Berlin – Die Juristen im Justizministerium stehen vor einer kniffligen Frage: Wie verbiete ich den Kauf und Verkauf scheinbar harmloser Nacktfotos von Kindern, wenn ich gleichzeitig nicht Familienschnappschüsse von kleinen Mädchen am FKK-Strand oder Jugendzeitschriften mit Aufklärungsrubriken und Foto-Love-Storys auf den Index setzen will? So zerstritten Union und SPD derzeit über die Affäre Edathy sein mögen, eines eint sie: Das Unbehagen darüber, dass der Kauf von Fotos mit posierenden nackten Jungen oder Mädchen bislang nicht strafbewehrt ist, solange diese nicht pornografisch sind. Solche Aufnahmen will der ehemalige Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy von einem kanadischen Händler über das Internet bezogen haben; Material, das völlig legal gewesen sein soll, verteidigte sich der SPD-Politiker.
Nur noch eine Frage des Wie
Richtig ist, dass nicht jedes Nacktfoto Pornografie ist. Eindeutig pornografisch und damit verboten sind Kinderbilder, auf denen sexuelle Handlungen gezeigt werden. Schwieriger wird die rechtliche Einordnung, wenn Jungen oder Mädchen nur nackt vor der Kamera posieren und ihre Genitalien nicht aufreizend zur Schau gestellt sind. Die Bilder, um die es jetzt geht, fallen genau in diese Kategorie. So sollen zu den Fotos, die der kanadische Händler vertrieben hatte, sogenannte Naturisten-Aufnahmen gehören. Berichten zufolge zeigen sie Kinder in natürlichen Posen wie beim FKK. Wie also etwas verbieten, was im Familienalbum keinen aufregen würde?
Trotzdem scheint es inzwischen nur noch eine Frage des Wie und nicht mehr des Obs zu sein, dass der Handel auch mit solchen Abbildungen indiziert wird. Bundesjustizminister Heiko Maas kündigte am Dienstag in Berlin eine entsprechende Initiative seines Hauses an: „Wir wollen klären, wie wir das gewerbsmäßige Handeln mit Nacktbildern von Kindern oder Jugendlichen unter Strafe stellen können“, so der SPD-Politiker. „Solche Fotos finden sich oft jahrelang im Internet und haben schwere Folgen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen“, kritisierte Maas. Es solle jedoch nichts kriminalisiert werden, was zum Alltag vieler Eltern gehöre - das Fotografieren ihrer Kinder am Strand etwa. Aber niemand dürfe mit dem Körper von Kindern und Jugendlichen Geschäfte machen.
Praktische Unwägbarkeiten
Experten wie die Vorsitzende der Strafrechtskommission des Juristinnenbunds, Dagmar Freudenberg, haben indes Zweifel, dass die Trennung zwischen guten und bösen Nacktfotos so einfach ist. „Die Schwierigkeit wird darin bestehen, nicht zu viele Ausnahmen zu schaffen, sodass wir dann doch wieder eine Grauzone haben. Dass man das wirklich absolut sicher hinbekommt, wage ich zu bezweifeln.“ Sie sieht vor allem viele praktische Unwägbarkeiten bei der Umsetzung eines solchen Verbots.
Wie würde man etwa das Gebot der Bestimmtheit wahren, das besagt, dass für jedermann erkennbar sein muss, was verboten ist. Und was würde ein solches Verbot zum Beispiel für die Kataloge von FKK-Verbänden bedeuten, fragt die Göttinger Staatsanwältin. „Die müsste man unter Umständen auch aus einem solchen Verbot rausnehmen, wenn man nicht die ganze Bewegung kriminalisieren möchte.“ Sie warnt deshalb vor schnellen und vermeintlich einfachen Lösungen. „Die gibt es hier nicht.“ Dabei hat die Strafrechtlerin durchaus Verständnis dafür, dass viele mit der jetzigen rechtlichen Lage unzufrieden sind. „Ich kann das absolut nachvollziehen, dass der Wunsch da ist, auch den Verkauf der scheinbar harmlosen Fotos zu verbieten. Aber trotzdem muss man schon sehr genau abwägen, ob eine Verschärfung der Gesetze wirklich sinnvoll ist. Das Strafrecht solle immer die Ultima Ratio sein.“
Kinder machen das nicht aus Begeisterung
Geht es nach den Politikern fast aller Fraktionen, dann soll zumindest die gewerbliche Verbreitung von Fotos verboten werden, die nackte Kinder zeigen. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), erklärte, wenn mit Bildern nackter Kinder „geschäftsmäßig und gewerbsmäßig Gewinn erzielt werden“ solle, sei die Grenze zu einem strafwürdigen Verhalten überschritten. Auch für die Ex-Missbrauchsbeauftragte Christine Bergmann (SPD) gehen Überlegungen, kommerzielle Nacktbilder von Kindern unter Strafe zu stellen, in die richtige Richtung. „Das sind keine Familienfotos von der Ostsee. Die Kinder machen das ja nicht aus Begeisterung.“
Nur, was macht man dann mit den Nacktfotos von Kindern, die nicht verkauft, sondern auf Tauschbörsen angeboten oder verschenkt werden? „Es ist zumindest zweifelhaft, ob das Tauschen oder ’Verschenken’ von Bildern zu sexuellen Zwecken dadurch unterbunden werden kann“, warnt die Strafrechtlerin Freudenberg. Die Grauzonen werden wohl bleiben.