Handschlag zur BegrüßungScholz trifft bin Salman – Khashoggi-Mord kommt zur Sprache
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Dschidda – Es ist eine ausgesprochen freundliche Begrüßung nach einer tiefen diplomatischen Krise: Mit einem kräftigen Handschlag hat der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman am Samstag Bundeskanzler Olaf Scholz im königlichen Palast des Friedens (Al-Salam-Palast) in der Hafenstadt Dschidda empfangen. Der SPD-Politiker lächelte den faktischen Herrscher des mächtigsten Landes auf der arabischen Halbinsel dabei freundlich an.
Der Besuch ist heikel. Kronprinz Mohammed wird vom US-Geheimdienst für den brutalen Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul vor vier Jahren verantwortlich gemacht. Der Thronfolger bestreitet, Drahtzieher der Tat zu sein. Der Mord hatte zu einer internationalen Isolierung Mohammeds geführt und die deutsch-saudischen Beziehungen in eine jahrelange Krise gestürzt.
Olaf Scholz: „Wir haben alle Fragen besprochen“
Offenbar kam der Mord an Khashoggi beim Gespräch zwischen Scholz und bin Salman zur Sprache. „Wir haben alle Fragen besprochen, die sich um Fragen von Bürger- und Menschenrechten drehen“, sagte der SPD-Politiker am Samstag nach dem Gespräch in der Hafenstadt Dschidda auf eine entsprechende Journalisten-Frage. „Das gehört sich so. Und da können sie von ausgehen, dass nichts unbesprochen geblieben ist, was zu sagen ist.“ Scholz sagte auch, dass er das Thema Meinungsfreiheit angesprochen habe. Er nannte aber keine weiteren Details.
Mit seinem Besuch setzt der Kanzler ein Zeichen der Normalisierung. Mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem inzwischen zurückgetretenen britischen Premier Boris Johnson und US-Präsident Joe Biden waren aber schon die wichtigsten Bündnispartner Deutschlands in Saudi-Arabien. Scholz will daran anschließen und auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen den Gesprächsfaden wieder aufnehmen. Für ihn geht es darum, auch mit schwierigen Partnern im Dialog zu bleiben, um sie nicht an Länder wie Russland oder China zu verlieren.
Gespräch unter riesigem Porträt des Königs
Nach der Begrüßung nahmen Scholz und Mohammed unter einem riesigen Porträt des Königs Salman zu einem ersten Gespräch Platz. Später waren noch eine Unterredung unter vier Augen sowie ein gemeinsames Mittagessen geplant. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte vor der Reise angekündigt, dass Scholz den Khashoggi-Mord bei seinem Besuch thematisieren wolle. Das hatte auch Biden im Juli getan. Nach der Begegnung mit Mohammed am selben Ort berichtete der Präsident damals, dass der Kronprinz die Verantwortung für die Tat zurückgewiesen habe. „Er sagte im Grunde, dass er nicht persönlich dafür verantwortlich sei. Ich deutete an, dass ich glaube, er ist es“, sagte Biden.
Am Samstagabend reist Scholz in die Vereinigten Arabische Emirate und dann nach Katar weiter. Beide Länder sind wie Saudi-Arabien wichtige Energie-Exporteure. Welche Verträge über die Lieferung von Gas oder - mittel- und langfristig - Wasserstoff aus der Region nach Deutschland abgeschlossen werden, blieb vor der Reise noch unklar. Aus dem Umfeld des Kanzlers hieß es: „Wir werden ambitionierte Vorschläge zum Abschluss bringen.“ Die Reise solle aber nicht zu einer reinen „Energie-Einkaufstour“ werden. Scholz wird von elf Top-Managern begleitet. Unter anderen sind Airbus, Thyssenkrupp und Siemens Energy in der Wirtschaftsdelegation vertreten.
Menschenrechtsorganisationen fordern klare Worte von Scholz
Das streng konservative Königreich Saudi-Arabien steht trotz einiger Reformen wegen der Lage der Menschenrechte in der Kritik. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verlangte vor der Reise klare Worte des Kanzlers an den Kronprinzen: „Auch in Anbetracht aller geopolitischen und energiepolitischen Sachzwänge sollte der Bundeskanzler bei seiner Reise nach Saudi-Arabien nicht zu den Menschenrechtsverletzungen im Land schweigen.“
Reporter ohne Grenzen (ROG) forderte Scholz auf, die Pressefreiheit in den drei Zielländern zu thematisieren. „Wenn er mit diesen Regierungen Geschäfte machen will, sollte er aber eine Bedingung stellen: dass deren Herrscher aufhören, die Medien als grundlegende Säule des Rechtsstaats mit Füßen zu treten“, sagte der Geschäftsführer von ROG Deutschland, Christian Mihr, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).
Energiewirtschaft erhofft sich kurzfristige Gas-Exporte
Gemeinsame Pressekonferenzen des Kanzlers mit seinen Gesprächspartnern sind während der gesamten Reise nicht vorgesehen. Es sei trotz großen Einsatzes nicht gelungen, die Gesprächspartner davon zu überzeugen, heißt es von deutscher Seite.
Die Energiewirtschaft erhofft sich von der Reise nicht nur kurzfristige Gas-Exporte aus der Golfregion. „Deutschland und Europa werden auf den Import von Wasserstoff angewiesen sein. Umso wichtiger ist es, frühzeitig internationale Partnerschaften zu schließen“, sagte Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, der „Rheinischen Post“ (Samstag).
Keine Rüstungsexporte mehr nach Saudi-Arabien seit Regierungswechsel
Aber auch Saudi-Arabien könnte Wünsche an Deutschland richten. Das Königreich zählt nach Angaben des Friedensforschungsinstituts Sipri zu den fünf größten Rüstungsimporteuren weltweit, Deutschland zu den fünf größten Exporteuren. Unter der Ampel-Regierung ist aber kein einziger Rüstungsexport mehr an das Königreich genehmigt worden. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Grund ist ein Exportstopp, der wegen der Beteiligung Saudi-Arabiens am Jemen-Krieg und des Khashoggi-Mords bereits seit November 2018 gilt. Kanzler Scholz und seine Regierung machten bisher aber auch von einer Ausnahmeregel für europäische Gemeinschaftsprojekte keinen Gebrauch mehr.
Ob es überhaupt entsprechende Anträge der Industrie gegeben hat, ist allerdings unbekannt. Die frühere Bundesregierung hatte in den Jahren 2020 und 2021 noch 81 Exportgenehmigungen im Wert von 33,27 Millionen Euro erteilt. Die saudische Regierung hat den Exportstopp immer wieder kritisiert. Der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan al-Saud hatte ihn zuletzt im Februar als „sehr falsches Signal“ bezeichnet. (dpa)