Großes WaldsterbenWas immer mehr Baumfriedhöfe im Rheinland für unser Klima bedeuten
- Die Tage der Fichte im Rheinland sind gezählt. Winzige Insekten fallen im dritten Jahr in Folge über die von den Dürren geschwächten Nadelwälder her.
- Forstgebiete in der Eifel und im Bergischen sehen bereits aus wie Baum-Friedhöfe. Die Not der Waldbauern ist groß.
- Kann der Wald noch gerettet werden? Und wenn ja, wie?
Köln – Der Wald ist seit jeher ein Sehnsuchtsort der Deutschen. Er suggeriert Sicherheit, Geborgenheit, Kontinuität. Gerade in Corona-Zeiten registrierten die Förster in der ganzen Republik einen deutlichen Anstieg der Waldbesucher. Wald zu betreten, das ist in Deutschland ein verbrieftes Recht.
Wald darf man nicht ohne triftigen Grund einzäunen. Wald ist etwas Urzeitliches und wirkt verglichen mit einem Menschenleben unverwundbar. Doch das ist er nicht. In den 1980er Jahren fürchtete man ein Waldsterben. Das blieb zwar aus, hat aber das Bewusstsein der Menschen verändert.
Das Waldsterben ist da
Jetzt aber ist das Waldsterben da. Nicht verursacht durch Abgase, Müll oder zu viele rücksichtslose Mountainbiker, sondern auf natürlichem Wege. Die Feinde des Waldes tragen unverdächtige Namen wie Buchdrucker und Kupferstecher – so heißen die beiden bei uns vorkommenden Borkenkäferarten.
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Eigentlich gehören sie zu einem gesunden Wald dazu, sie dienen dazu, schwache Bäume zu beseitigen und so Platz für neue und gesunde zu machen. Die Krux dabei ist: Fast alle Bäume sind zurzeit schwach, zumindest die Fichten, der Brotbaum der Waldbauern.
Dramatische Käferinvasion
Dass die Käferplage so dramatisch wurde, ist eine Folge ungünstiger Ereignisse. Der Hitzesommer 2018 schwächte die ohnehin von Stürmen gebeutelten Fichten, die ursprünglich aus den kühlen Höhenlagen Skandinaviens und Sibiriens stammen. Eigentlich können Fichten einen Käferangriff durch die Bildung von Harz abwehren, doch dazu brauchen sie Wasser – und das fehlte. Es folgte ein milder trockener Winter – genau den lieben die Käfer und vermehrten sich schlagartig. Der warme Sommer 2019 war praktisch eine Wiederholung von 2018 und so explodierte die Käferpopulation erneut. Es folgte der nächste milde Winter und im Jahr 2020 der trockenste April seit Jahrzehnten. Die Folgen sind verheerend.
Um sie zu sehen, muss man kein Wissenschaftler sein. Wer mit dem Auto über die A4 Richtung Olpe fährt, sieht rechts und links der Autobahn hektarweise tote Fichtenwälder. Rot-braune Gerippe auf fußballfeldgroßen Flächen. Dabei sind diese feuchteren und kälteren Lagen im Oberbergischen nicht die am schlimmsten betroffenen. Denn je wärmer und trockener eine Region ist, desto verheerender schlägt der Borkenkäfer zu.
Düsteres Zukunftsbild
Uwe Schölmerich, Leiter des Forstamtes Rhein-Sieg-Erft, zeichnet ein düsteres Bild. „In tieferen Lagen, also um Köln und Bonn, sind bereits 60 Prozent der Fichten vom Borkenkäfer befallen, Tendenz steigend“, sagt Schölmerich. Die bei Erholungssuchenden beliebten Gebiete Kottenforst und Vorgebirge hat es noch schlimmer getroffen, auf 80 Prozent schätzt der Förster die befallenen Fichten.
Für die Waldbauern ist das katastrophal. Laut Schölmerich ist der Preis für einen Festmeter Fichtenholz auf 30 bis 40 Euro gefallen. Das ist nur noch ein Drittel von dem, was Holz vorher kostete. Und noch schlimmer. „Durch die dürren Jahre sind manche der Bäume so trocken, dass sie zum Teil gar nicht mehr sägefähig sind“, sagt Förster Schölmerich.
Alarm der Waldbauern
Aus diesem Grund schlagen die Waldbauern Alarm. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Gemeindewaldbesitzerverband Nordrhein-Westfalen fordern einen finanziellen Schutzschirm für die Rettung des Waldes im Klimawandel. „Wenn der Wald der Zukunft anders aussehen soll als der Wald der Vergangenheit, dann müssen Bund und Länder dem Kommunalwald grundsätzlich unter die Arme greifen. Bäume sind für die Zukunft des Klimas entscheidend. Nichts ist gefährlicher, als wenn unsere Wälder diese Aufgaben zukünftig nicht mehr erfüllen können“, sagen Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, und Bürgermeister Bernhard Halbe (Schmallenberg), der Vorsitzende des Gemeindewaldbesitzerverbandes NRW.
Ohne eine zusätzliche Soforthilfe „Waldrettung“ schafften die Kommunen die Zukunftsaufgabe „Wiederbewaldung und Umbau zu klimarobusten Mischwäldern“ nicht mehr. Verantwortlich seien nicht nur die gravierenden Einnahmeverluste aus dem Holzverkauf von vom Borkenkäfer befallenen Fichten. Durch die Corona-Krise brächen auch die Steuereinnahmen für die Kommunen weg, die in der Vergangenheit in der Not finanzieller Rückhalt für den Wald waren.
Kein Geld in Aussicht
Geld in Aussicht gestellt wurde bislang nicht, weder für private noch für kommunale Waldbesitzer. Unklar ist auch, wie der so genannte Waldumbau gelingen soll. Naturschützer fordern teils, die Totholzbestände einfach stehen zu lassen, weil dort von allein ein neuer Wald entstehe und das Totholz Lebensraum für viele Tiere sei. Davon aber hält Förster Schölmerich rein gar nichts. Die toten Bäume würden in zwei bis vier Jahren umstürzen, der Wald wäre über Jahre nicht zu betreten und an gleicher Stelle würde wieder ein anfälliger Fichtenwald entstehen. Er hält heimische Kiefern oder mediterrane Schwarzkiefern für die bessere Alternative.
Im Moment mangelt es aber an Personal und Gerät, um die Wälder überhaupt aufzuräumen. In Rheinland-Pfalz wurde dazu jetzt sogar die Bundeswehr um Hilfe gerufen. 100 Soldaten sind dazu ab sofort für drei Monate unter Anleitung von Förstern im Einsatz. Um die neuen Aufforstungen besser zu schützen, wurde in NRW nun an arg betroffenen Stellen die Jagdzeit auf Rehböcke um den Monat April verlängert. Die Jäger sind dagegen, wollen den Tieren im April noch Ruhe gönnen.
Wann werden wir wieder einen gesunden Wald haben? Schölmerich hat eine traurige Antwort: „Das wird drei bis acht Jahrzehnte dauern.“