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Parteiencheck KlimawandelDas sagen die Parteien zum Klimakiller Luftverkehr

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Flugversuche zu alternativen Treibstoffen

Köln – Es gibt Sachkundige in der Luftfahrtbranche, die sind sich sicher: Der letzte Liter Erdöl, der auf der Welt gefördert wird, wird als Kerosin in einem Flugzeugtank verbrannt. Aus Sicht der aviation ist das schlüssig: der Dreiklang Energieausbeute/Gewicht/Rendite ist optimal, denn um was es vor allem geht beim Fliegen ist die „Payload“ – also alles, was dem Unternehmen Einnahmen beschert. Deshalb sind sich diese Sachkundigen auch sicher, dass Flugzeuge die letzten Verkehrsmittel sein werden, bei denen der Shift zur Nachhaltigkeit gelingt.

Trübe Aussichten für Klimaschutz

Trübe Aussichten für den Klimaschutz, sollte sich dies bewahrheiten. Denn an einer Tatsache ist nicht zu rütteln: Kein anderes Fortbewegungsmittel schadet Klima und Umwelt derart exzessiv wie das Fliegen. Etwa 2,5 bis 3 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen auf das Konto Luftverkehr. Vor der Pandemie 2019 waren das 950 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid. Und dabei sind andere klimaschädliche Wirkungen des Fliegens noch gar nicht eingepreist.

In Deutschland emittierten Passagierflugzeuge im vergangenen Jahr 8 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes. Größen, die sich schwer zu Bildern fassen lassen. Aber in der Relation wird deutlich, wie intensiv der Flugeinfluss ist: Ein Mensch in Deutschland hat einen durchschnittlichen CO2-Fußabdruck von 11,6 Tonnen im Jahr. Das ist mehr als doppelt so viel wie der weltweite Durchschnitt und weit von den zwei Tonnen Pro-Kopf-Maximum entfernt, die zum Erreichen der Pariser Klimaziele nötig wären.

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Ein Flug nach Mallorca aber schlägt pro Person schon mit einer halben Tonne zu Buche, eine Langstrecke nach Mauritius bereits mit drei Tonnen. Derzeit sind die Zahlen beim Fliegen stark rückläufig, der Passagierluftverkehr, so meldete die Branche gerade im August, befand sich im ersten Halbjahr 2021 auf einem historischen Tiefstand.

Wirtschaftsfaktor Luftfahrt

Die Luftfahrt hat für die deutsche Wirtschaft eine wichtige Bedeutung, nicht nur in der Touristik. Trotz Pandemie, die der Branche weltweit heftig zu schaffen macht und in Deutschland mit einem Einbruch im ersten Halbjahr von insgesamt 86 Prozent gegenüber 2019 auch noch einmal deutlich stärker als im ersten Halbjahr 2020 ausfiel, konnte der Sektor Luftfracht 2021 wieder um elf Prozent gesamtdeutsch zulegen.

Die Frachtleistung am Airport Köln/Bonn stieg sogar wieder um 20 Prozent. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) hat kurz vor Ausbruch der Pandemie umfassende Zahlen zusammengetragen, die sich allerdings noch auf das Jahr 2017 beziehen. Laut BDL-Report beschäftigte die Luftfahrt damals demnach 330.000 Frauen und Männer direkt, hinzu kamen rund 354.000 Arbeitsplätze bei Unternehmen, die von Aufträgen aus der Luftfahrt abhängen, zum Beispiel in der Bauwirtschaft.

In Summe generierten die Unternehmen der Luftverkehrswirtschaft und Luftfahrtindustrie laut Verband eine Wertschöpfung von insgesamt 60,6 Milliarden Euro. „Durch Corona ist das jetzt alles in Bewegung geraten“, sagt Norbert Lübbe, BDL-Wirtschaftsleiter. Die Erholungsperspektive sei aber da, wenn auch langfristig.

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Kondensstreifen tragen in ähnlichem Ausmaß zur Erwärmung der Atmosphäre bei wie die gesamten CO2-Emissionen von Flugzeugen seit Beginn der Luftfahrt - zu diesem Ergebnis kam die 2019 veröffentlichte Studie „Atmospheric Chemistry and Physics" des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Bei den Treibhausemissionen wünscht man sich aber auch schon möglichst kurzfristig Verbesserungen. Klimaschützer fordern seit Jahren, die Branche weniger zu subventionieren, dafür aber über eine Treibstoffsteuer stärker zu lenken. Nun schlägt die EU-Kommission zwar in ihrem Klimapaket „Fit for 55" unter anderem die Einführung einer Energiesteuer auf Kerosin vor. Aber auch die soll erst ab 2023 gelten und – vorausgesetzt die Mitgliedstaaten ziehen mit – über zehn Jahre schrittweise steigen.

