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Die Prätorianergardistin des PräsidentenFirst Lady Jill Biden verteidigt Alter und Lebenswerk ihres Mannes

Lesezeit 5 Minuten
US-Präsident Joe Biden und First Lady Jill Biden halten Händchen am Flughafen.

US-Präsident Joe Biden und First Lady Jill Biden kommen mit der Marine One am East Hampton Airport in East Hampton, N.Y. an.

Die aktuelle Debatte über das Alter von Präsident Biden empfindet First Lady Jill Biden als Angriff auf dessen Lebenswerk.

Es war der Auftakt für Joe Bidens erste Präsidentschaftskandidatur. Und der lief gar nicht gut: Am Abend des 3. Februar 2020 zeichnete sich ab, dass der Politiker bei den parteiinternen Vorwahlen in Iowa eine krachende Niederlage erlitten hatte. Hinter seinen damaligen Wettbewerbern Pete Buttigieg, Bernie Sanders und Elizabeth Warren landete Joe Biden gerade mal auf dem vierten Platz. Im Veranstaltungsaal in Des Moines, der für eine Siegesfeier angemietet worden war, machte sich schwere Enttäuschung breit.

Um 22.30 Uhr aber öffnete sich plötzlich der Vorhang. Eine blonde Frau im grünen Kleid mit hohen Stiefel stürmte in Richtung Bühne. Sie zog einen älteren Herrn die Stufen herauf und winkte dann wild mit beiden Händen, bis wirklich der ganze Saal jubelte. Joe Biden stand hinter seiner Frau und stützte sich kurz auf ihre Schultern.

Ein paar Monate später sicherte sich Biden dann doch die Nominierung seiner Partei, seit dreieinhalb Jahren sitzt er als Präsident der USA im Oval Office. Doch an der Rolle von Jill Biden hat sich seit jenem Abend in Iowa wenig geändert: Sie ist seine größte Unterstützerin, wichtigste Beraterin und wildeste Verteidigerin. In der Nacht zum Freitag, nach der von Aussetzern und Versprechern überschatteten TV-Debatte, wurde das für die Öffentlichkeit wieder einmal sichtbar: Da trat Jill Biden bei der Watch-Party der Demokraten in Atlanta vor ihrem sichtlich gezeichneten Mann ans Rednerpult und lobte ihn überschwänglich: „Joe, Du hast einen großartigen Job gemacht. Du hast alle Fragen beantwortet.“

Debatte um Joe Bidens erneute Präsidentschaftskandidatur

Nun erscheint die August-Ausgabe des Modemagazins „Vogue“. Das Titelbild zeigt die First Lady in einem 5000 Dollar teuren Tuxedo des Designers Ralph Lauren. Nach der desaströsen Fernsehdebatte hat Jill Biden für die Geschichte noch einen Satz nachgeliefert. Der sagt in der aktuellen Lage mehr aus über die Präsidentengattin (und damit auch ihren Mann), als das ganze Porträt: „Wir werden nicht zulassen, dass diese 90 Minuten die vier Jahre seiner Präsidentschaft bestimmen.“

Joe Bidens Umfragewerte sind katastrophal. Dreiviertel der Amerikaner glauben, dass ihr Präsident geistig für das Amt nicht mehr fit genug ist. Die Hälfte der demokratischen Wähler wünscht sich seinen Rückzug von der Kandidatur. Doch der 81-Jährige denkt nicht ans Aufgeben. Und seine wichtigste Antreiberin ist seine Ehefrau. Bei dem Familientreffen auf dem Landgut Camp David, so berichtete es das Politmagazin „Politico“, hätten Jill und der vorbestrafte Sohn Hunter am stärksten darauf gedrängt, dass der Präsident an seiner Kandidatur festhalte.

„Wir werden weiter kämpfen“, hat Jill Biden auch „Vogue“ gesagt. Die Frage ist nur: wofür? Geht es wirklich um „das Beste für das Land“, wie die 73-Jährige sagt? Oder vor allem um das Beste für die Familie, die nach einer Häufung tragischer Schicksalsschläge ungewöhnlich eng verwoben ist? Oder am Ende um sie selbst?

Die Rolle der First Lady Jill Biden

Wer die ungewöhnliche Rolle von Jill Biden verstehen will, muss zurückblenden bis in die 1970er Jahre. Joe Biden, damals der jüngste Senator der USA, hatte eine schlimme Familientragödie hinter sich, als er 1975 bei einem von seinem Bruder inszenierten Blind Date die fast neun Jahre jüngere Jill Jacobs kennenlernte: Bei einem Verkehrsunfall waren seine Frau und seine kleine Tochter gestorben, die beiden Söhne überlebten mit Verletzungen. Auch das Leben von Jill Jacobs war durch die Scheidung von ihrem ersten Mann, einem Ex-Football-Spieler, durcheinandergeraten. Ihrer Mutter berichtete sie, sie habe endlich „einen echten Gentleman“ kennengelernt. Dennoch ließ sie sich von Joe Biden mehrfach bitten, bevor die beiden 1977 heirateten.

Jill Biden nahm schnell die Mutterrolle für die beiden Söhne Hunter und Beau (der später an einem Gehirntumor verstarb) an. Mit Joe Biden hat sie eine gemeinsame Tochter: Ashley. Jill Biden war es, die den damals drogensüchtigen Hunter 2018 zu einem Entzug drängte. Sie marschierte vor wenigen Tagen auch mit ihm in Wilmington in das Gericht, wo er wegen unerlaubtem Waffenbesitz verurteilt wurde. Und sie hat ihrem Mann stets den Rücken gestärkt.

Nach dem Wechsel ins Weiße Haus hat die Lehrerin ihren Job beibehalten. An einem College in Virginia, wo sie sich als „Dr. B.“ anreden lässt, unterrichtet sie Englisch. Zugleich betätigt sie sich als engagierte Beraterin ihres Mannes, was unter dessen professionellen Mitarbeitern nicht nur für Begeisterung sorgt. Umgekehrt zeigt sie sich im „Vogue“-Porträt unzufrieden mit der Kommunikationsarbeit der Regierung. „Wenn die Leute wüssten, was Joe alles gemacht hat“, klagt sie zweimal. „Deshalb bin ich draußen unterwegs, um zu sagen: Das ist es, was wir erreicht haben. Und so wird es Euer Leben beeinflussen.“

Dazu passt, dass die Biden-Familie bei ihrer Zusammenkunft am Wochenende laut „Politico“ den Beratern des Präsidenten die Schuld an dessen Versagen in der TV-Debatte gab. Bei einer Spendengala in New York hatte Jill Biden zuvor noch einmal erklärt, sie werde nicht zulassen, dass das politische Erbe ihres Mannes zerstört wird. Kämpferisch trug sie ein Kleid mit der Aufschrift „Vote!“.

Ganz offensichtlich wertet Jill Biden die aktuelle politische Debatte über einen Rückzug ihres Mannes als persönlichen Angriff. Im März 2020, einen Monat nach den Vorwahlen in Iowa, hatte eine Demonstrantin Joe Biden während einer Rede unterbrochen und war auf die Bühne gestürmt. Jill Biden drängte sie energisch mit ausgestrecktem Arm ab. „Ich bin ein gutes Mädchen aus Philly“, erklärte die Frau aus Philadelphia damals ihre Toughness. Nun zieht die 73-Jährige ihre Boxhandschuhe an. (rnd)