Wladiwostok/Berlin/Peking – Knapp sieben Wochen nach der Einigung auf ein Ende der Blockade ukrainischer Getreideexporte hat der russische Präsident Wladimir Putin damit gedroht, die Vereinbarung schon wieder platzen zu lassen. Beim 7. Östlichen Wirtschaftsforum in Wladiwostok klagte Putin am Mittwoch insbesondere über Beschränkungen russischer Exporte.
„Es hat sich herausgestellt, dass wir ein weiteres Mal einfach nur grob abgezockt wurden, wie man im Volksmund sagt”, sagte der Kremlchef, der sein Land oft als Opfer westlicher Machenschaften darstellt. „Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, den Export von Getreide und (...) Lebensmitteln entlang dieser Route zu begrenzen?”, so Putin.
Unterdessen wurden aus dem Osten und Süden der Ukraine weiter verlustreiche Kämpfe zwischen ukrainischen und russischen Einheiten gemeldet. Nach britischen Schätzungen sind schon 25 000 russische Soldaten in der Ukraine gefallen. Dennoch sagte Putin, sein Land habe bisher „nichts verloren” und das werde auch so bleiben. Durch den Krieg, der in Russland nicht Krieg genannt werden darf, sei es zu einer „Stärkung unserer Souveränität” gekommen, meinte der Kremlchef.
Zugleich stellte sich der russische Präsident, dessen Angriffsbefehl auf die Ukraine die Lebensmittelkrise in Teilen Afrikas und des arabischen Raums erst ausgelöst hat, als Anwalt eben solcher Länder dar. Leidtragende des Westens seien neben Russland auch die von Armut bedrohten Länder, da das Getreide aus den ukrainischen Häfen nicht wie ursprünglich zugesichert an sie gehe, sondern vor allem nach Europa, sagte Putin.
Russland und die Ukraine hatten am 22. Juli mit den Vereinten Nationen und der Türkei eine Lösung für die Ausfuhr von Millionen Tonnen Getreide aus dem Kriegsland Ukraine vereinbart. Die Ukraine zählte vor dem russischen Angriffskrieg zu den wichtigsten Getreideexporteuren der Welt. Ende August hatte das mit dem Getreide-Deal eingerichtete Koordinierungszentrum in Istanbul mitgeteilt, bisher seien eine Million Tonnen Getreide und andere Lebensmittel mit über 100 Schiffen über die Schwarzmeer-Route ausgeführt worden.
Putin spricht von „Sanktionsfieber” und blühenden Landschaften
Die Sanktionen des Westens gegen Russland kritisierte Putin als „Bedrohung für die ganze Welt”. Unter Führung der USA sei der Westen in ein regelrechtes „Sanktionsfieber” verfallen. Der Kremlchef sprach von „aggressiven Versuchen, anderen Ländern ein Verhaltensmodell aufzuzwingen, sie ihrer Souveränität zu berauben und sie dem eigenen Willen zu unterwerfen”. Genau dies aber wird Russland mit seinem Einmarsch in die Ukraine vorgeworfen. Vor Staatsgästen unter anderem aus China, der Mongolei und Myanmar beschwor er in Wladiwostok das Bild einer aufblühenden Asien-Pazifik-Region: Deren Länder, so Putin, seien angesichts „tektonischer Veränderungen” in der Welt zu „neuen Zentren des wirtschaftlichen und technologischen Wachstums” geworden. Nach Angaben eines hohen russischen Diplomaten wird Putin Ende nächster Woche Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Usbekistan treffen.
London: Heftige Kämpfe an drei Fronten in der Ukraine
Das britische Verteidigungsministerium berichtete am Mittwoch unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse von heftigen Kämpfen an mehreren Fronten in der Ukraine: nahe der Stadt Charkiw im Nordosten, in der Region Donbass im Osten sowie im Gebiet Cherson im Süden. Ukrainische Vorstöße erschwerten die Lage der russischen Angreifer. „Mehrere gleichzeitige Bedrohungen, die sich über 500 Kilometer verteilen” dürften demnach die russischen Fähigkeiten auf die Probe stellen, die Operationen zu koordinieren. Das habe Russland schon früher nicht geschafft.
UN fordert kampffreie Zone rund um ukrainisches AKW
Die Lage bei dem von russischen Truppen besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja blieb weiter extrem gefährlich. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien, Rafael Grossi, warnte nach einer Reise zu dem größten Atomkraftwerk Europas: „Wir spielen mit dem Feuer, und etwas sehr, sehr Katastrophales könnte passieren”. Der Beschuss des Gebäudes sei extrem gefährlich. Militärfahrzeuge in den Gebäuden der Anlage müssten entfernt werden, forderte er. Wie er forderte auch UN-Generalsekretär António Guterres die Kriegsparteien Russland und Ukraine auf, sich auf eine kampffreie Zone rings um das gefährdete AKW zu einigen. Russland und die Ukraine sahen aber in ersten Reaktionen jeweils die andere Seite am Zug.
Scholz und Merz streiten über Reaktionen auf steigende Energiepreise
Bei der Generaldebatte im Bundestag lieferten sich am Mittwoch Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) einen scharfen Schlagabtausch über die richtigen Reaktionen auf die durch den Ukrainekrieg steigenden Energiepreise geliefert. „Wer Spaltung herbeiredet, der gefährdet den Zusammenhalt in diesem Land. Und das ist jetzt das Falsche”, sagte Scholz an die Adresse von Merz. Scholz hielt der Union schwere Versäumnisse in der Regierungszeit der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor. Merz hatte den Kanzler zuvor scharf angegriffen und ihm vorgeworfen, mit Zögerlichkeit den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu verlängern. In einer Art Generalabrechnung hielt er Scholz zudem wirtschaftspolitisches Versagen im Umgang mit der Krise vor.
Erdogan wirft Westen Provokation vor
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf dem Westen „Provokation” im Ukraine-Krieg vorgeworfen. „Ich kann ganz offen sagen, dass ich die Haltung, die der Westen an den Tag legt, nicht für richtig halte. Denn es handelt sich hier um einen Westen, der eine auf Provokation basierende Politik verfolgt”, sagte das Staatsoberhaupt am Rande einer Balkanreise in Belgrad. „Solange man sich bemüht, so einen Krieg über Provokation zu führen, wird es nicht möglich sein, zu einem Ergebnis zu gelangen”.
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