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FFF gegen Luftfahrtverband„Es braucht einen strukturellen Rückbau des Flugverkehrs“

Lesezeit 14 Minuten
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Leonie Bremer von Fridays for Future und Matthias von Randow vom BDL

Matthias von Randow: Darf ich zu Beginn ein persönliches Wort sagen?

Bitte!

Von Randow: Ich beobachte seit einiger Zeit Ihre Arbeit bei Fridays for Future (FFF), Frau Bremer. Ich verstehe mich auch als politischer Mensch und weiß, was ehrenamtliches Engagement bedeutet. Deswegen freue ich mich über die Gelegenheit, Sie kennenzulernen.

Leonie Bremer: Ich höre das ganz oft: „Als ich in deinem Alter war…“ Umso spannender finde ich dann zu sehen, wohin das geführt hat. Sie kamen von Gewerkschaften und arbeiten heute für die Luftverkehrswirtschaft. Da interessiert mich die Frage: Wie vereinbaren Sie das mit Ihrem Gewissen?

Sie meinen, Herr von Randow sei auf die dunkle Seite der Macht gewechselt?

Zu den Personen

Leonie Bremer, geb. 1997 in Langenfeld, studiert Erneuerbare Energien im Masterstudiengang an der TH Köln. Seit Dezember 2018 ist sie bei „Fridays for Future“ (FFF) aktiv. Bremer ist seit Juli 2019 im bundesweiten Team für die Presse- und Kampagnenarbeit von FFF tätig, seit 2019 auch auf internationaler Ebene.

Matthias von Randow, geb. 1959 in Koblenz, ist seit 2011 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Zuvor arbeitete er im Management der Fluggesellschaft airberlin. Nach einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann studierte er Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte, Soziologie und Politische Wissenschaften. Er arbeitete für den DGB und die SPD. Ab 1998 war er im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung tätig, zuletzt als beamteter Staatssekretär. Von 1998 bis 2008 war er im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung tätig, zuletzt als beamteter Staatssekretär. (jf)

Bremer: Das muss jeder und jede für sich definieren.

Von Randow: Für mich stellt sich das so dar: Seit zehn Jahren führe ich die Geschäfte des BDL und das beherrschende Thema meiner Arbeit ist es, das Fliegen in Übereinstimmung mit dem Klimaschutz zu bringen. Ich sehe es als meine Aufgabe, zusammen mit den Kollegen unserer Unternehmen, dafür ein Stück unternehmerischer Verantwortung zu übernehmen. Und das bringe ich ausgesprochen gut in Einklang mit meinem Gewissen.

Bremer: Das Pariser Klimaschutzabkommen wurde 2016 unterschrieben. Sie sagen, Klimaschutz habe da schon auf Ihrer Agenda gestanden?

von Randow: Aber ja! Und nicht erst seitdem. Bereits als 2007 ein Report des Weltklimarats IPCC erschien, löste das eine intensive Debatte über Klimaschutz aus. Ich war damals als Ministerialdirektor verantwortlich für die EU-Koordinierung der deutschen Verkehrspolitik und habe vorgeschlagen, die Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel zum Thema der damaligen deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu machen. Das wurde dann politisch so entschieden, was ein Riesenschritt war und seit 2012 gesetzlich in Kraft ist. Die Luftfahrt ist der bislang einzige Verkehrsträger, der in den Emissionshandel einbezogen ist. Erst jetzt – zehn Jahre später – hat die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag unterbreitet, dass der Emissionshandel auch auf andere Verkehrsträger ausgedehnt werden soll.Bremer: Es hat aber nichts gebracht. Der Flugverkehr ist rasant gewachsen, obwohl doch alle wissen, dass Fliegen die energieaufwendigste Form des Transports überhaupt ist.von Randow: Es geht beim Emissionshandel und beim Klimaschutz ja nicht darum, den Verkehr zu reduzieren, sondern die CO2-Emissionen. Mit dem Emissionshandel wurde erreicht, dass der einbezogene Luftverkehr seitdem CO2-neutral wächst. Und dass der Luftverkehr weiter wächst, hängt schlicht mit der weltweiten Nachfrage zusammen.Bremer: 90 Prozent der Menschen weltweit haben noch nie ein Flugzeug von innen gesehen. Die Nachfrage-Treiber sind die Industrienationen. Sie haben nicht nur die Verfügung über das Transportmittel Flugzeug, sondern sie nutzen es auch auf Kosten und zulasten der Menschen, die am härtesten von der Klimakrise betroffen sind, aber nicht zu ihr beigetragen haben.

von Randow: In den USA ist der Markt gesättigt. Der innerdeutsche Flugverkehr ist seit 2004 um 24 Prozent zurückgegangen. Da kommt das Wachstum nicht her.

Sondern?von Randow: Immer mehr Länder der Welt schließen wirtschaftlich auf, und damit haben auch mehr Menschen Teil an einem Wohlstand, der das Fliegen ermöglicht – aus beruflichen wie privaten Gründen. Die Nachfrage nach dem Fliegen wird deswegen steigen. Ohne jeden Zweifel. Deshalb sehen wir die wichtige Herausforderung für eine gute Zukunftsgestaltung darin, dass wir wachsendes Flugaufkommen klimaneutral bewältigen können.

Bremer: Die Nachfrage wird getriggert durch staatliche Subventionen des Flugverkehrs...

… oder die Befreiung von der Kerosinsteuer.

von Randow: Da sind viele Irrtümer im Spiel. Wir als BDL halten überhaupt nichts von Subventionen. Unser Prinzip lautet: Der Luftverkehr muss seine Kosten finanzieren. Wir treten ja auch für zielführende Besteuerungen und CO2-Bepreisungen ein. Aber sie müssen international abgestimmt sein. Würde man das nur europäisch oder national tun, käme es zu massivem „carbon leakage“.

Kohlenstoff-Leckage. Das ist die Umverteilung der Treibhausgas-Emissionen mit Zunahme außerhalb Deutschlands, weil der Standort hier tunlichst gemieden würde.

von Randow: Was alle Klimaschützer für höchst nachteilig ansehen. Zur Vermeidung von carbon leakage wurde in Deutschland anstelle einer Kerosinsteuer der – wie ich finde – nicht unintelligente Weg der Luftverkehrsteuer gewählt. Sie gilt für alle Fluggesellschaften, deren Maschinen in Deutschland abheben, und zwar vom Startflughafen bis zum Zielort. Diese Steuer ist deutlich höher als jede Kerosinsteuer und sie verhindert carbon leakage. Aus dem gleichen Grund fordern wir auch, CO2-Bepreisungen so zu gestalten, dass sie nicht zu einem Ausweichen der Airlines auf Drehkreuze außerhalb Deutschlands führt. Wenn die Verkehrsströme nicht mehr über Frankfurt oder München laufen, aber stattdessen über Istanbul oder London - damit wäre für den Klimaschutz nichts gewonnen, im Gegenteil.

Bremer: Fluggesellschaften müssen nicht dafür geradestehen, dass sie pro 1000 geflogene Kilometer Umweltschäden von 200 Euro produzieren.

von Randow: Eine höhere Bepreisung führt nicht zwingend zu Klimaschutz.

Bremer: Sie wollen sagen, mit ehrlichen Preisen würden die Flugzahlen nicht sinken?

von Randow: Klar, wenn ein Flug von heute – sagen wir – statt 200 Euro plötzlich 1000 Euro kosten würde, gingen die Zahlen zurück. Aber das wären staatlich verordnete Preise wie vor der Liberalisierung des Flugverkehrs. Und dazu wird es international nicht kommen. Damit wir aber wirklich im Klimaschutz vorankommen, muss man an den zwei wesentlichen Hebeln ansetzen. Der wirkungsvollste ist die Technik, und das meint aktuell vor allem: Flugzeuge, die weniger Kerosin brauchen. Mit Milliarden-Investitionen in neue Flugzeuge und Druck auf die Herstellerfirmen haben die vom BDL vertretenen Airlines den Treibstoffverbrauch ihrer Flotten seit 1990 um 43 Prozent reduziert. Und der nächste Schritt ist der Ersatz des fossilen Kerosins durch einen nachhaltigen Kraftstoff. Damit erreichen wir das CO2-neutrale Fliegen.

