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Streit um Luxus-Projekte in Muster-Kommune„Wir sind Monheim, nicht Monaco"

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Die geplante Marina von Monheim

Monheim – Der Greisbachsee ist ein ruhig gelegener Kiessee im Norden von Monheim. Geht es nach der Politik, ist es mit der Beschaulichkeit dort demnächst vorbei. Die Stadt plant, das Gewässer in eine schmucke Marina zu verwandeln, in der bis zu 150 Motorboote ankern sollen. Ein Luxus-Projekt, das nicht bei allen Bürgern auf Gegenliebe stößt.

„Monheim ist nicht Monaco, wir brauchen hier keinen Yachthafen“, schimpft Manfred Poell, Fraktionschef der Grünen im Stadtrat der Kleinstadt am Rhein, im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Planungen für den Bau der Marina würden zeigen, dass die Stadt „ihren finanzpolitischen Kompass verloren“ habe.

Monheim hat rund 43.000 Einwohner. In der Kommune, die an der Altbier-Grenze zwischen Köln und Düsseldorf liegt, ticken die Uhren völlig anders als im Rest von NRW. Dort regiert seit 2009 Bürgermeister Daniel Zimmermann von der Partei „Peto – die junge Alternative“. Die Jugendpartei, die antrat, um Filz und Misswirtschaft der Etablierten zu beenden, gibt es an keinem anderen Ort im Land.

Peto räumte mit den Schulden auf

Zimmermann, der bei Amtsantritt 27 Jahre alt war, hielt, was er versprach. Unter der Führung von Peto (lat.: „Ich fordere“) entwickelte sich Monheim zur Musterkommune. Die Senkung der Gewerbesteuer auf das niedrigste Niveau von NRW und die Entwicklung des Gewerbegebiets „Rheinpark“ lockte finanzkräftige und renommierte Investoren an. Die Einnahmen durch Unternehmensansiedlungen ließ die Stadtkasse klingeln. 2013 war die Kommune schuldenfrei.

Auch die Bürger profitierten von dem „Wunder von Monheim“. Eltern zahlen seit 2014 keine Kita-Gebühren mehr. Sogar der öffentliche Nahverkehr ist seit April 2020 für alle kostenlos. Ein künstlicher Geysir, der alle 64 Stunden in einem Kreisverkehr ausbricht, lockt als Modellobjekt für Kunst im öffentlichen Raum bundesweit Besucher an.

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Visualisierung der Kulturraffinerie.

Lange Jahre war der Bund der Steuerzahler in NRW voll des Lobes über die Entwicklung der Stadt. Doch jetzt hat sich die Beurteilung komplett gewendet. Luxus-Vorhaben wie die Marina, die mindestens 40 Millionen Euro kosten soll, stoßen bei den Finanzwächtern auf Unverständnis. „Manche Projekte in Monheim wirken überkandidelt“, so Manfred Berkenkopf, Haushalts-Experte beim Bund der Steuerzahler, auf Anfrage unserer Zeitung. Er könne verstehen, „wenn Kämmerer anderer Städte, die ganz andere Sorgen haben, das dekadent finden“.

In der aktuellen Finanzplanung sind bis zum Jahr 2025 Kreditermächtigungen in Höhe von 592 Millionen Euro vorgesehen. Neben der millionenschweren Marina ist in Monheim der Bau einer neuen Veranstaltungshalle „Kulturraffinerie K 714“ für bis zu 4700 Gäste auf dem früheren Shell-Gelände geplant. Nebenan soll ein großes Besucher-Parkhaus mit 2000 Stellplätzen entstehen.

In den vergangenen Jahren hatte die Stadt bereits 2018 das Shopping-Center „Monheimer Tor“ nebst Hotel auf den Weg gebracht. „Man muss sich schon fragen, ob es wirklich zu den kommunalen Aufgaben gehört, ein Einkaufzentrum oder eine große Veranstaltungshalle zu bauen“, sagt Berkenkopf. Monheim müsse aufpassen, dass sich die Stadt nicht finanziell überhebe: „Für das Jahr 2024 rechnen wir mit einer Rekordverschuldung.“

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So soll die Marina aussehen

Alexander Schumacher, der Vorsitzende der SPD-Fraktion in Monheim, teilt die Kritik. „Der Bürgermeister setzt darauf, mit Luxus-Projekten weitere Investoren nach Monheim zu locken“, sagt der Kommunalpolitiker im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Vor Corona habe Monheim hohe Einkünfte aus der Gewerbesteuer erzielt, aber die seien jetzt zum großen Teil weggebrochen. „Deswegen ist es hochriskant, Unsummen für Vorhaben auszugeben, die erwartbar keine Rendite haben werden. Der Bürgermeister und seine Peto-Partei haben einen gefährlichen Hang zum Gigantismus entwickelt“, beklagt Schumacher.

