Berlin – Eine der ersten Reaktionen des französischen Präsidenten Francois Hollande auf die Terroranschläge von Paris war die Verhängung des Ausnahmezustands. Möglich sind nun Versammlungsverbote, Ausgangssperren, Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss, Hausarrest für Gefährder und die Schließung von Konzertsälen und Kinos.
In Deutschland gibt es keine Möglichkeit, einen „Ausnahmezustand“ zu verhängen. Auch nach einem Terroranschlag gelten die Grundrechte im üblichen Umfang. Das heißt zum Beispiel: Versammlungsverbote sind - wie sonst auch - nur möglich, wenn von der Versammlung eine konkrete Gefahr ausgeht oder dieser eine nicht anders bewältigbare Gefahr droht. Hausarrest für Gefährder und allgemeine Ausgangssperren sind im deutschen Recht nicht vorgesehen.
Nach einem Terroranschlag kann die Polizei aber zum Beispiel Kontrollstellen einrichten. Diese und andere Fahndungsmöglichkeiten sind sofort möglich, ein Ausnahmezustand muss hierfür nicht ausgerufen werden. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern ist auch nach einem Terroranschlag nicht zulässig. Nur gegen „militärisch bewaffnete Aufständische“ könnte laut Grundgesetz auch die Armee eingesetzt werden.
Notstandsgesetze beziehen sich auf Außenpolitik
Die Einführung der Notstandsgesetze im Deutschland der 60er-Jahre hatte am Ende nur noch wenig Bezüge zu einem innenpolitischen Ausnahmezustand. Nach heftiger Kritik von Gewerkschaften und Studentenbewegung beziehen sich die Notstandsgesetze vor allem auf außenpolitische Konfliktlagen. Sie sind anwendbar im Verteidigungsfall, im Spannungsfall und teilweise im Bündnisfall.
Zum Beispiel kann im Verteidigungsfall die Gesetzgebung auf einen 48-köpfigen „Gemeinsamen Ausschuss“ übergehen, wenn Bundestag und Bundesrat nicht mehr beschlussfähig sind. Auch Arbeitsverpflichtungen sind im Verteidigungs- oder Spannungsfall möglich. Die Bundeswehr kann im Innern zum Objektschutz eingesetzt werden und auch sonst der Polizei helfen.
Zudem können allerlei „Sicherstellungsgesetze“ angewandt werden, etwa im Bereich der Landwirtschaft oder des Verkehrs. Durch planwirtschaftliche Maßnahmen soll jeweils garantiert werden, dass die „für Zwecke der Verteidigung erforderlichen lebenswichtigen“ Leistungen tatsächlich zur Verfügung stehen. Im Bündnisfall sind zwar die Sicherstellungs-Maßnahmen möglich, nicht aber Einsätze der Bundeswehr im Inland.
Nato-Bündnisfall wurde nur einmal ausgerufen
Das Grundgesetz definiert den Verteidigungsfall als bewaffneten Angriff auf die Bundesrepublik. Nach herrschender Ansicht genügt ein Terror-Anschlag hierfür nicht. Der Verteidigungsfall wird vom Bundestag oder notfalls vom Gemeinsamen Ausschuss mit Zwei-Drittel-Mehrheit festgestellt. Auch der Spannungsfall als Vorstufe des Verteidigungsfalls muss vom Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden.
Dagegen genügt für die Ausrufung des Bündnisfalls ein einstimmiger Beschluss des Nato-Rats. Zustimmen muss dort also die Bundesregierung; ein Beschluss des Bundestags ist nicht erforderlich. Allerdings bedarf jeder Einsatz der Bundeswehr im Ausland der Zustimmung des Bundestags.
Bisher gab es in Deutschland zum Glück weder einen Verteidigungs- noch einen Spannungsfall. Der Nato-Bündnisfall wurde bisher einmal ausgerufen, 2001 nach den Al Qaida-Anschlägen auf die USA. Formal besteht dieser Bündnisfall immer noch. Er hatte aber keine Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage.