Bitte nicht genau hinsehen, wenn Gesetze entstehen – nach dieser Devise verfährt Bundeskanzler Scholz. Bei den Vorgaben fürs Heizen ist das schiefgegangen.
GebäudeenergieSie schlafen besser, wenn Sie nicht wissen, wie das Heizungsgesetz entstanden ist
Die Zahl der Gemeinsamkeiten zwischen dem ersten Reichskanzler Otto von Bismarck und dem heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz ist abseits ihrer norddeutschen Herkunft überschaubar. Bismarck hielt Sozialdemokraten wahlweise für „Reichsfeinde“ oder „gemeingefährlich“, Scholz sieht sich hingegen bekanntlich selbst als „truely Sozialdemokrat“. Bei einer Einschätzung allerdings sind sich Scholz und Bismarck einig: Das Volk soll doch bitte nicht so genau hinsehen, wenn Gesetze entstehen
„Je weniger die Leute davon wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie“, heißt das berühmtes Bonmot, das Bismarck immer wieder zugeschrieben wird. Scholz formuliert zwar weniger derb, doch auch der Kanzler beschwert sich regelmäßig, dass in der Öffentlichkeit zu viel über politische Prozesse und zu wenig über Inhalte diskutiert werde.
Die Schlagzeilen zum Heizungsgesetz haben der Koalition geschadet
Tut es das wirklich? Es gibt derzeit eine Menge Hinweise darauf, dass der Kanzler mit dieser Einschätzung falsch liegt: die Schlagzeilen der vergangenen Monate, die gereizte Atmosphäre innerhalb der Koalition, der Absturz der Ampel in den Umfragen. In einer von Echtzeit-Nachrichten getriebenen Medienwelt können politischer Streit, Wasserstände und Kommunikationspannen eine gewaltige Wirkung entfalten – und das unabhängig davon, was am Ende eines Prozesses im Gesetzblatt steht.
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Nachdem seine Koalition im Streit um das Heizungsgesetz beinahe in die Luft geflogen wäre, beschied Scholz dem staunenden Publikum, dass es „ein bisschen geruckelt“ sich nun aber auch „zu Ende geruckelt“ habe. Würde man Scholz Politikstil mit einem Satz zusammenfassen wäre es wohl dieser: Das Ergebnis zählt.
Gebäudeenergiegesetz: Ein Leerstück, wie man es nicht macht
Das sogenannte Gebäudeenergiegesetz der Ampel, im Volksmund Heizungsgesetz, war in dieser Hinsicht ein Lehrstück - wie man es nicht macht. Von Anfang an waren das Gesetz und die Kommunikation der Regierungsparteien darüber missglückt, und das zog sich wie ein roter Faden durch den gesamten Prozess. Ob es nun das Durchstechen des Referentenentwurfs an die Bild-Zeitung war, der knapp 30-stündige Marathonkoalitionsausschuss, an dessen Ende ein Durchbruch verkündet wurde, der keiner war, oder die High Noon-Situation vor der Ersten Lesung im Bundestag – bei jeder sich bietenden und nicht bietenden Gelegenheit bewies die Ampel öffentlich, wie uneins die angeblichen Partner in Sachen Wärmewende sind.
Dass nun eine abermalige Nachtsitzung der Koalitionsspitzen für letzte Details nötig war, dass am Morgen danach eine Einigung verkündete aber keine Inhalte präsentiert werden, passt ins Bild. Und noch liegt der finale Gesetzentwurf nicht vor. Weitere Hakeleien sind nicht nur nicht ausgeschlossen sondern geradezu wahrscheinlich.
Es liegt eine gewisse Tragik darin, dass kaum noch jemand Notiz davon nimmt, dass das Heizungsgesetz in den vergangenen Wochen und Monaten inhaltlich besser geworden ist. Das gilt auch für die Einigungen der vergangenen Nacht. Es ist sinnvoll, die Sanierungsförderung sozial besser auszubalancieren. Und es ist ebenfalls sinnvoll, bereits verbaute und funktionierenden Heizung nicht wieder herauszureißen, wenn sich Pläne von Stadtwerken ändern. Beides sagt einem allerdings schon der gesunde Menschenverstand, warum die Ampel ganze Nachtsitzungen dafür brauchte, bleibt ihr Geheimnis.
Wer den Heizungsstreit in den vergangenen Wochen und Monaten verschlafen hätte und nun nur das Ergebnis betrachten würde, könnte dem Gesetz mehr abgewinnen als all jene, die unfreiwillig Zeuge des wenig appetitlichen Schauspiels geworden sind. So gesehen hatte zumindest Bismarck recht.