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„Antisemit könnte an die Macht kommen“Deutsche Politik sieht mögliche FPÖ-Regierung in Österreich als Warnung

Lesezeit 4 Minuten
Alexander Van der Bellen und Herbert Kickl gehen eine Wand mit Österreich-Flagge entlang.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen (l.) empfing am Morgen in der Hofburg den FPÖ-Chef Herbert Kickl.

In Österreich ist die rechtpopulistische FPÖ mit der Regierungsbildung betraut worden. Reaktionen aus der deutschen Politik sind deutlich.

Beim Treffen des österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen mit FPÖ-Chef Herbert Kickl ist der Rechtpopulist mit der Bildung einer Regierung beauftragt worden. Kurz darauf meldeten sich auch politische Stimmen aus Deutschland zu Wort.

In einer Stellungnahme zum Auftrag der Regierungsbildung an die FPÖ sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen, dass Herbert Kickl sich zutraue, im Rahmen von „Regierungsverhandlungen tragfähige Lösungen zu finden.“ Van der Bellen habe sich diesen Schritt nicht leicht gemacht. „Ich werde auch weiter darauf achten, dass die Prinzipien und Regeln unserer Verfassung korrekt beachtet und eingehalten werden.“

Während CSU-Chef Markus Söder in Deutschland einen Richtungswechsel forderte, mahnte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) die demokratischen Parteien zur Bündnisfähigkeit untereinander. Die AfD sah sich in ihrer Kritik an einem Ausschluss von Koalitionen mit ihr durch andere Parteien bestätigt.

CSU-Chef Söder fordert einen „Richtungswechsel“

CSU-Chef Markus Söder hat die mögliche Bildung einer von der FPÖ geführten Regierung in Österreich als Warnung an die deutsche Politik bewertet. „Die Entwicklung ist natürlich nicht gut“, sagte Söder am Montag zum Auftakt der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag im bayerischen Kloster Seeon vor Journalisten. Für die anstehende vorgezogene Bundestagswahl in Deutschland sei Österreich ein „grundlegender Impuls zur Bestätigung, dass es einen Richtungswechsel braucht“.

Markus Söder, CSU-Parteivorsitzender, gibt zum Auftakt der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag ein Pressestatement.

Markus Söder, CSU-Parteivorsitzender, gibt zum Auftakt der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag ein Pressestatement.

Söder sagte, er habe nach dessen Rücktrittsankündigung mit dem bisherigen österreichischen Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer telefoniert. In Österreich sähen viele einen Grund für die aktuelle Entwicklung mit dem Erstarken der FPÖ in der ehemaligen Regierung der ÖVP mit den Grünen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte in Seeon, die Situation in Österreich sei ein „mahnendes Signal“ an Deutschland. Die Krisensituation nutze den Populisten. In den Sendern RTL und ntv wertete Dobrindt die Entwicklung im Nachbarland als ein „Warnsignal, dass der Politikwechsel den Parteien der Mitte nicht gelungen ist“. Dies habe „die Ränder weiter gestärkt, in diesem Fall die FPÖ“.

Robert Habeck: „Österreich zeigt, was passiert, wenn man nicht mehr bündnisfähig ist“

Derweil sieht AfD-Chefin Alice Weidel den Versuch, ohne den Wahlsieger FPÖ eine Regierung zu bilden, als ein „warnendes Beispiel“. In dem nun gescheiterten Bündnis, das ohne die FPÖ über eine Regierungsbildung verhandelt hatte, sieht sie eine Parallele zur hiesigen Politik. Sie forderte auch die CDU/CSU in Deutschland auf, von ihrer „Brandmauer gegen die AfD“ abzurücken. „Die Wähler haben für eine solche Ausgrenzungspolitik kein Verständnis“, erklärte sie in Berlin. Wichtig sei eine Regierung, in der nicht „wieder linke Parteien den Ton angeben“.

Von einem „besorgniserregenden Signal“ sprach Linken-Parteichef Jan van Aken. „Wenn es darauf ankommt, verhelfen die Konservativen eher den Rechtsextremen zur Macht als auch nur einen Hauch von Sozialpolitik zuzulassen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Van Aken warnte, mit FPÖ-Chef Kickl könnte in dem Nachbarland „ein waschechter Antisemit an die Schalthebel der Macht“ kommen.

„Der Blick nach Österreich zeigt, was passiert, wenn man nicht mehr bündnisfähig ist“, sagte Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck im Deutschlandfunk. Er verteidigte seine Haltung, wonach demokratische Parteien immer Bündnisse untereinander schließen können müssen, auch wenn sie in Sachfragen unterschiedliche Positionen vertreten. Habeck warnte auch vor einer Entwicklung, in der „die Parteien sich immer weiter auseinander bewegen“.

Wenn Parteitaktik über Bündnisfähigkeit gestellt wird, triumphieren am Ende die Populisten.
Grünen-Parteichefin Franziska Brantner

Die Grünen ziehen aus der gescheiterten Bildung einer Regierung ohne die FPÖ in Österreich auch Schlüsse für Deutschland. „Die festgefahrene Situation in Österreich sollten wir als Warnung wahrnehmen“, sagte Parteichefin Franziska Brantner der Deutschen Presse-Agentur. Im Nachbarland sei zu erkennen: „Wenn Parteitaktik über Bündnisfähigkeit gestellt wird, triumphieren am Ende die Populisten“.

Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, sagte der dpa: „Nach Wahlen müssen alle demokratischen Kräfte bereit sein, miteinander zu sprechen und zu einem Konsens zu kommen.“ Dabei richtete sich Haßelmann besonders an die CSU. „Wer, wie die CSU, demokratische Bündnisse beinahe täglich mit großem Getöse ausschließt, macht sich unglaubwürdig und spielt Antidemokraten in die Hände“, warnte die Fraktionschefin. CSU-Chef Markus Söder hatte sich zuletzt immer wieder gegen eine Koalition mit den Grünen ausgesprochen.

SPD-Fraktionsvize fordert von „Merz-CDU“ klare Abgrenzung zur österreichischen ÖVP

„Statt negativen Abgrenzungen von den Grünen würde ich von Markus Söder gerne hören, wie sein Plan ausschaut, dieses Land voranzubringen“, sagte Brantner. Denn gegen eine andere Partei zu sein, sei noch kein politisches Konzept.

SPD-Fraktionsvize Achim Post rief die deutsche CDU auf, sich von der österreichischen ÖVP zu distanzieren. Er verlange von der „Merz-CDU“ eine „klare Abgrenzung“, erklärte Post. „Österreich ist ein Lackmustest der konservativen Parteienfamilie, ob sie einen Kuschelkurs mit Rechtsaußen fahren oder eine Partei der demokratischen Mitte sein möchte.“

Österreich steuert nun womöglich auf eine Koalition zwischen der rechtspopulistischen FPÖ und der konservativen ÖVP als Juniorpartner zu. Die ÖVP zeigte sich offen für Gespräche über eine Regierungsbildung mit der FPÖ. Der noch amtierende ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer, der eine Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ ausgeschlossen hatte, hat seinen Rücktritt angekündigt.

Zurückhaltend zu den Entwicklungen in Österreich äußerte sich die deutsche Bundesregierung. „Wir blicken natürlich mit großem Interesse auf die Entwicklungen in Österreich“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. „Was da jetzt am Ende rauskommt, das muss man abwarten, da haben wir nichts zu kommentieren“, sagte er aber weiter. (red/dpa/afp)