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Staatsmännisch zum SiegSo blicken Wüst und die CDU auf ihren klaren Wahlsieg

Lesezeit 6 Minuten
hendrik wüst

Ministerpräsident Hendrik Wüst nach den ersten Hochrechnungen bei der NRW-Landtagswahl.

Düsseldorf – Mit einem Wahlsieg in dieser Größenordnung haben selbst die größten Optimisten bei der CDU nicht gerechnet. Deshalb muss NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst bei seiner Hetzjagd durch die TV-Studios nur 90 Minuten nach der Schließung der Wahllokale plötzlich Fragen beantworten, die ihm in seiner politischen Karriere zuvor nie gestellt wurden. Seinen Herausforderer Thomas Kutschaty klar geschlagen, der SPD das historisch schlechteste Resultat in der Landesgeschichte zugefügt, wird er gleich in die Bundespolitik gehievt.

Wer denn nun der kommende Kanzlerkandidat der Union 2025 sein werde, will man im ZDF von ihm wissen. Daniel Günther, der vor einer Woche in Schleswig-Holstein ein ähnliches starkes Ergebnis eingefahren hat, oder eben der 46-jährige Politiker aus dem münsterländischen Rhede, der erst im Oktober von der schwarz-gelben Koalition als Nachfolger von Armin Laschet zum Ministerpräsidenten gewählt wurde.

Minutenlange Hendrik, Hendrik“-Rufe

Wüst übergeht die Frage souverän. Er werde „mit allen Vertretern demokratischer, die in den Landtag gewählt wurden das Gespräch suchen“. Die Herausforderungen des Kriegs in der Ukraine und der klimaneutrale Umbau des Industrielands NRW erforderten „eine verlässliche und stabile Regierung“.

Eine knappe Stunde zuvor hat sich Wüst in der Landesgeschäftsstelle der CDU an der Wasserstraße in Düsseldorf mit minutenlangen „Hendrik, Hendrik“-Rufen feiern lassen. Da hat sich der Trend, der um 18 Uhr die bereits gute Stimmung bei der Gartenparty in großen Jubel verwandelt, schon verfestigt. „Die CDU in NRW hat diese Wahl klar gewonnen“, ruft Wüst der Menge zu. „Die Bürger haben uns klar zur stärksten Kraft gemacht. Das ist der Auftrag, eine Regierung zu bilden und zu führen.“

Schleswig-Holstein-Modell für NRW?

In der Stunde des Sieges vergisst er beim üblichen Dank an alle Wähler einschließlich der Wahlkämpfer („Team Wüst, ihr seid der Hammer!“) auch nicht den Koalitionspartner FDP. „Wir haben in den letzten Jahren unser Land gut regiert und vorangebracht und das in freundschaftlichen und verlässlichen Verhältnissen getan“, sagt der Ministerpräsident, dem in diesem Moment wohl schon klar ist, dass eine Koalition mit den Grünen nicht so komfortabel und geräuschlos laufen wird. Dazu gibt es angesichts der Klimakrise vor allem in der Verkehrspolitik zu viele Konfliktpunkte. Wüst dankt seiner Frau „Kate“ für ihre Stärke und Unterstützung. So hat er sie in der Öffentlichkeit noch nie genannt. Das ist ein kleiner Hinweis darauf, wie sehr ihn der unerwartet deutliche Wahlsieg auch persönlich bewegt.

Rein theoretisch wäre in NRW auch ein Schleswig-Holstein-Modell möglich: Die FDP, die nach einer Zitterpartie doch noch im neuen Landtag vertreten ist, könnte weiter mit am Kabinettstisch in einer Art freiwilligen Jamaika-Koalition sitzen. Ob die CDU das will und die Grünen das mittragen würden, ist aber mehr als fraglich. Eine mögliche Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP wie im Bund scheidet bei diesem klaren Vorsprung der CDU eigentlich aus, auch wenn sich der klare Wahlverlierer Thomas Kutschaty am Abend noch nicht endgültig geschlagen geben will. Für Rot-Grün allein reicht es nicht.

Reul: „Die SPD ist im Nirwana gelandet.“

Theoretisch ist die Ampel drin, aber in der Praxis hält man das bei der CDU für völlig absurd. Als einer der ersten auf der Wahlparty in Düsseldorf taucht Innenminister Herbert Reul auf, der nicht gerade zu den vehementesten Wüst-Unterstützern zählte, aber mit seiner Law-and-Order-Strategie im Bereich Innere Sicherheit wohl viele Punkte für den Wahlsieg gesammelt hat.

