Die Bundesregierung will ihre Klimaschutz-Regeln rundum erneuern. Kern der Reform: mehr gemeinsame Verantwortung aller Minister. Innerhalb der Ampel-Koalition ist vor allem eine Partei mit den Plänen zufrieden.
Kritik von Umwelt-VerbändenKlima-Reform von Kabinett beschlossen
Die von Umweltschützern heftig kritisierte Reform des Klimaschutzgesetzes hat das Bundeskabinett passiert. Die Minister nahmen den Entwurf von Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch in Berlin an. Die Reform hatten die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP schon im Koalitionsvertrag vereinbart. Sie ist vor allem ein Anliegen der FDP, das die Grünen wenig begeistert akzeptiert haben.
Die Einhaltung der Klimaziele soll nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Die Bundesregierung als Ganzes soll künftig entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll - allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt.
Die deutschen Klimaziele
Bis 2030 will Deutschland 65 Prozent an Treibhausgasen weniger ausstoßen als 1990. Zurzeit beträgt die Minderung laut Umweltbundesamt rund 41 Prozent. Bis 2045 will Deutschland laut selbst gestecktem Ziel klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen als auch wieder gebunden werden können.
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Verwässerung oder nicht?
Die Bilanz von Umweltverbänden fällt vernichtend aus. Sie beklagen eine Abschwächung des Gesetzes, weil einerseits Verantwortlichkeiten verwässert würden und die Bundesregierung andererseits erst nachsteuern muss, wenn Ziele zwei Jahre in Folge verfehlt wurden. Die Politische Geschäftsleiterin der Klima-Allianz Deutschland, Stefanie Langkamp, kritisierte: „Mit dem Streichen der verbindlichen Sektorziele kauft die FDP ihren Verkehrsminister davon frei, seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten – auf Kosten kommender Generationen und all jener, die schon heute unter der Klimakrise leiden.“
Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Sprecher der Unionsfraktion für Klimaschutz und Energie, Andreas Jung (CDU), beklagte: „Die Sofortpflicht zur Nachsteuerung bei Zielverfehlung ist Herzstück für verlässlichen Klimaschutz. Dieses Herz reißt die Ampel dem Klimaschutzgesetz jetzt aus der Brust.“
Grünen-Beauftragte nicht zufrieden
Die Obfrau der Grünen im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, Lisa Badum, zeigte sich nicht zufrieden. Doch immerhin bleibe mit der Reform sichtbar, „wer nicht für das gemeinsame Boot rudert und zu wenig CO2 einspart“, erklärte sie. „Kein Ministerium darf sich darauf verlassen, dass andere die eigene Lücke ausgleichen werden.“ Minister Habeck argumentiert, das bisherige Gesetz habe nur auf dem Papier gut ausgesehen. „Keine Sau hat sich daran gehalten“, sagte er in der vergangenen Woche. Als Pluspunkt sieht er ebenso wie Badum, dass die Regierung nun stärker im Blick behalten muss, ob es für seine Klimaziele 2030 auf Kurs ist und nicht nur Verfehlungen des jeweiligen Vorjahres nachhält.
FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer lobte die Reform: „Wirkungsloser Klimaaktionismus in Form von Sofortprogrammen hat jetzt endlich ein Ende.“ Er hob die Bedeutung des europäischen Emissionshandels hervor, bei dem Unternehmen mit Rechten zum Ausstoß von Treibhausgasen nach Bedarf handeln können. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte: „Klimaschutz wird wieder stärker eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir werden deswegen aber nicht weniger ambitioniert im Verkehrsbereich Klimaschutz betreiben.“ Sein Bereich verfehlte das Ziel zuletzt. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch betonte, die Klimaziele blieben unverändert. „Wir verändern lediglich, wie die Ziele erreicht werden können.“
Was das Klimaprogramm vorsieht
Neben der Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes hat das Kabinett auch ein Maßnahmenpaket für mehr Klimaschutz beschlossen. Das Programm sieht zahlreiche Maßnahmen vor, darunter viele bereits bekannte oder geplante wie einen Umbau der Lkw-Maut mit einem Aufschlag für den CO2-Ausstoß, den Ausbau erneuerbarer Energien oder eine Förderung des Baus von Radwegen.
Die Klimalücke
Das Programm soll dazu beitragen, dass die Lücke zwischen Klimaziel und Wirklichkeit kleiner wird. Laut der neuen Projektion des Klimaschutzministeriums bleiben bis 2030 nun noch etwa 200 Millionen Tonnen klimaschädlicher Treibhausgase, die noch eingespart werden müssen. Habeck sieht das als großen Fortschritt im Vergleich zur Vorgängerregierung.
Greenpeace hingegen betrachtet dies als inakzeptabel, die Bundesregierung müsse Maßnahmen vorlegen, um die Lücke zu schließen. „Mit einem so schwachen Maßnahmenpaket verstößt die Bundesregierung gegen das aktuell geltende und gegen den neuen Entwurf des Klimaschutzgesetzes.“ Die Geschäftsführerin des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Antje von Broock, verlangte: „Wir brauchen vor Ende dieser Legislatur Sicherheit darüber, wie wir unsere Klimaziele erreichen können.“
Was als Nächstes passiert
Nach dem Beschluss im Kabinett ist der Bundestag am Zug. Dieser müsse dafür sorgen, dass das Gesetz wirksam bleibe, mahnte Heike Vesper vom WWF. „Sollte die Rettung ausbleiben, bleibt eventuell nur wieder der Weg vors Gericht.“ SPD-Vertreter Miersch versicherte: „Ein Aufweichen der Klimaziele wird es mit der SPD-Fraktion nicht geben.“
Wo die Welt beim Klimaschutz steht
Nach dem Pariser Klimaabkommen von 2015 will die Weltgemeinschaft den Anstieg der globalen Temperaturen möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzen - gemeint ist der Zeitraum von 1850 bis 1900. Dieses Ziel halten Wissenschaftler für kaum noch erreichbar. Zwischen 2011 und 2020 waren die Temperaturen auf der Erde bereits rund 1,1 Grad höher. Sollte der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase nicht umgehend und tiefgreifend vermindert werden, könnten dem Weltklimarat zufolge die eigentlich für das Ende des Jahrhunderts anvisierten 1,5 Grad bereits in den 2030er Jahren überschritten werden.
Modelle ließen sogar erwarten, dass am Ende des 21. Jahrhunderts die Erwärmung bei 2,8 Grad liegen könnte. Zu den Folgen gehören Überschwemmungen, Dürren, Ernährungskrisen und Wasserknappheit. (dpa)