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Alexander Schumacher (SPD), an der Baustelle der Kulturhalle

Peto sei vor 13 Jahren auch angetreten, um einen neuen Politikstil einzuführen. „Vom einstigen Elan der Jugend ist nicht viel übriggeblieben. Mittlerweise leidet Monheim unter einem Peto-Filz“, kritisiert Schumacher. Dass sogar der Bund der Steuerzahler ein unseriöses Finanzgebaren anprangere, zeige, „wie weit es mit Peto gekommen“ sei. „Die geplante Marina ist ein Protz-Projekt für Gutverdienende“, klagt der SPD-Politiker. Auch in Monheim gebe es soziale Brennpunkte, in die das Geld „sicher besser investiert“ wäre.

Bürgermeister Daniel Zimmermann wurde bei den Kommunalwahlen 2014 und 2020 mit absoluter Mehrheit von den Bürgern im Amt bestätigt. Er ist an die Kritik der Opposition gewöhnt. Aber die Schelte des Steuerzahlerbundes verärgert ihn sichtlich. „Dort sollte man doch gute Schulden und schlechte Schulden voneinander unterscheiden können. Wir geben das Geld ja nicht für konsumtive Ausgaben aus, sondern für Investitionen in die Zukunft“, erklärt der Politiker auf Anfrage.

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Bürgermeister Daniel Zimmermann (Peto) wurde bei den Kommunalwahlen 2014 und 2020 mit absoluter Mehrheit im Amt bestätigt.

Zimmermann schildert seine Sicht der Dinge. „Die Höhe der Pro-Kopf-Verschuldung spielt als Kennziffer für eine solide Finanzpolitik gar keine Rolle“, erklärt der Bürgermeister. Bei der Kreditwürdigkeit komme es vielmehr darauf an, wieviel eine Stadt pro Kopf wert sei. „Da kommt Monheim auf einen Wert von 15.900 Euro pro Einwohner. Zum Vergleich: Siegburg kommt mit einer geringeren Pro-Kopf-Verschuldung auf einen Pro-Kopf-Wert von nur 230 Euro.“

Ortseingang

Der Ortseingang von Monheim.

Die Strategie, als Kommune selbst zu investieren, habe sich bezahlt gemacht, bilanziert Zimmermann: „Aus meiner Sicht macht es durchaus Sinn, wenn die Stadt das Geldverdienen nicht den Privaten überlässt. So konnten wir durch den Bau des Hotels nicht nur Gewinne erzielen, sondern auch städtebauliche Akzente setzen.“ Durch die Ausgabenpolitik habe die Stadt „ein Ausrufezeichen für die Lebensqualität in Monheim“ gesetzt.

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Mit dem Bau der „Kulturraffinerie“ soll die Stadt künftig noch attraktiver werden. „Bislang gibt es lediglich eine Schulaula als größeren Veranstaltungsraum. Das ist für eine Stadt der Größe von Monheim zu wenig“, erklärt Zimmermann. Die Marina sei ein Vorhaben, dass den Freizeitwert noch mal steigern soll: „Wir haben das Projekt absichtsvoll vor der Kommunalwahl vorgestellt und es damit zur Abstimmung gestellt. Peto hat eine absolute Mehrheit erzielt – auch in dem See-Bezirk, in dem es die meisten Bedenken gibt. Das Vorantreiben der Pläne ist damit aus meiner Sicht demokratisch legitimiert.“

Monheim hat fast zehn Kilometer Rheinufer, aber bislang keinen Bootshafen. Der Greisbachsee soll durch einen 200 Meter langen Kanal mit dem Rhein verbunden werden. Die neue Anlage solle „maritime Freizeiterlebnisse“ wie Tretbootfahren, Stand-Up-Paddling oder Rhein-Rafting ermöglichen, schwärmt ein Planer. Der Grüne Manfred Poell warnt hingegen, das Projekt „wäre mit verantwortungslosen Eingriffen in die Natur“ verbunden. Sollte es umgesetzt werden, müsste nach einer Planvariante eine Insel in dem See komplett versetzt werden. Ökologie und finanzpolitische Vernunft spielten „für die Peto eine viel zu geringe Rolle“, beklagt der Grünen-Politiker.

Ein Sprecher der Stadt Monheim verwies darauf, dass sich die Marina noch in einem ganz frühen Planungsstadium befinde. „Wir reden hier vermutlich über einen Projektzeitraum von locker noch acht bis zehn Jahren bis zu einer Realisierung“, hieß es. Künftige Besucher müssten sich „also mit Blick auf ihren Kaffee oder das frisch gezapfte Bier samt Aussicht über den Yachthafen und den See noch eine Weile gedulden".