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Kommentar

Kommentar zum Bundesparteitag
Koalition oder Opposition? Was die FDP plant

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister, bei einer Plenardebatte im Bundestag.

Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister, bei einer Plenardebatte im Bundestag.

Die Wirtschaftspolitik soll im Zentrum des Parteitags stehen – und die Frage, ob sich die Liberalen noch als Teil der Ampelregierung begreifen.

Die FDP kommt zum Bundesparteitag zusammen und einige Delegierte finden, man müsse da über mehr Fairness reden. „Die FDP igelt sich komplett in Berlin ein“, kritisiert der Bezirksverband der Region Stuttgart. Parteitage sollten künftig nicht mehr nur in der Hauptstadt stattfinden. Denn das schont zwar seit 2015 die Parteifinanzen - aber es müssten halt auch immer die gleichen Delegierten „erhebliche Reisewege und -zeiten tragen“.

Wie prominent der Antrag debattiert wird, ist unklar. Bei der FDP entscheiden über die Reihenfolge der Antragsberatung die Delegierten auf dem Parteitag.

Wie die Wirtschaftswende funktionieren soll

Wenn es nach der Parteispitze geht, steht dort die Wirtschaftspolitik im Zentrum – der zweitägige Parteitag ist ein Versuch, sich vor der Europawahl im Juni als attraktives Angebot zu präsentieren. Zwölf Forderungen, aus denen sich eine „Wirtschaftswende“ ergeben soll, hat das Präsidium Anfang der Woche beschlossen: Die Rente mit 63 und der Solidaritätszuschlags, den noch die höchsten zehn Prozent der Einkommen zahlen, sollen abgeschafft, die Förderung erneuerbarer Energien gestoppt werden. Außerdem will die FDP-Spitze Sanktionen für Arbeitslose verschärfen, die die Annahme von Jobangeboten verweigern – was allerdings nur einen Bruchteil der Arbeitslosen betrifft. Auf Überstunden – die oft nicht erfasst werden – soll es Steuervorteile geben.

SPD und Grüne haben die Forderungen als Parteitagsrhetorik abgetan. FDP-Chef Christian Lindner, der am Samstag die Hauptrede auf dem Parteitag hält, sagt, man wolle schon gerne etwas davon umsetzen in der Ampelkoalition. „Wir brauchen ein Aufbruchspaket, was über alles hinausgeht, was bisher geplant ist“, heißt es auch in dem Leitantrag für den Parteitag.

Offen ist, was die Liberalen tun, wenn dies nicht passiert. Immer wieder haben sie ein Ende der Koalition zumindest angedeutet. Allerdings liegt die FDP in den Umfragen derzeit bei um die fünf Prozent, könnte also bei Neuwahlen nicht sicher sein, wieder im Bundestag zu landen. Eine Mitgliederbefragung zum Ausstieg aus der Koalition verhallte bei den meisten Mitgliedern. Bei denen, die mitstimmten, fand sich eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der Regierung.

Eine Konsequenz aus der Mitgliederbefragung findet sich im Antragsbuch: Gefordert wird von mehreren Delegierten, das Quorum für eine solche Befragung zu ändern - von 500 Mitgliedern soll es auf 2,5 Prozent der Mitglieder. Bei aktuell rund 72.000 Mitgliedern waren das 1800 Mitglieder. Das Quorum müsse „hoch genug sein, damit die Partei nur zu Themen von grundsätzlicher Bedeutung befragt wird“, argumentieren die Antragsteller.

Viele Anträge zu Bürokratie-Abbau

Viele weitere Antrage befassen sich mit Bürokratieabbau. Der Landesverband Bayern beantragt zudem unter Verweis auf die Bahnstreiks eine Einschränkung des Streikrechts durch eine Ankündigungspflicht von 96 Stunden und eine Schlichtungspflicht bei mehrtägigen Streiks im Bereich der kritischen Infrastruktur. Die Landesverbände Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt fordern, die Atomkraftwerke Brokdorf, Emsland, Grohnde, Isar 2, Gundremmingen C, Krümmel und Neckarwestheim 2 wieder ans Netz zu nehmen und neue Kernkraftwerke zu bauen.

Der Landesverband Bayern fordert, die Unterstützung der UN-Palästinenserhilfsorganisation UNRWA zu stoppen. Nachdem eine internationale Untersuchung keine Hinweise auf Verbindungen zur Terrororganisation Hamas gefunden hatte, hatten Auswärtiges Amt und Entwicklungshilfeministerium diese Woche beschlossen, die vorübergehend ausgesetzten Zahlungen wieder aufzunehmen.

Die Verbindung zur Europawahl setzt am Samstagnachmittag Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, vermutlich gewohnt lautstark.