Der Innenminister geht davon aus, dass sich die SPD nicht dazu hinreißen lassen wird, einen Regierungsanspruch anzumelden. „Niemand würde verstehen, wenn die SPD den Regierungschef stellt, während wir zulegen. Wir haben klar gewonnen, die SPD ist im Nirwana gelandet.“ Nach der Bundestagswahl im September habe die SPD der CDU und ihrem Spitzenkandidaten Armin Laschet noch vorgehalten, wie absurd es sei, eine Koalition der Wahlverlierer schmieden zu wollen.

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Er habe immer gesagt, dass er im Falle eines Wahlsieges für weitere fünf Jahre Innenminister bleiben wolle, ergänzt Reul. Die Arbeit mache ihm großen Spaß. Zum schlechten Abschneiden der FDP könne die Arbeit der Landesregierung nicht beigetragen haben, sagt der CDU-Politiker. „Wir haben in fünf Jahren alle Themen geräuschlos abgearbeitet. Mit einer Stimme Mehrheit.“ Der Absturz der FDP müsse daher seine Ursache bei der Arbeit der Ampel in Berlin haben. „An unserer gemeinsamen Arbeit in Nordrhein-Westfalen kann das nicht liegen.“

Ähnlich sieht das Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. „Es gibt an diesem Abend zwei Wahlsieger, die CDU und die Grünen“, sagt Laumann und gönnt sich ein Pils. „Bei einem derartigen Rückstand gibt es für die SPD keine Legitimation mehr, auf eine Regierung mit Grünen zu spekulieren.“ Und ja. Auch er habe „Bock“ auf eine weitere Legislaturperiode in seinem Amt.

Die Grünen werden der CDU hohen Preis abverlangen

Am Wahlabend ist die Verteilung der Ressorts natürlich noch kein Thema, doch dass die Grünen bei einem schwarz-grünen Bündnis mit einem Ergebnis von mehr als 18 Prozent der CDU einen deutlich höheren Preis abverlangen werden als der ehemalige Partner FDP, ist völlig klar. Eine, die bei diesen Ambitionen ihren Ministerposten verlieren könnte, ist Ina Brandes, die Wüst erst im Oktober im Verkehrsministerium gefolgt ist. Ein Schlüsselressort, das die Grünen wohl bei Koalitionsverhandlungen nicht aufgeben werden, zumal es bei den Verkehrsthemen die größten Differenzen mit der CDU gibt.

Absoluter Vorrang für Bahn, Bus und Fahrrad. Das könnte schwierig werden. „Heute Abend feiern wir erst einmal unseren Wahlerfolg. Alle anderen Themen werden zu einem späteren Zeitpunkt besprochen, wenn eine Koalition steht“, sagt Brandes. Den Absturz der FDP kann sie sich nur mit bundespolitischen Themen erklären.

Scharrenbach (CDU) drückt FDP die Daumen

Besonders erleichtert wirkt am Wahlabend in Düsseldorf Ina Scharrenbach. Die Kommunalministerin war in die sogenannte Mallorca-Affäre um die zurückgetretene Umweltministerin Ursula Heinen-Esser verstrickt, ein Skandal, der im Wahlkampf aber offenbar keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. „Die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer haben in den vergangenen Wochen tolle Arbeit geleistet.“ Mit Blick auf den Koalitionspartner FDP, der lange um den Verbleib im Parlament zittern musste, ergänzt sie nach der ersten Hochrechnung: „Wir haben über fünf Jahre sehr eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Deshalb hoffe ich sehr, dass die FDP den Einzug in den Landtag doch noch relativ deutlich schafft.“

Bei einer ersten Wahlanalyse zu späterer Stunde auf der Gartenparty tauchen noch zwei neue mögliche Gründe auf für die FDP-Pleite. Die schwache Wahlbeteiligung von 56 Prozent ist der eine. Zusätzlich habe sich für CDU in der Regierungszeit als Glücksfall erwiesen, dass sie das zentrale Thema Schule und Bildung nahezu komplett den Liberalen überlassen habe. In der Corona-Krise habe Schulministerin Yvonne Gebauer in der Corona-Krise damit von vorneherein keine Punkte machen können, sondern am Ende das Chaos nur einigermaßen verwaltet“, sagt ein CDU-Politiker, der aber lieber ungenannt bleiben möchte. So schnell vergeht die schwarz-gelbe Liebe in Düsseldorf.