Gewalt in FußballstadienChef der Polizeigewerkschaft warnt vor Todesopfern
Köln –
Michael Mertens ist Gewerkschaftschef, Polizist - und Fußballfan. Als solcher hat er in den vergangenen Monaten gemerkt: „In den Stadien passiert was.“ Damit meint er nichts Gutes: „Die Grenzüberschreitungen nehmen zu, die Vereine ziehen sich zurück und tun kaum etwas gegen gewaltbereite Fans.“ Als Chef der einflussreichen Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW warnt Mertens: „Wenn sich nicht bald etwas ändert, dann könnte es Tote geben.“
Was ist passiert? Mertens sieht nach Ende der coronabedingten Geisterspiele einen bitteren „Nachholbedarf beim Austoben“ in der gewaltbereiten Szene. „Das war schon beim Ende der letzten Saison so, das geht in der neuen weiter.“ Jüngstes, krasses Beispiel: Die Massenschlägerei beim Conference-League-Spiel des 1. FC Köln in Nizza. Für 3. November ist das Rückspiel in Köln angesetzt.
Furcht vor Rückspiel Köln gegen Nizza
„Dort muss man ähnliche Bilder fürchten“, sagt Mertens: „Die Polizei wird mit einem Großaufgebot im Einsatz sein.“ Und dabei beginnt am gleichen Tag auch noch das Treffen der G7-Außenminister in Münster. Ebenfalls eine Mammutaufgabe für die Bereitschaftspolizei. Zur Orientierung: Beim jüngsten Derby zwischen Dortmund und Schalke waren laut Polizeikreisen zehn Hundertschaften im Einsatz.
Die Beamten, die sprichwörtlich ihren Kopf hinhalten, werden aus Sicht des Gewerkschafters von den Clubs alleine gelassen: „Die Polizei liefert den Vereinen nach Gewaltexzessen Namen der Beteiligten – aber sie reagieren oft nicht. Dabei müsste es jedes Mal ein lebenslanges Stadionverbot geben.“ Eben das hat der FC nach den Szenen in Nizza bereits angekündigt. Für Mertens alternativlos: „Die Vereine müssen doch selbst ein Interesse haben, dass Fußball ein Familienevent bleibt.“
12.700 gewaltbereite Fans gezählt
Tatsächlich ist die Zahl der Störer im Vergleich zu hunderttausenden friedlichen Anhängern eigentlich gering: Rund 12.700 gewaltbereite Fans in den ersten drei Ligen hat die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei in der vergangenen Saison ausgemacht. Der neue ZIS-Jahresbericht, der vor wenigen Tagen erschien, sieht unter den 12.700 rund 2800 „Fans“ in der „Kategorie C“. Heißt: Nicht nur gewaltbereit, sondern „gewaltsuchend“.
Die absolute Zahl der „Kategorie C“-Randalierer ist kaum gestiegen. Aber die Gewalt nahm – vor allem in der 2. Liga - statistisch belegt zu: Laut ZIS-Bericht kamen zwar 35 Prozent weniger Zuschauer, es gab aber 23 Prozent mehr Straftaten. Und sogar 60 Prozent mehr Verletzte. Die Experten der Polizei begründen das mit der Zusammensetzung der 2. Liga in der vergangenen Saison: Dresden, Rostock und Schalke in einem Wettbewerb – da knallte es immer wieder.
Platzsturm hätte schlimm enden können
Als Schalke aus der 2. Liga wieder aufstieg, kam es aus Sicht von GdP-Chef Mertens zum traurigen Höhepunkt: „Die Bilder vom Platzsturm -das sah aus wie bei der Loveparade.“ Der zuständige Leitende Polizeidirektor hatte danach gesagt, die Aktion „hätte auch in einer Katastrophe enden können.“ Was Mertens ärgert: Die Stadt Gelsenkirchen habe zwar zum Aufstieg gratuliert – aber den brandgefährlichen Platzsturm außen vor gelassen.
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„Wenn die Entwicklung so weiter geht, haben wir demnächst nicht mehr ‚nur‘ Schwerverletzte“, sagt Mertens: „Dann endet so etwas auch tödlich.“ Vor der Europameisterschaft 2024 – auch in vier Stadien in NRW – müssten alle Beteiligten klar machen: Gewalttäter dürfen nicht die Oberhand gewinnen. Dabei könnten die kommenden Wochen noch einmal ein völlig neues Phänomen aufbringen, so Mertens: Wegen der Energiekrise werden mutmaßlich bald auch die Stadien betroffen sein, weil zum Beispiel die Rasenheizungen ausgestellt werden. Dann könnte – neben dem Dauerbrenner Kommerz – auch das Thema Krieg plötzlich in die Stadien schwappen. Und auch hier neue Gewalt schüren.