Die Gas-Pipeline Balticconnector war nach einem plötzlichen Druckabfall abgeschaltet worden. Finnland und Estland vermuten Sabotage in der Ostsee.
„Anschlag auf kritische Infrastruktur“Kreml äußert sich zu Leck an Ostsee-Pipeline – Nato und EU besorgt
Die finnische Regierung hat sich gemeinsam mit der EU und der Nato besorgt über die Sabotage der Ostsee-Pipeline Balticconnector zwischen Finnland und Estland gezeigt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte jegliche Form von „absichtlicher Zerstörung kritischer Infrastruktur“. Auch die Nato wurde nach dem Zwischenfall eingeschaltet.
Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte, er werde mit den Partnern Finnland und Estland „alle Informationen teilen, die wir bereitstellen können“. Auch Schweden hat seine Hilfe bei der Aufklärung des „besorgniserregenden“ Vorfalls angeboten. Mehrere Sicherheitsexperten mutmaßen laut finnischen Medien über eine Beteiligung Russlands an der Beschädigung der Gas-Pipeline.
Finnland: Ostsee-Pipeline Balticconnector sabotiert – Kreml spricht von „alarmierendem“ Vorfall
Moskau kommentierte die Anschuldigungen zunächst nicht. Stattdessen veröffentlichte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch ein Statement, in dem er den kolportierten Anschlag als „alarmierend“ bezeichnete. Der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin verwies auf „Präzedenzfälle von Terroranschlägen im Baltikum“.
Peskow spielt dabei auf Parallelen zu den Anschlägen auf die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 im vergangenen Herbst an. Unbekannte zerstörten dabei mit speziellen Sprengsätzen Teile der Gas-Pipelines zwischen Deutschland und Russland, die seitdem nicht mehr in Betrieb gegangen sind. Wie im Fall der Balticconnector kam es auch in der deutschen Ostsee zu einem plötzlichen Druckabfall.
Ostsee-Pipeline Balticconnector: Explosion gemessen – Parallelen zu Anschlägen auf Nord Stream 1 und 2
Militärische Überwachungssysteme hatten die Explosionen bei Nord Stream 1 und 2 allerdings viel früher registriert, weil sie aufgrund ihrer Stärke auf Seismografen registriert wurden. „Wir haben keinerlei Ausschläge zu Explosionen erhalten. Wenn es sie gab, dann waren sie nicht im messbaren Bereich“, erklärte Timo Tiira, Leiter des Instituts für Seismologie an der Universität Helsinki, der „Washington Post“.
Eine Erdbebenstation im Süden Finnlands meldete allerdings am Mittwoch Anzeichen auf eine mögliche Explosion. Diese habe sich in der Nacht zum Sonntag um 1.20 Uhr finnischer Ortszeit ereignet, teilte die norwegische seismologische Forschungseinrichtung Norsar mit. Das Ereignis habe eine Stärke von schätzungsweise 1,0 gehabt – deutlich geringer als bei den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines.
Finnland: Nato verstärkt Sicherheitsvorkehrungen nach Explosionen an Ostsee-Pipeline
Der finnische Präsident Sauli Niinistö erklärte am Dienstag, die Gas-Pipeline und ein Telekommunikationskabel seien durch äußere Einflüsse beschädigt worden. Weitere Details nannte Niinistö zunächst nicht, er blieb in seiner Wortwahl zu den möglichen Verursachern sehr vage. Das Leck an der Balticconnector sei lokalisiert und werde von der finnischen Küstenwache gemeinsam mit Spezialisten der Nato untersucht.
„Wir werden transparent mit der Ursache und den Verursachern des Lecks umgehen, sobald der Vorfall aufgeklärt ist“, sagte der finnische Präsident in einer Pressekonferenz weiter. Der finnische Außenpolitik-Experte Henrik Vanhanen sprach von einem „Anschlag auf die kritische Infrastruktur“. Die Nato hat angekündigt, ihre Sicherheitsvorkehrungen in der Ostsee zu erhöhen. Kritische Infrastruktur soll so besser geschützt werden können.
Balticconnector: Russland verschärft Ton gegenüber Finnland nach Nato-Beitritt – Explosion in internationalen Gewässern
Die Stelle des Lecks liegt in internationalen Gewässern, sodass bei einem Anschlag durch das Militär oder einen Geheimdienst nicht die Souveränität Finnlands oder Estlands verletzt wurde. Sonst hätte möglicherweise der Nato-Bündnisfall ausgelöst werden können, sollte ein Staat die Nato-Mitglieder Finnland und Estland angegriffen haben.
Derzeit ist allerdings noch wenig über die Form der Sabotage bekannt, auch über die Verursacher ist wenig zu erfahren. Finnland kooperiere derzeit mit der Nato und seinen Nachbarländern. Eine Kooperation mit Russland sei dagegen nicht angedacht, erklärte Sauli Niinistö weiter. Die russische Regierung hatte nach dem Nato-Beitritt Finnlands den Ton gegenüber Finnland deutlich verschärft.
Explosion an finnischer Ostsee-Pipeline: Sicherheitskreise mutmaßen über Beteiligung Russlands
„Klar ist, dass Russland ein Motiv hat. Der Kreml drohte mit Vergeltung, wenn Finnland [...] der Nato beitritt. Finnland hat dies im Frühjahr ohne zu zögern getan und das Gasleck im Finnischen Meerbusen ist der erste größere Vorfall seitdem“, schreibt die schwedische Zeitung „Dagens Nyheter“. Mehrere finnische Medien hatten mit Bezug auf Sicherheitskreise über eine Beteiligung Russland gemutmaßt. Finnland hatte nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine die Nato-Mitgliedschaft beantragt.
Der Kreml bemüht sich derweil, den Verdacht auf andere mögliche Verursacher zu lenken. Russland vermutet hinter den Angriffen, ähnlich wie bei Nord Stream 1 und 2, ukrainische Hintermänner. Ermittlungen des Generalbundesanwalts deuten zumindest im Fall der deutsch-russischen Pipeline auf Spuren in die Ukraine hin. Kiew hat jegliche Beteiligung bisher dementiert.
Finnland: Angriff auf kritische Infrastruktur – plötzlicher Druckabfall in Gas-Pipeline Balticconnector
Die Gas-Pipeline Balticconnector ist erst seit 2020 in Betrieb, sie sollte die Lücke zwischen dem europäischen Festland und Finnland im Gasnetz schließen. Finnland geht nicht davon aus, dass das Leck einen großen Einfluss auf die Energieversorgung des Landes haben wird, auch die Beschädigung des Telekommunikationskabels sei nicht problematisch.
Die finnische Regierung hatte nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine ein LNG-Terminal in Inkoo eingerichtet, wo auch die Balticconnector auf Land trifft. Finnland bezieht mehr als ein Drittel seines Energiemixes aus Kernkraftwerken, der Anteil von Erdgas lag 2022 bei nicht mal drei Prozent. (shh)