Und der zweite Hebel?

von Randow: Das ist der organisatorische Hebel, also die Optimierung von Flugrouten und die Verlagerung von Flugverkehr auf die Schiene, wo das möglich ist. Dafür haben wir Anfang 2021 einen Aktionsplan mit der Deutschen Bahn verabschiedet.

Was ist mit einem Preis-Instrument wie den Klima-Kompensationen?

von Randow: Ich habe meinen Flug von Berlin heute Morgen mit einer Zusatzgebühr von gut zwölf Euro voll kompensiert. Die Lufthansa kauft davon nachhaltiges Kerosin. Das ist die einzige Chance eines Ausgleichs, solange wir noch nicht CO2-neutral fliegen können. Nur: Es macht fast keiner. Zwei Drittel der Deutschen nennen Klimaschutz als das wichtigste Ziel. Aber was meinen Sie, welcher Anteil der Passagiere die geflogenen Strecken kompensiert? Allenfalls ein Prozent.

Bremer: Nur um es festzuhalten. Es gibt also keine Anstrengungen, Umweltschäden einzupreisen.

Von Randow: Doch, absolut! Wir befürworten das – nur ohne carbon leakage.

Bremer: Aber wann passiert das denn?

Von Randow: Mit Emissionshandel und Luftverkehrsteuer geschieht das ja längst. Weiteres, wie eine Beimischungsquote für nachhaltige Kraftstoffe, muss folgen. So schnell wie möglich. Darum habe ich ja Sympathie für „Fridays for Future“. Sie sagen: Es muss alles viel schneller gehen. Und ich sage: Stimmt genau! Auch wir wären gern schneller, aber das liegt nicht nur in unserer Hand. Wir sind die Luftverkehrswirtschaft, wir sind nicht die Politik.

Frau Bremer, Sie halten die genannten Hebel für zu kurz. Was ist Ihr Instrument?

Bremer: Technische Lösungen werden die Emissionen auch langfristig nicht reduzieren können. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass das nicht schnell genug kommen wird. Also braucht es einen strukturellen Rückbau des Flugverkehrs. Wo ist Ihr Plan dazu? Grundlage von allem müssen die Ziele des Pariser Abkommens von 2016 sein. Und hier ignorieren Politik und Wirtschaft gern den „aspect of equity“, der in Paris mitunterschrieben wurde.

Könnten Sie das kurz erklären?

Bremer: Aspect of equity bedeutet, dass die finanziell reicheren Länder verpflichtet sind, die CO2-Neutralität schneller zu erreichen und mehr dafür zu tun. Deutschland muss mit dem aspect of equity schon 2035 klimaneutral sein. Vor allem aber brauchen Politik und Wirtschaft einen Paris-konformen Plan für die nächsten fünf Jahre. Der einzige wirkungsvolle Hebel ist die drastische Reduzierung des Flugverkehrs. Alle Flüge, die nicht unbedingt notwendig sind, sollten erst gar nicht stattfinden. Mit einem Ausbau des Bahn- und Busnetzes zum Beispiel ergeben sich neue Möglichkeiten und Chancen, das auch umzusetzen.

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von Randow: Für Reisen nach Shanghai oder Washington wird das schwierig.Und wer soll Notwendigkeiten definieren? Der Staat? Ist der Urlaub auf Mallorca „notwendig“ oder nicht?

Bremer: Ich will nicht fliegen. Und ich muss Bahn fahren, was viel zu teuer ist. Ich habe viele Freunde in Ländern, die am stärksten von der Klimakatastrophe betroffen sind. Die globale Erderwärmung bedeutet schon jetzt die Hölle für sie. Die wollen auch nicht fliegen, weil sie verstanden haben, dass das ein schlechter Wechsel auf die Zukunft ist. Aber wir müssen generell weg vom schlechten Gewissen des Einzelnen als Stellschraube. Hundert Unternehmen sind für 71 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Darunter Ihre Mitgliedsunternehmen. Sie sind in der Pflicht! Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Verständigung über die Vordringlichkeit des Klimaschutzes. Dabei geht es um einen Systemwandel, der unumgänglich ist. Mehr Beteiligung, mehr Teilhabe, mehr gemeinsame soziale Verantwortung. Und der Staat muss die Möglichkeiten bereitstellen, klimafreundlich zu reisen.

von Randow: An dem Systemwechsel zum CO2-neutralen Fliegen arbeiten wir, zusammen mit der Politik. Die Begrenzung des CO2-Wachstums im Luftverkehr haben wir durch Emissionshandel und die internationale CO2-Abgabe „Corsia“ bereits erreicht. Jetzt steht der Ersatz des fossilen Kerosins durch nachhaltigen Kraftstoff an. Dann ist der Luftverkehr CO2-neutral.