Wie kommt man also zur Dekarbonisierung der Luftwege? Lösungen werden in der Wissenschaft vielerorts gesucht, Airbus beispielsweise forscht nach eigenen Angaben an neuen synthetischen Treibstoffen und Antrieben mit Wasserstofftechnologie. Auch deutlich optimistischer als das einstiegs zitierte Raunen zeigt sich das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR): „Eine Energiewende in der Luftfahrt mit dem Ziel Zero Emission ist bis zur Mitte des Jahrhunderts möglich“, verkündete das DLR bei der Vorlage des „White Paper“, einem Konzepts, das demnach die technologischen Handlungsfelder auf dem Weg zum emissionsfreien Fliegen in allen Luftfahrtbereichen zusammenführt. Das White Paper ging ans Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – was zu tun ist, dürfte also weitestgehend klar sein. Die Standpunkte der Parteien zeigen sich vor der Bundestagswahl zumindest überwiegend klimabewusst. Deutlich different sind sie in den Handlungsreichweiten.

CDU

Die Luftfahrt soll nach Willen der CDU ein „preislich wettbewerbsfähiger Verkehrsträger“ bleiben. Damit Flugzeuge in der Zukunft mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden, setzt die Partei den Anreiz, solche Flüge von der Luftverkehrssteuer zu befreien. Wörtlich heißt es im Wahlprogramm: „Wir wollen die positiven Aspekte des Fliegens und die Innovationskraft der Luftfahrt wieder stärker herausstellen und als Schlüsseltechnologie gezielt fördern. Die Entwicklung von Flugtaxen ist zwar noch eine Vision für die Zukunft, aber sie wird zunehmend realistischer.“

Klimaschonung kommt bei der CDU vor in einer avisierten Förderung der Entwicklung synthetischer Kraftstoffe. Zudem soll die Verbindung Schiene-Drehkreuzflughäfen verbessert werden, so dass die jeweiligen „verkehrlichen, ökonomischen und ökologischen Vorteile“ genutzt werden können.

SPD

Im Wahlprogramm hält man sich zum Thema kurz, denn „der Schienenverkehr ist ein Schwerpunkt unserer verkehrspolitischen Agenda“ heißt es dort. Die SPD will Bahnfahren „innereuropäisch günstiger und attraktiver als Fliegen“ machen. Im Kapitel Zukunftsvision Klimaneutrales Deutschland kommt der Flugverkehr noch einmal zur Erwähnung in der Gesamtperspektive, Schlüsselindustrien – dazu zählt die SPD auch den Luftverkehr - auf dem Weg in die Klimaneutralität zu unterstützen.

Die Grünen

Die Umweltpartei fordert schnelle Direkt- und Nachtzugverbindungen, die innereuropäisches Fliegen überflüssig machen. Das Fliegen soll nachhaltig, zukunftsfähig und langfristig unabhängig von fossilen Treibstoffen werden – so steht es im Grünen-Wahlprogramm. Dafür soll ein strikter europäischer Emissionshandel sorgen, die Förderung moderner Flugzeugtechnologien und die Erhöhung der Beimischungsquoten mit einem klaren Anstiegspfad, der fossiles Kerosin durch strombasierte Kraftstoffe ersetzt.

Umweltschädliche Subventionen sollen abgebaut, fortlaufende Finanzhilfen für Flughäfen beendet werden. Die Grünen setzen sich zudem für die Einführung einer europäischen Kerosinsteuer ein. Auch die Reduktion von Fluglärm ist geplant.

FDP

Die FDP will die Luftverkehrssteuer abschaffen und keine neuen Nachtflugverbote zulassen, um den Flugverkehr zu fördern.

Die Linke

Die Linke verlangt ein Verbot von Kurzstreckenflügen bis 500 Kilometer. Zudem will sich die Partei dafür einsetzen, dass verkehrspolitisch notwendige Flughäfen „in öffentlicher Regie betrieben werden“, heißt es im Wahlprogramm. Die Bundesbeteiligungen an Lufthansa und Bahn sollen in eine bundeseigene Gesellschaft überführt werden. Diese soll den Bahnverkehr ausbauen und im Gegenzug Inlandsflüge reduzieren. Defizitäre Regionalflughäfen will Die Linke schließen und „staatliche Milliardensubvention von Dieseltreibstoff, Flugbenzin und »Biokraftstoff«“ abschaffen.

AfD

Die AfD will die Luftverkehrssteuer streichen und „unrealistische CO₂-Reduktionsziele der EU“ kippen. Der globale Flugverkehr sei „von elementarer Bedeutung“ für den Wirtschaftsstandort Deutschland und dürfe nicht „kurzsichtig einer unwissenschaftlichen Klima-Hysterie geopfert werden“.