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Haushaltsplan 2025Wie Finanzminister Lindner neun Milliarden Euro spart – ohne zu sparen

Lesezeit 3 Minuten
Bundesminister der Finanzen, spricht bei einer Pressekonferenz zum Haushaltsplan 2025.

Bundesminister der Finanzen, spricht bei einer Pressekonferenz zum Haushaltsplan 2025.

Haushaltslöcher geschlossen, Schuldenbremse eingehalten – und dennoch bekommen viele Ressorts der Bundesregierung mehr, und die Bürgerinnen und Bürger werden sogar entlastet. Das ist das Ergebnis der Haushaltsberatungen der Ampel. Aber wie kann das überhaupt sein?

Nein, ein Sparhaushalt sei der Etatentwurf für 2025 nicht, versicherte Finanzminister Christian Lindner (FDP), als er am Freitag zusammen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Beschlüsse der Ampelkoalition erklärte. Tatsächlich wird kaum gespart. Aber wie ist es dann möglich, gleichzeitig Haushaltslöcher im Milliardenumfang zu stopfen und dennoch die Schuldenbremse einzuhalten? Das liegt zum Großteil an einer anderen Buchungsmethode für die Bundesschulden. Sie allein bringt einen Spielraum von neun Milliarden Euro.

Worum geht es dabei konkret? Um Lindners Manöver zu verstehen, muss man zunächst folgendes wissen: Der Bund verschuldet sich, in dem er Staatsanleihen ausgibt und verkauft. Für diese Anleihen zahlt er einen bestimmten Zinssatz – sagen wir: zwei Prozent. Wenn der an den Finanzmärkten herausgebildete Zins genau diesem Wert entspricht, werden die Anleger bereit sein, das Papier zum Nennwert von 100 Euro kaufen. Liegt der Marktzins darunter, wird der Kurs beispielsweise auf 120 Euro steigen – schließlich bekommt der Anleger ja eine vergleichsweise gut verzinste Anlage. Dieser Aufschlag wird Agio bezeichnet.

Wechselspiel von Zinsen und Kursen bestimmt die Finanzlage

Ist der Marktzins jedoch höher als der Zins der Bundesanleihe, wird deren Kurs sinken, sagen wir auf 80 Euro. Damit gleicht der Käufer aus, dass er für die Anlage einen geringeren Zins bekommt als anderswo und Alternativen deshalb attraktiver werden. Der Abschlag nennt sich Disagio. Die Frage ist nun, wann der Bund Agio beziehungsweise Disagio verbucht.

Bisher war es so, dass alle Mehr- oder Mindereinnahmen im jeweiligen Ausgabejahr der Anleihe verbucht werden. Das machte Anleihen mit hohen Agio-Einnahmen (und entsprechend hohen Zinsen) für den Staat attraktiv. Er schreibt sich das Agio im ersten Jahr voll gut, während die höheren Zinskosten erst über die Jahre (von anderen Regierungen) in der Zukunft gezahlt werden.

Davon profitierte auch Scholz, als er noch Finanzminister in der großen Koalition war. Damals gab es an den Märkten sogar negative Zinsen. Da der Staat aber keine Anleihe mit einem negativen Zins emittiert und zusätzlich ältere Anleihen mit höheren Zinsen aufstockte, waren die Käufer bereit, hohe Aufschläge zu bezahlen. Das führte dazu, dass die gesamten Zinsausgaben des Staates – wo die Agio-Einnahmen verbucht werden – auf ein Minimum sanken.

Verschiedene Folgen für aktuelle und künftige Regierungen

Mit der Zinswende durch die Europäische Zentralbank entstand dann aber eine völlig neue Situation. Stockt der Bund nun Anleihen mit vergleichsweise geringen Zinsen auf (was ein gängiges Verfahren ist), sind die Käufer nur noch bereit, einen erheblich niedrigeren Preis zu zahlen. Die Folge ist, dass diese Disagio-Ausgaben geradezu explodiert sind – ein Großteil der 2023 auf 40 Milliarden Euro verzehnfachten Zinskosten geht auf diesen Effekt zurück. Leidtragender ist aktuell Lindner, wohingegen die Regierungen der Zukunft von geringeren Zinsausgaben profitieren werden.

Sowohl der Bundesrechnungshof als auch die Bundesbank hatten schon früher angemahnt, das Verfahren derart umzustellen, dass Agio/Disagio nicht mehr nur einmalig im ersten Jahr verbucht, sondern scheibchenweise über die gesamte Laufzeit einer Anleihe verteilt werden. Begründet wird das unter anderem mit einer höheren Transparenz, was nachvollziehbar ist.

Ist es nun ein Trick?

Obwohl es ihm nutzt, wollte Lindner das System aber zunächst nicht ändern, weil er den Vorwurf eines Buchungstricks fürchtete. Angesichts der großen Haushaltslöcher und seines Ziels, die Schuldenbremse unbedingt einzuhalten, sah er sich nun allerdings geradezu gezwungen, die Verbuchungspraxis zu ändern. Die entsprechende „Ersparnis“ ist mit 8,9 Milliarden Euro immens.

Ist das nun ein Buchungstrick? Jein. Die jährliche Verbuchung hat den Segen des strengen Bundesrechnungshofs. Indes muss festgehalten werden: Solange das bisherige System einer Regierung nutzte (Scholz!), wurde es beibehalten. Kaum wird die Methode zum Nachteil, wird sie umgestellt. Insofern hat das Verhalten der Ampel durchaus ein „Geschmäckle“.