Frau Bremer erwähnte die Zugpreise. Wann immer ich Leute die Preise vergleichen höre, kommen sie mit Flugtickets billiger weg als mit der Bahn. Da stimmt doch etwas nicht, oder?

von Randow: Dann haben Sie es mit cleveren Suchern zu tun. Ich finde solche Angebote kaum. Auch der ökologische Verkehrsclub Deutschland VCD und der Internationale Eisenbahnverband kommen in ihrem Monitoring regelmäßig zum Ergebnis, dass das Fliegen die teurere Variante sei. Aber noch einmal: Verkehrsreduzierung, das kann man praktisch nur auf kurzen Strecken, also im innerdeutschen Verkehr machen, nämlich durch Verlagerung auf Schiene und Straße. Nur reden wir bei den innerdeutschen Flügen über einen Anteil von 0,3 Prozent an den deutschen CO2-Emissionen.

Mehr als zwei Drittel aller Flüge von Deutschen 2019 hatten Urlaub oder Freizeit-Interessen als Grund. Ist dann individuelles Verhalten nicht doch eine Stellschraube?

Bremer: Wir von FFF glauben trotzdem nicht, dass wir über gegenseitiges Blamen weiterkommen. Das ist jedenfalls nicht unser Weg. Wir wollen, dass die Mächtigen ihren Job machen. Dazu gehört, dass sich die erwähnten 100 Unternehmen auf die Einhaltung der Pariser Klimaziele verpflichten. Die müssen liefern. Darum noch einmal die Frage an Sie, Herr von Randow: Haben Sie einen Plan für systematischen Abbau?

von Randow: Innerdeutsch ja – alles genau durchgerechnet und beziffert. Aber der klimabezogen relevante Luftverkehr sind die internationalen Flüge. Der am stärksten wachsende Anteil am Flugverkehr sind übrigens die Reisen unter dem Vorzeichen „Visit family and friends“. Freundschaften und Familien bilden sich zunehmend international. Das ist also nicht nur der klassische Tourismus, sondern der Wunsch nach Begegnung, Nähe, Kommunikation in einer zusammenwachsenden Welt.

CSU-Chef Markus Söder hat darauf hingewiesen, dass der Anteil am Flugverkehr bei den unter 29-Jährigen am stärksten zugenommen hat. Wenn „Fridays for Future“ den Klimaschutz als Generationenfrage intoniert - „Wir sind viele, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“ -, hat das dann etwas von Doppelmoral?

von Randow: Die Gruppe, die bis zum heutigen Tag laut Umfragen am meisten Freude am Fliegen hat, sind die 18- bis 24-Jährigen. Damit will ich aber nicht sagen, dass es in dieser Gruppe nicht auch diejenigen gibt, die bewusst davon Abstand nehmen. Frau Bremer hat es ja eben gesagt.

Bremer: Die Frage ist doch: Was sind unsere Möglichkeiten? Die wenigsten 18- bis 24-Jährigen haben die Finanzkraft, sich klimafreundlicheres Reisen leisten zu können. Ich muss jedes Mal, wenn ich von Köln nach Berlin fahre, 74 Euro für ein Bahnticket bezahlen. Fakt ist, dass die Generationen vor uns für den ungehemmten Ausstoß von Treibhausgasen und den Raubbau an den natürlichen Ressourcen verantwortlich sind. Das ist eine Erblast, die wir abtragen müssen. Ganz abgesehen davon, in welchem ständigen Widerspruch wir leben müssen, weil wir im derzeitigen System keine Chance bekommen, nicht auf Kosten unserer Freundinnen und Freunde zu leben. Und Sie wirken proaktiv an einem der klimaschädlichsten Unternehmen bewusst mit.

von Randow: Ich wirke daran mit, wie wir den Klimaschutz im Luftverkehr weiter voranbringen. Ihre Bewegung ist ein Zusammenschluss von jungen Menschen, die die Herausforderung des Klimaschutzes sehr ernst nehmen. Sie selbst studieren sogar im Bereich Erneuerbare Energien. Das ist ein Riesenpotenzial. Was halten Sie davon, zum Beispiel mit uns zusammen an der Realisierung nachhaltiger Flugkraftstoffe mitzuwirken.

Ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können?

Bremer: Ich mache Gerechtigkeits-Aktivismus nicht, um in irgendeinen Job einsteigen zu können. Wir haben ganz ähnliche Anfragen von Parteien. Ich persönlich sage dazu: Ich werde mich in keiner Partei, keinem Verband, keiner Organisation engagieren, in der es kein explizites Commitment auf die Einhaltung des Pariser Abkommens gibt. Es ist peinlich, dass wir nach vier Jahren und elf Monaten immer noch an dem Punkt sind, dass ich Sie an die Unterschrift unter das Pariser Klimaabkommen erinnern muss und Sie es bis heute nicht selbst geschafft haben, Abkommen als Basis aller Maßnahmen in Ihr Business zu integrieren. Erst wenn das Ziel stimmt, kann ich mich mit auf den Weg machen. Vorher - keine Chance!

von Randow: Schade! Mein Verband mit seinen Mitgliedsunternehmen hat sich dem Ziel des CO2-neutralen Fliegens verpflichtet. Und so handeln wir auch. Ich finde nur: In einer demokratischen Gesellschaft tragen auch Bürger und zivilgesellschaftliche Organisationen Verantwortung. Sie gehören dazu. Wenn Sie also mehr Klimaschutz in kürzerer Frist durchsetzen wollen, tragen Sie eine Mitverantwortung dafür, wie das geschehen soll.

Bremer: Sie wissen, dass die Klimakrise Menschen tötet, soziale Ungerechtigkeit verstärkt und immer mehr Katastrophen auslöst. Jetzt sprechen Sie von unserer Verantwortung, während ich hier sitze und Ihnen sage, was Sie zu tun hätten. Denken Sie nicht, dass ich damit bereits zu viel Verantwortung von Ihrem Job übernehme? Als Teil der Bewegung sehe ich doch, dass wir neu etwas in Gang bringen. Ich spreche ständig mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die mir sagen: „Hey, zum ersten Mal werden wir gehört. Ihr seid die Hoffnung.“ Und das gilt auch für die Betroffenen der Klimakatastrophe. Das sind die, die jetzt die Stimme erheben und den größten Druck machen. Ich sehe unsere Stärke in der Bereitschaft, auf die Betroffenen zu hören und von ihren Erfahrungen zu lernen. Das macht unseren Erfolg aus – und ganz ehrlich, das sehe ich so weder in den Parteien noch bei einem Verband wie Ihrem, Herr von Randow.

von Randow: Zu meinem Selbstverständnis hierzu erzähle ich Ihnen eine kleine Geschichte aus der Zeit meiner kaufmännischen Berufsausbildung: Mitbewohner meiner WG nahmen mich in politische Gruppen mit, die große Pläne hatten und Deutschland zur sozialistischen Gesellschaft umgestalten wollten. Ich habe damals gesagt: „Nein, nicht mein Ding!“ - und habe mich im Betriebsrat und der Gewerkschaft engagiert mit sehr konkreten Zielen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: mehr Mitbestimmung im Betrieb, höhere Löhne, ein Stück mehr sozialer Gerechtigkeit. Das krempelt nicht die Gesellschaft um, verbessert aber die Lebensverhältnisse von Menschen ganz konkret. Übertragen auf die Klimadebatte heißt das: Ziele sind das eine. Aber entscheidend ist die Umsetzung konkreter Maßnahmen. Und genau das machen wir mit der Emissionsminderung durch den technologischen Systemwechsel im Luftverkehr.

Bremer: Darf ich Sie zum Schluss noch was fragen? Macht Ihnen die Klimakrise Angst – also, so im Alltag, ganz konkret?

von Randow: Ich habe zwei Töchter und drei Enkelkinder. Und ich denke sehr oft daran, dass deren Zukunft auf dem Spiel steht. Ich will nicht, dass die Worst-Case-Szenarien der Klimaforscher eintreffen. Und ich arbeite daran – an den Stellen, wo ich etwas bewirken kann.