AboAbonnieren

Im ersten TV-DuellFriedrich Merz setzt Olaf Scholz unter Druck

Lesezeit 4 Minuten
09.02.2025, Berlin: Journalisten beobachten das TV-Duell von ARD und ZDF mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, am Studio Berlin-Adlershof.

Das erste TV-Duell mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz ging am Sonntag über die Bühne.

Am Sonntagabend schenkten sich Kanzler Scholz und sein Herausforderer Merz nichts. Merz warf dem Kanzler mehrfach Realitätsferne durch. Der reagierte sauer.

Das Duell läuft gerade fünf Minuten, da zieht Friedrich Merz einen gelben Zettel aus der Jackentasche und liest Olaf Scholz ein Zitat aus der Thüringer Allgemeinen vor, wonach der Kanzler selbst in einem Interview unter anderem gesagt hat: „Niemand sollte sich davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt.“ Dann dreht er sich zu Scholz: „Wenn sie es nicht glauben, dann ist das Wahlkampf.“

Was Scholz zuvor nicht glaubte, war Merz erneute Beteuerung, dass er nach der Bundestagswahl nicht mit der AfD zusammenarbeiten wird und erinnert an den „Tabubruch“, der gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD in der vorvergangenen Woche im Bundestag.

Olaf Scholz reagiert sauer auf Provokationen von Friedrich Merz

Die Auseinandersetzung zwischen Scholz und Merz ist von der ersten Minute an in der Sache hart, im Ton sachlich - von beiden Seiten und bleibt es weitgehend auch. Scholz listet auf, was seine Regierung im Kampf gegen irreguläre Migration erreicht hat: „Wir haben Abschiebungen um 70 Prozent gesteigert, seit ich Kanzler bin.“ Merz räumt großzügig ein: „Die Bundesregierung hat nicht nichts getan“, um Scholz dann im Detail nachzuweisen, dass es nicht genug sei. Beim Kanzler ändert sich die Gesichtsfarbe leicht. Er presst die Lippen aufeinander.

Alles zum Thema Olaf Scholz

Dieses Duell hat eine besondere Bedeutung. Erstmals begegnen sich Scholz und Merz im Wahlkampf in direkter Auseinandersetzung. Während die Demokratie nach den gemeinsamen Abstimmungen von CDU und AfD im Bundestag bebt, sind die Umfragewerte seit Monaten kaum in Bewegung. Dabei gilt mindestens jeder vierte Wahlberechtigte noch als unentschlossen. In diesem kurzen harten Wahlkampf kann sich auf den letzten Metern noch viel tun. Dementsprechend viele Spin-Doktoren und Parteigänger sind in das Studio in Berlin Adlershof gekommen, um vor allem nach der Sendung ihre Sicht auf die Dinge zu erklären.

Im Gegensatz zu früheren Duellen werden die Redezeiten nicht eingeblendet. Die rhetorische Auseinandersetzung der beiden Kandidaten soll tatsächlich mehr Duell als - wie in früheren Jahren - betreutes Diskutieren werden. Das gelingt gut, weil die Moderatorinnen Maybrit Illner und Sandra Maischberger ihren Job sehr gut machen.

Friedrich Merz wirkte besser vorbereitet als Olaf Scholz

In der ersten Hälfte des Duells wirkt Merz besser vorbereitet. Er reitet eine Attacke nach der anderen. Scholz ist in der Defensive. Der Kanzler ist dann auch der erste, der sich aus der Reserve locken lässt und wird laut: „Warum soll man so doof sein?“ Die rhetorische Frage bezieht sich auf die zentrale Forderung der Union nach Zurückweisungen von Migranten an der Grenze.

Mehrfach attestiert Merz dem Kanzler eine falsche Wahrnehmung der Realität. Er sagt Sätze wie: „Ich bin erschüttert, mit welcher Wahrnehmung Sie die Realität beschreiben.“ Dann legt er Zahlen auf den Tisch: „50.000 Unternehmen sind in Ihrer Amtszeit in die Insolvenz gegangen.“ Was solle es anderes sein als Deindustrialisierung, wenn 300.000 Industriearbeitsplätze wegfallen. Scholz Konter ist schwach. Er beruft sich darauf, dass er die Ukraine nicht überfallen habe. Da muss Maischberger ein wenig lachen und mahnt: „Herr Scholz.“ Es läuft nicht gut für Scholz. Nach einer guten halben Stunde wirkt er sauer. Merz grinst. Zwischendrin wirft Scholz seinem Herausforderer „Sprechblasen“ vor.

Beim Thema Steuern spricht der Kanzler im Stakkato - seine Botschaft zielt auf die große Mehrheit der Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer: „Es ist gegenüber 95 Prozent der Bevölkerung ungerecht, wenn diejenigen, die das meiste Geld verdienen, nun 20 Milliarden Euro Entlastung bekommen.“ Damit kritisiert er die Pläne der Union, den Soli für hohe Einkommen und Unternehmen abzuschaffen. Scholz wiederum verspricht Entlastung für 95 Prozent und will dafür den Spitzensteuersatz um zwei Prozentpunkte anheben. Beide können nicht erklären, wie ihre Wahlversprechen rechnerisch aufgehen sollen.

Olaf Scholz und Friedrich Merz bei einigen Punkten einig

Einigkeit gibt es an einer Stelle. Bei der Aufgabe, mit nur einem Satz zu antworten, sagt Merz auf die Option: Ein Bundestag ohne FDP . . . „wäre ärmer aber durchaus lebensfähig“. Scholz erklärt daraufhin: „Ich könnte es nicht besser sagen.“ Kurze Heiterkeit in der Runde.

Diese Kurzantworten fördern manchmal auch überraschende Klarheit zutage. Auf die Frage: Wie finden Sie, dass Trump nur zwei Geschlechter gelten lassen will? Da sagt Merz kurz und knapp: „Eine Entscheidung, die ich nachvollziehen kann.“ Das wäre eine 180-Grad-Wende auch in Deutschland in der Politik für Transgender-Menschen. Scholz, der wieder ruhiger agiert, hält mit dem Argument gegen, dass die Menschen nach ihrer Vorstellung leben können sollen.

Bei der Außenpolitik wirft Scholz seine bisherige konsistente Strategie gegenüber der Ukraine in die Waagschale. Merz schließt sich weitgehend dem Kanzler an, während Maybrit Illner ihm Zick-Zack-Aussagen in der Frage von Waffenlieferungen (Taurus) nachweist. Der Punkt geht an Scholz.

Zur Frage, ob sie sich gemeinsame Koalitionsgespräche vorstellen können, schnaubt Merz erst einmal. Nach dem Duell ist vor dem Quadrell: Bis zur Bundestagswahl am 23. Februar werden sich Scholz und Merz noch häufiger im TV-Studio begegnen. Am kommenden Sonntag mit Robert Habeck von den Grünen und Alice Weidel für die AfD.