023 - aber immer noch weit mehr als 2019, dem letzten halbwegs normalen Jahr vor dem Beginn der Corona-Pandemie, des Ukraine-Krieges und der dadurch ausgelösten Energiekrise. „Von einem Kahlschlag kann also keinesfalls die Rede sein“, beteuerte Lindner.

Die Einsparungen seien zudem zwingend nötig. Das habe mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse zu tun, aber auch mit den steigenden Zinsen, die den Etat allein mit rund 37 Milliarden Euro belasteten. „Wir haben uns an Leistungen und Zuwendungen gewöhnt“, sagte der Finanzminister. Doch es könne „nicht das Leitbild einer freiheitlichen Gesellschaft sein“, dass der Staat alle Risiken ausgleiche. „Wir müssen uns neu fokussieren“, auch „um wieder fiskalische Resilienz zu gewinnen“ und die Inflation in Schach zu halten.

Haushalt 2024: Etat des Verteidigungsministerium steigt auf 51,8 Milliarden Euro

Tatsächlich ist der Haushalt nicht so radikal, wie es auf den ersten Blick scheint. Formal umfasst er die besagten 30 Milliarden Euro weniger als der Haushalt 2023. Davon müssen die anderen Ministerien jedoch bloß 3,5 Milliarden Euro übernehmen, etwa das Gesundheits- und das Familienministerium. So soll die Einkommensgrenze für den Anspruch auf Elterngeld von 300.000 auf 150.000 Euro jährlich halbiert werden. Allein der Etat von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) steigt um 1,7 Milliarden auf rund 51,8 Milliarden Euro. Das Geld wird im Wesentlichen draufgehen, um die zuletzt für den öffentlichen Dienst vereinbarten Tarifsteigerungen zu bezahlen.

Experten sagen jedenfalls, in Wahrheit würden viele Ausgaben lediglich umgeschichtet oder auf die Sozialversicherungen abgewälzt. Lindner arbeite mit vielen „Haushaltstricks“. Ferner gibt es neben dem regulären Haushalt zwei schuldenfinanzierte Sondervermögen: das für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro, aus dem größere Anschaffungen finanziert werden sollen, sowie der ebenfalls mehrjährige Klima- und Transformationsfonds über 211,8 Milliarden Euro. Aus ihm werden Investitionen in Energie- und Klimaschutzmaßnahmen beglichen.

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Mathias Middelberg beklagte diese Schattenhaushalte denn auch. Er beklagte darüber hinaus, dass die Ampelkoalition 1700 neue Mitarbeiter eingestellt habe – so viele wie keine Regierung vor ihr. Schließlich könne man Geld sparen, etwa im Sozialetat. So seien bis heute lediglich 32 Prozent der seit 2015 nach Deutschland gekommenen syrischen Flüchtlinge sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 55 Prozent hingegen bezögen Bürgergeld.

Arbeits- und Sozialministerium: 172 Milliarden Euro Ausgaben

Lindner betonte zwar: „Knapp ist in diesem Haushalt nur eins, nämlich der Gestaltungsspielraum.“ Doch ein bisschen was geht schon noch. So wird das mit Abstand meiste Geld wie jedes Jahr im Haushalt des Arbeits- und Sozialministeriums bewegt. Knapp 172 Milliarden Euro sollen dafür 2024 bereitgestellt werden. Das ist mehr als ein Drittel des gesamten Haushalts. Davon fließen allein 127 Milliarden Euro in die Rentenkasse.

Für Investitionen macht der Bund rund 54 Milliarden Euro locker. Das Finanzministerium nennt als Schwerpunkte Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung, den sozialen Zusammenhalt, innere und äußere Sicherheit sowie die Verkehrsinfrastruktur. Unter anderem soll es mehr Geld für die Schiene geben. Bei SPD und Grünen finden gleichwohl viele, die Investitionen seien zu gering.

Der Haushalt wird nun in Ausschüssen weiter beraten. Im November folgt die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, in der teils oft noch wesentliche Korrekturen vorgenommen werden. Zu guter Letzt stehen eine neue Steuerschätzung sowie womöglich politische Entscheidungen über die Einführung eines Industriestrompreises oder die Senkung der Stromsteuer an, um die Wirtschaft zu stärken. Weder die Höhe der Einnahmen noch die Höhe der Ausgaben sind also derzeit in Stein gemeißelt.

Fest steht immerhin, dass der Bundestag Lindners Haushalt noch in diesem Jahr verabschieden wird, nämlich am Freitag, dem 1. Dezember – egal, wie er dann aussieht.