Scholz kondoliert nach Raisis Tod – und erntet auch aus Köln berechtigte Empörung. Der „Schlächter“ hat die diplomatische Geste nicht verdient.
Kommentar zu Scholz-Beileid für RaisiKeine Kondolenz für Massenmörder
Ausnahmen bestätigten die Regel. Und Bundeskanzler Olaf Scholz sowie die hochrangigen EU-Politiker Charles Michel und Josep Borrell hätten diese Redewendung besser beherzigen sollen. Natürlich gebieten diplomatische Gepflogenheiten, dass ein Land der Regierung eines anderen Landes kondoliert, wenn dort der Präsident gestorben ist. Der Tod von Ebrahim Raisi stellt dabei allerdings eine der Ausnahmefälle dar, in denen man sich die Beileidsbekundung getrost sparen kann.
Raisi, der „Schlächter von Teheran“, war bereits in den 1980er Jahren für Tausende unrechtmäßige Hinrichtungen von politischen Gefangenen im Iran verantwortlich. Der frühere Staatsanwalt war kein „Hardliner“, wie es derzeit oft zu lesen ist, sondern ein so fanatischer wie brutaler Erfüllungsgehilfe des „Obersten Führers“ Ajatollah Ali Chamenei – und somit für die Folter und den Tod Tausender verantwortlich.
Ebrahim Raisi ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt
Seit Jahrzehnten hinterlässt Raisi im Iran seine blutige Spur. Das Kondolenzschreiben des Kanzlers wirkt da wie blanker Hohn – nicht nur den unzähligen Menschen gegenüber, denen im Kampf für die Freiheit ihr Leben genommen wurde. Sondern auch jenen gegenüber, die bis heute in iranischen Folter-Gefängnissen sitzen – und deren Angehörige auf die Hilfe der Bundesregierung hoffen und auf sie angewiesen sind.
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„#NotInMyName Herr Bundeskanzler!“, schrieb die Kölnerin Mariam Claren angesichts der Beileidsbekundung aus dem Kanzleramt am Dienstag empört bei X. „Meine Mutter Nahid Taghavi kennen Sie nicht und mich haben Sie noch nie empfangen“, kritisierte sie den Kanzler wie auch zuvor bereits die EU-Vertreter.
Beileidsbekundung nach Raisis Tod: „#NotInMyName Herr Bundeskanzler!“
Claren ist die Tochter der im Iran inhaftierten Kölner Architektin Nahid Taghavi, die seit Jahren unrechtmäßig vom Mullah-Regime festgehalten wird. In einem obskuren Prozess wurde die Kölnerin nach mehr als sieben Monaten in Isolationshaft und mehr als 1000 Stunden Verhör ohne rechtlichen Beistand zu mindestens zehn Jahren Haft verurteilt. Sie sitzt im berüchtigten Folter-Gefängnis Evin in Teheran, der Gesundheitszustand der 70-Jährigen gilt infolge von Folter und Haft als schlecht.
„Ihr Beileid zum Tod von Raisi war ein Schlag ins Gesicht der iranischen Bevölkerung“, wandte sich auch die iranische Menschenrechtsaktivistin Masih Alinejad bei X an den Bundeskanzlerund warf Scholz vor, erst spät auf die durch den Tod von Jina Masha Amini in Polizeigewahrsam ausgelöste Protestwelle im Jahr 2022 reagiert zu haben. „Kaum haben Sie sich in den letzten Jahren für Nahid Taghavi und Jamshid Sharmahd, die deutschen Geiseln der Islamischen Republik, interessiert und sich nie mit den Töchtern dieser Gefangenen getroffen“, fügte Alinejad zudem an.
Angehörige von im Iran inhaftierten Deutschen hoffen auf Kanzler Scholz
Neben Taghavi hat das Regime in Teheran mit Jamshid Sharmahd einen weiteren deutschen Staatsbürger inhaftiert. Seine Tochter Gazelle setzt sich vehement für mehr diplomatischen Druck Deutschlands in der Sache ihres Vaters ein – und hat die Bundesregierung in der Vergangenheit bereits mehrfach scharf kritisiert. Auch Sharmahds Gesundheitszustand gilt als schlecht. Kontakt zu seinen Angehörigen gibt es kaum.
Das Statement von Alinejad verbreitete Gazelle Sharmahd am Dienstag bei X weiter. Die Zeit drängt im Fall ihres Vaters ganz besonders: Der Deutsch-Iraner wurde in einem Scheinprozess von einem iranischen Gericht zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde vom obersten Gerichtshof in Teheran bereits bestätigt, aber noch nicht vollstreckt. Scholz hat sich bisher nicht öffentlich für Sharmahd oder Taghavi eingesetzt.
Massenmörder verdienen keine Kondolenz
Verurteilt wurde Sharmahd übrigens für „Verdorbenheit auf Erden“, eines der obskuren Fantasievergehen, das die fundamentalistische Gesetzgebung des „Obersten Führers“ Ajatollah Khamenei und seiner willfährigen Lakaien wie Ebrahim Raisi vorsieht, um politische Gegner ermorden zu können.
Der Absturz des iranischen Präsidenten ist daher alles, nur kein Grund für Beileidsbekundungen. Ausnahmen bestätigen die Regeln, auch in der Diplomatie – und Massenmörder und ihre Gefährten verdienen auch dort keine Kondolenz. Im Gegenteil: Die Freude, die ihr Tod bei den Angehörigen ihrer Opfer und den Freiheitskämpfern im Iran entfacht hat, ist sogar verständlich. Wem das zu weit geht, der könnte einfach schweigen.