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Corona-Gratistests enden für die meisten - Drei Euro fällig

Lesezeit 4 Minuten

Berlin – Millionenfach genutzte Corona-Bürgertests sind in Teststellen und Apotheken bald nicht mehr für alle gratis zu haben.

Kostenlos bleiben die Schnelltests nur für bestimmte Risikogruppen - in der Regel werden ab kommendem Donnerstag aber je drei Euro aus eigener Tasche fällig. Das teilte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach einer Einigung mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Freitag mit. Der Bund will damit Milliardenkosten senken und das Testnetz erhalten. Die Neuregelung bringt die Länder unter Druck, die drei Euro der Bürger zu übernehmen. Angesichts der nun dominierenden Untervariante BA.5 mit leichterer Übertragbarkeit zeichnet sich aus Expertensicht eine angespanntere Corona-Lage ab.

Ende der Gratis-Tests für alle

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Lauterbach sagte: „Ich will keinen Hehl daraus machen. Ich hätte die kostenlosen Bürgertests für alle gerne weitergeführt.” Sie kosteten im Schnitt aber derzeit eine Milliarde Euro im Monat. Lindner sagte, der Steuergeldeinsatz werde nun effektiver. „Es kann nicht alles auf Dauer vom Bund gezahlt werden, weil unsere Möglichkeiten an Grenzen gekommen sind.” Das neue Konzept sieht nach Lauterbachs Angaben bis Jahresende noch Ausgaben von 2,7 Milliarden Euro vor. Bei weiterhin voller Kostenübernahme wären es bis zu 5 Milliarden Euro gewesen.

Lauterbach sprach insgesamt von einer „guten Lösung”. Die Bürgertests gingen nach Auslaufen der bisherigen Verordnung Ende Juni lückenlos weiter, was strittig gewesen sei. Die Tests würden gezielter dort eingesetzt, wo sie den größten Nutzen hätten. Bisher hatte jeder auch ohne Symptome oder konkreten Anlass Anspruch auf mindestens einen Schnelltest pro Woche in Teststellen mit geschultem Personal samt Bescheinigung. Die Gratis-Tests für alle waren im Herbst schon einmal vorübergehend eingeschränkt und dann wieder breit eingeführt worden.

Kostenlose Tests und Drei-Euro-Tests

Gratis-Schnelltests sollen weiter für vulnerable Gruppen möglich sein. Dies sind laut Ministerium Kinder bis fünf Jahre, Frauen zu Beginn der Schwangerschaft, Besucher von Kliniken und Pflegeheimen, Haushaltsangehörige von Infizierten, Bewohner von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sowie Menschen, die sich nicht impfen lassen können. Vorgesehen sein soll, jeweils Nachweise vorzulegen, dass man zum Gratis-Test berechtigt ist - etwa per Ausweis oder Pass, mit Bescheinigungen, Vordrucken oder Attesten.

Mit drei Euro Zuzahlung sollen Tests in weiteren Fällen zu haben sein. Zum Beispiel vor Veranstaltungsbesuchen in Innenräumen oder Besuchen bei älteren Menschen, nach Risikokontakten bei einer Warnung auf der Corona-App. Auch für diese bezuschussten Tests soll man sich in der Teststelle in eine Liste eintragen und den Anlass angeben.

Die Bezahlung - und Länder unter Zugzwang

Bürgerinnen und Bürger können die drei Euro in der Teststelle oder Apotheke ganz normal bar oder per Karte bezahlen. Für die Anbieter soll der „Erstattungspreis” von 11,50 Euro auf 9,50 Euro gesenkt werden: Zu den drei Euro kommen noch 6,50 Euro vom Bund. Die Länder hätten die Möglichkeit, den Anteil der Bürger an den Tests zu übernehmen, sagte Lauterbach. Dies sei auch eine Möglichkeit, etwa auf größere Corona-Ausbrüche zu reagieren. SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt sagte: „Ich würde mich sehr freuen, wenn sich die Länder an den Kosten beteiligen und so kostenfreie Bürgertests ermöglichen.”

Die Länder-Ressortchefs hatten allerdings erst am Vortag nach einer Konferenz mit Lauterbach signalisiert, dass sie keine Spielräume für eine Kostenbeteiligung sähen. Die Ampel-Haushälter Karsten Klein (FDP), Svenja Stadler (SPD) und Paula Piechotta (Grüne) monierten, dass keine tragfähige Vereinbarung über eine gemeinsame Finanzierung erzielt werden konnte. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte: „Infektionsschutz darf nicht vom Geldbeutel anhängen.” Die Länder müssten ihre Verantwortung wahrnehmen und die drei Euro übernehmen.

Corona-Spurensuche und mehr Kontrollen

„Wir wollen durch die Bürgertests Infektionsketten auch in Zukunft durchbrechen”, sagte Lauterbach. Es sei damit zu rechen, dass die Zahl der Tests sinke. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte davor, Pflegebedürftige daheim und ihre Angehörigen bei kostenlosen Vorbeuge-Tests auszuschließen. „Die Regierungschefs der Länder sind gefordert, den Fehler durch eine Kostenübernahme für diese besonders gefährdeten Menschen zu revidieren”, sagte Vorstand Eugen Brysch.

Das neue Konzept soll auch auf diverse Fälle von Abrechnungsbetrug mit Tests reagieren. Dafür soll unter anderem die Kontrollfrequenz erhöht werden, wie Lauterbach sagte.

Dominierende Variante BA.5 - Sommerwelle rollt

Die leichter übertragbare Omikrom-Sublinie BA.5 ist wie erwartet nun auch nach offiziellen Daten vorherrschend in Deutschland. Der Anteil in einer Stichprobe von vorletzter Woche lag bei 50 Prozent, wie aus dem Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Derzeit ist bereits von höheren Werten auszugehen. Dies treibt die Corona-Sommerwelle an. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut RKI nun bei 618,2 - nach 532,9 gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen am Vortag und 427,8 vor einer Woche.

Der Virologe Christian Drosten sagte, er rechne nach den Sommerferien mit einer hohen Zahl neuer Fälle. Wenn nichts getan werde, werde es im Arbeitsleben viele krankheitsbedingte Ausfälle geben, sagte er dem „Spiegel”. „Die BA.5-Variante ist einfach sehr übertragbar, und die Menschen verlieren gleichzeitig ihren Übertragungsschutz aus der letzten Impfung.” In anderen Ländern sehe man, dass bei sehr hohen Fallzahlen auch Hospitalisierungs- und Todeszahlen stiegen. Das werde auch in Deutschland so sein, es würden aber viel weniger Menschen schwer erkranken und sterben als 2021.

© dpa-infocom, dpa:220624-99-781445/5 (dpa)