Düsseldorf/Bergheim – Beim Wandel des Rheinischen Braunkohlereviers zu einer klimaneutralen Industrieregion kommt den Kraftwerksstandsorten des Energiekonzerns RWE herausragende Bedeutung zu. Doch was ist mit möglichen Altlasten, die bei den alten Industrieanlagen hohe Abbruchkosten verursachen können? Greenpeace befürchtet, dass diese Kosten auf den Steuerzahler abgewälzt werden könnten. „Dafür will das NRW-Bauministerium offensichtlich auf staatliche Fördergelder zurückgreifen“, behauptet die Umweltschutzorganisation.
Um die RWE-Flächen möglichst schnell marktfähig zu machen, haben RWE und die Landesregierung im Februar 2022 eine gemeinsame Gesellschaft gegründet, an der das Land mit 50,1 und RWE mit 49,9 Prozent beteiligt ist. Ihr Name: „Perspektive.Struktur.Wandel GmbH“ – abgekürzt PSW. Die Gesellschaft soll „in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Kommunen attraktive Nachnutzungsperspektiven für Standorte im Rheinischen Revier erarbeiten, heißt es in einer Stellungnahme von RWE.
Greenpeace wertet 100 interne Dokumente aus
Für die Landesregierung steht „die Klärung von Entwicklungspotenzialen von ausgewählten, nicht mehr für den Betrieb erforderlichen Standorten der RWE Power AG im Vordergrund“. Es gehe um „die Nutzbarmachung dieser Flächen für neues Arbeiten und Wohnen im Rheinischen Revier“.
Greenpeace hat im Zusammenhang mit der Gründung der PSW und den Vorverhandlungen mehr als 100 interne Dokumente ausgewertet, die sie nach mehreren Anfragen auf der Basis des Umwelt- und Informationsfreiheitsgesetzes erhalten hat.
Danach gab es seit Januar 2020 bereits intensive Vorabsprachen zwischen RWE und dem NRW-Bauministerium, obwohl die politische Entscheidung zur Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft im Bauministerium erst im März 2021 getroffen wurde. Laut Greenpeace habe RWE „massiven Einfluss auf Struktur und Rahmenbedingungen“ der PSW ausgeübt.
„Intransparente Struktur"
Greenpeace spricht von einer „intransparenten Struktur“ zwischen der RWE Power AG, der PSW und weiteren Gesellschaften wie der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR), der Urban.NRW GmbH & Co. KG, einer hundertprozentigen Tochter des Landes NRW, und der Projektunterstützungsgesellschaft PUG-RR.
In einem internen Vermerk an Kommunalministerin Scharrenbach (CDU) schreibt einer ihrer Abteilungsleiter, der an der Ausarbeitung des Gesellschaftervertrags beteiligt war, er habe bei den Verhandlungen mit RWE deutlich gemacht, „dass nach allen Erfahrungen die Gefahr besteht, dass Öffentlichkeit, Politik, Medien oder Prüforgane irgendwann die Frage aufwerfen, ob bei solchen Projekten mit Fördermitteln alle Lasten sozialisiert und aller Nutzen privatisiert werden. Insofern sind Transparenz, gemeinsame Grundlagen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in einem verlässlichen Rahmen entscheidend für einen außenwirksamen Erfolg.“
Bei einer Zusammenarbeit mit RWE, „in welcher Form auch immer, muss jederzeit unstrittig sein, dass das Land einzig die Wahrung und Unterstützung der Interessen der Kommunen zum Ziel hat und zu keinem Zeitpunkt Konzerninteressen vertreten und mitfinanziert werden“, mahnt der Abteilungsleiter.
Die Frage, wie man mit potenziell belasteten Industrieflächen von RWE wie zum Beispiel in Frimmersdorf umgehen solle, wird auch thematisiert.
Man habe den Vertretern von RWE „erst im Gespräch“ deutlich machen können, dass Fördermittel für die Aktivierung aller Kraftwerksflächen und deren Ausbau erst dann genutzt werden können, wenn die betroffene Kommune die Grundstücke erworben habe. „Das wirft die grundsätzliche Frage auf, wie mit den Wertigkeiten der unterschiedlichen Grundstücke (Rosinen und Lastflächen) umgegangen wird.“
Im Fall Frimmersdorf seien rund 40 Hektar mit derart hohen Abbruchkosten verbunden, dass sich eine Entwicklung nicht lohne. Der überwiegende Teil des Standorts hingegen, rund 60 Hektar, eigne sich für neue Projekte. „RWE verweigert sich nicht bei einer Quersubventionierung von Potential- und Lastflächen. Allerdings gibt es auch Grenzen“, so der Abteilungsleiter in einem Vermerk an die Ministerin.
Das ist für Greenpeace ein Beleg dafür, dass RWE dem Land beim Flächenverkauf die Bedingungen diktieren könnte.
„Altlastenförderung bekommt RWE definitiv nicht“
Das Kommunalministerium weist die Vorwürfe der Intransparenz von Greenpeace zurück. Durch die gemeinsame Gesellschaft sei geregelt, dass der RWE-Konzern nicht ohne Abstimmung mit dem Land Grundstücke verkaufen können. „Wir wollen erreichen, dass die Kommunen und das Land Nordrhein-Westfalen bei der Entwicklung und dem Verkauf von Flächen von RWE einbezogen werden, damit neue Arbeitsplätze und Wohnungen nicht auf Freiflächen gebaut werden müssen, sondern auf bisher bereits genutzten Flächen“, sagt Ministerin Scharrenbach.
Zunächst sei zu klären, welche Flächen kommunalisiert werden, welche RWE selbst entwickelt und welche man gemeinsam an Investoren gebe. Die gemeinsame Gesellschaft PSW habe lediglich eine moderierende Funktion und vergebe keinerlei Fördergelder.
„Eine Förderung bekommt RWE für die Grundstücksaufbereitung definitiv nicht. Für die Altlasten bleibt RWE als Verursacher in der Haftung. Ist die Entwicklung eines Grundstücks unwirtschaftlich, zum Beispiel durch hohe Abbruchkosten, können insbesondere Kommunen nach Erwerb des Grundstücks über normale Förderprogramme unterstützt werden. Das läuft über normale Förderprogramme und ist ein normales Vorgehen in Deutschland“, so Scharrenbach.
Um den Strukturwandel im Rheinischen Revier erfolgreich zu gestalten, dürfe das Land beim Erwerb von RWE-Flächen nicht ins Hintertreffen geraten. Diese Gefahr sei durch die gemeinsame Gesellschaft gebannt.